3286/J XXV. GP
Eingelangt am 11.12.2014
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Anfrage
des Abgeordneten Bruno Rossmann, Freundinnen und
Freunde an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Vermögensdaten (Folgeanfrage zu 2305/J)
Für eine sachliche und empirisch gut fundierte Diskussion sowie für eine faktenbasierte Entscheidung über die Wiedereinführung von vermögensbezogenen Steuern (zB.: reformierte Erbschafts- und Schenkungssteuer) sind Daten und Informationen über die Höhe der Vermögen und deren Verteilung eine unverzichtbare Grundlage.
Wie bereits in Anfrage 2305/J detailliert ausgeführt, lagen umfassende Vermögensdaten für Österreich lange Zeit nicht vor. Erst auf Initiative der Europäischen Zentralbank (EZB) wurde der sogenannte Household Finance and Consumption Survey (HFCS) im Jahr 2010 in allen Ländern des Euroraums eingeführt. Die entsprechende Datenerhebung in Österreich wurde von der Österreichischen Nationalbank (OeNB) durchgeführt und von der EZB sowie von Top-VermögensforscherInnen aus den USA methodisch begleitet und überwacht.
Der HFCS basiert auf Umfragen – genauso wie andere wichtige volkswirtschaftliche Statistiken (zB.: Konsumerhebung). Sie zeigen, dass es beim Vermögen keine Mittelschicht gibt. Laut HFCS (Rohdaten) liegt der Median der Nettovermögen (Sach- und Finanzvermögen abzüglich aller Schulden) in Österreich bei 76.445 Euro. Ein Nettovermögen von über 500.000 haben nur die 11% der vermögensreichsten Haushalte. Vor diesem Hintergrund antwortet Finanzminister Schelling (2195/AB) auf Frage 12 (Anfrage 2305/J) wie folgt:
„Die Grundlagen und die Validität solcher Studien sind aus meiner Sicht jedenfalls zu hinterfragen. Festhalten darf ich aber auch, dass ein Besitzer einer Eigentumswohnung von 100 m² Größe zum Wert von 5.000 Euro pro m² bereits über ein Vermögen von 500.000 Euro verfügt; im so genannten „Speckgürtel“ erreicht ein Verkehrswert eines Einfamilienhauses oftmals 350.000 bis 400.000 Euro. In Kombination mit einem PKW und einigen Ersparnissen sind 500.000 Euro Vermögen eine betragsmäßige Größenordnung, die einen wesentlichen Teil der Bevölkerung und damit auch den Mittelstand betrifft.“
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in der Beantwortung weder auf Verteilung der Vermögen eingegangen noch auf die Tatsache der Definition des Nettovermögens Bezug genommen wird – beim Nettovermögen werden nämlich die gesamten Schulden abgezogen.
Zusätzlich skizziert Finanzminister Schelling in der Anfragebeantwortung 2195/AB wie in den „Schnellschätzungen“ des BMF die Höhe des Aufkommens der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie der Vermögensteuer zustande gekommen ist. Die wichtigsten Punkte sind:
· Vermögensteuer: „Schnellschätzung“ basiert auf dem Aufkommen der alten Vermögensteuer (1993 abgeschafft)
· Erbschafts- und Schenkungssteuer: „Schnellschätzung“ basiert auf dem Aufkommen der alten Erbschafts- und Schenkungssteuer (Bezugsjahr 2007)
· Sowohl die „Schnellschätzung“ für die Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie für die Vermögensteuer wurde mit der BIP-Entwicklung hochgerechnet
Die Annahmen für die „Schnellschätzung“ des BMF haben nichts mit den medial diskutierten Vorschlägen zur Erbschafts- und Schenkungssteuer oder der Vermögensteuer zu tun. Niemand fordert die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, die auf Einheitswerten aus Anfang der 1970er Jahre basieren. Für Schätzungen ist daher nicht das alte Aufkommen (basierend auf den aufgehobenen Gesetzen) dieser Steuern relevant, sondern vielmehr die aktuell verfügbaren Daten zu Vermögen und deren Verteilungen sowie die jeweils neuen Vorschläge. Anzumerken ist außerdem, dass die Vermögenszuwächse keinesfalls mit der BIP-Entwicklung hochgerechnet werden können, da sie – insbesondere bei den Top-Vermögen – deutlich darüber liegen (siehe zB Valluga Report 2014).
