3158/J XXV. GP

Eingelangt am 24.11.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Werner Neubauer

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres

betreffend Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler

In Ihrer Anfragebeantwortung 1498/AB der XXV. GP vom 23. Juli 2014 schreiben Sie wörtlich:

 

„Die Südtirol-Autonomie mit ihrem hohen Maß an Selbstgesetzgebung und Selbstverwaltung ist eine besonders gelungene Form der Selbstbestimmung. Darüber hinaus hat der europäische Integrationsprozess viele Aspekte des Konzepts „Grenze“ obsolet gemacht und das Konzept der grenzüberschreitenden Regionen (Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino) gestärkt. Damit wird auch ein vereintes Tirol in moderner Form ermöglicht.“

 

Diesem muss in vielerlei Hinsicht widersprochen werden. Die von Ihnen zitierte Selbstgesetzgebung und Selbstverwaltung existieren nur theoretisch und sind das Papier nicht wert auf dem sie stehen, da seit 2012 mehr als die Hälfte der im Südtiroler Landtag beschlossenen Gesetze vom Staat angefochten wurden. Betroffen waren verstärkt gerade jene Bereiche, die die Besonderheit der Region ausmachen und wodurch der Unterschied der einzelnen Sprachgruppen begründet ist, wie beispielsweise Finanzgesetze, das Einwanderungsgesetz, Toponomastik usw. Auch von Selbstverwaltung kann nicht wirklich gesprochen werden, nachdem der Staat nachweislich immer wieder das Mailänder Abkommen gebrochen hat und einseitig Finanzmittel einfach einbehalten hat.

 

Ebenso widerspricht Ihren Ausführungen ein aktuelles wissenschaftliches Gutachten des renommierten Völkerrechtsexperten Univ.-Prof. Dr. Peter Pernthaler. Er stellt darin klar, dass das Recht auf Selbstbestimmung nicht nur den Staatsnationen, sondern jedem Volk und jeder Volksgruppe zukommt und dass weder das „innere“ noch das „äußere Selbstbestimmungsrecht“ Südtirols durch die Autonomie aufgehoben oder verbraucht worden ist. Pernthaler weist auch nach, dass weder die europäische Integration noch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der sogenannten „Europaregion Tirol“ als Prozess der „Aufhebung der Staatgrenzen“ oder der Schaffung eines „vereinten Tirols in moderner Form“ angesprochen werden können. Sie sind daher keine Alternative zur Ausübung des Selbstbestimmungsrechts in Südtirol.


Das Gutachten stellt weiter fest, dass Österreichs politische und völkerrechtliche Verantwortung als Schutzmacht Südtirols in den Dienst des Selbstbestimmungsrechts gestellt werden muss, wenn der politische Wille der Südtiroler Volksgruppe dies eindeutig und nachdrücklich  verlangt. Da die Selbstbestimmung eine demokratische Bewegung ist, muss sie zunächst den Weg über das bestehende politische System Südtirols nehmen. In diesem Sinne hat bereits am 9. Oktober 2014 der Südtiroler Landtag folgenden Beschluss gefasst:

„Der Südtiroler Landtag bekennt sich zu den UN-Menschenrechtspakten und bekräftigt das in Artikel 1 verankerte Selbstbestimmungsrecht der Völker auch für Südtirol.“

 

Pernthaler weist aber auch darauf hin, dass die Nationalstaaten nach Möglichkeit die Umsetzung des Menschenrechtes auf Selbstbestimmung zu verhindern suchen. Damit wird klar, dass dieses Recht in einem politischen Prozess durchgesetzt werden muss. In diesem Zusammenhang kommt einer Meinungsumfrage, welche die Südtiroler überparteiliche „Arbeitsgruppe für Selbstbestimmung“ von dem renommierten italienischen Meinungsforschungsinstitut DEMETRA aus Mestre unter Italienern in ganz Italien mit Ausnahme von Südtirol und dem Trentino durchführen hatte lassen, eine besonders gewichtige Bedeutung zu: Dieser am 2. Mai 2014 der Öffentlichkeit vorgestellten Umfrage zufolge sind nämlich 71,8 Prozent der Italiener in ganz Italien mit der Selbstbestimmung für Südtirol einverstanden!

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres folgende

 

Anfrage

  1. War Ihnen der Inhalt des Gutachtens vor Anfragestellung bekannt?
  2. Ergeben sich für Sie aus dem Inhalt dieses Gutachtens neue bzw. andere Aspekte für Ihre Beurteilung des Selbstbestimmungsrechts für Südtirol?
    1. Wenn ja, welche?
    2. Wenn nein, wie begründen Sie dies?
  3. Werden Sie, hinsichtlich der Erkenntnisse dieses Gutachtens, sich künftig vermehrt für die Anliegen der Südtiroler, vor allem das Selbstbestimmungsrecht einsetzen?
    1. Wenn ja, inwiefern?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  4. Sehen Sie sich an die Entschließung des Nationalrates vom 5. Juni 1992 gebunden, der in dieser bekräftigte, dass der Pariser Vertrag keinen Verzicht auf die Selbstbestimmung Südtirols bedeutet?