Die EU-Kommission hat in ihren länderspezifischen Empfehlungen folgendes festgehalten[1]:
„Das unlängst verabschiedete Steuerpaket umfasst begrenzte Maßnahmen zur Verringerung der steuerlichen Belastung des Faktors Arbeit, nutzt jedoch nicht die Möglichkeiten für eine Verlagerung auf andere, weniger wachstumsschädliche Steuerquellen wie periodische Immobiliensteuern, die auf der Grundlage von veralteten Katasterwerten erhoben werden.“
Aus diesem Grund wurde in Anfrage 2305/J (Frage 11) gefragt, welche Maßnahmen der Finanzminister diesbezüglich ergriffen hat. Die Antwort (2195/AB) des Finanzministers lautet:
„In den letzten Jahren wurden – insbesondere durch die Einführung einer Substanzbesteuerung auf Wertsteigerungen von Kapitalvermögen und Immobilien – Möglichkeiten geschafften, das Aufkommen der Einkommensteuer zu erhöhen“ […]
In der Beantwortung wird folglich nicht darauf eingegangen, dass Wertsteigerungen von Kapitalvermögen und Immobilen nur beim Verkauf besteuert werden.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Aufgrund welcher wissenschaftlichen Grundlagen oder Informationen
hinterfragen Sie „die Validität solcher Studien“ (Antwort
auf Frage 12)?
2) Ist Ihnen bekannt, dass unzählige Datenerhebungen und fast alle
wichtigen Statistiken auf Umfragen basieren?
3) Hinterfragen Sie auch „die Grundlagen und die Validität“
von Studien, die mithilfe von EU-SILC Daten oder Mikrozensus Daten erstellt
wurden?
4) Wann ja: Aufgrund welcher wissenschaftlicher Grundlagen oder
Informationen hinterfragen Sie die Grundlagen und die Validität?
5) Wenn nein: Wodurch unterscheiden sich Umfragedaten des EU-SILC
Datensatzes von jenen des HFCS in Bezug auf deren „Validität“?
6) Wenn Informationen über das Vermögen der privaten Haushalte
sowie deren Verteilung sowohl für steuerliche Zwecke (Steuerprüfung)
als auch für die Finanzmarktstabilität höchst relevant sind, und
Sie die „Validität“ hinterfragen, warum lassen Sie dann
keine Erhebung zur Höhe der Vermögen aller privaten Haushalte und
deren Verteilung durchführen?
7) Welche Maßnahmen haben Sie bisher ergriffen, um die Empfehlungen
der EU-Kommission betreffend eine Verlagerung der Steuerlast vom Faktor Arbeit
hin zu weniger wachstumsschädlichen Steuern umzusetzen?
8) Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die Empfehlungen der
EU-Kommission betreffend eine Verlagerung der Steuerlast vom Faktor Arbeit hin
zu weniger wachstumsschädlichen Steuern umzusetzen?
9) Wenn laut HFCS der Median der Nettovermögen der
österreichischen Haushalte bei 76.445 Euro liegt, wieso gehen Sie davon
aus, dass vermögensbezogene Steuern mit einem Freibetrag in Höhe von
500.000 Euro „den Mittelstand“ treffen würden? (Bitte um
Einbeziehung des Begriffs Nettovermögen in der Beantwortung)
10) Wie definieren Sie den Begriff „Mittelstand“ bei Vermögen?
11) Wie definieren Sie den Begriff „Mittelstand“ bei Einkommen?
12) Warum haben Sie für „Schnellschätzungen“ das Aufkommen der alten Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie der alten Vermögensteuer verwendet, obwohl es keine Vorschläge gibt, diese Steuern in der alten Form und mit veralteten Einheitswerten wieder einzuführen?