3388/J XXV. GP

Eingelangt am 19.12.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Peter Pilz, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport

betreffend nicht letale Wirkmittel bzw. weniger tödliche Waffen im Bundesheer

BEGRÜNDUNG

 

Der von der Bundesregierung beschlossene Übungs- und Ausbildungsplan 2015 sieht unter anderem eine Beteiligung von max. 12 Experten des BMLVS aus dem Bereich Strukturplan, Fachpersonal der Heerestruppenschule und Militärstreife an der in Deutschland stattfindenden NATO PfP Übung „Non lethal capability technology exercise“ vor.

Die NATO arbeitet seit 2008 intensiv an der Einführung derartiger Waffensysteme. “The NATO capabilities-based assessment will be a critical step in providing escalation-of-force options to NATO’s forces around the globe,” said Colonel Tracy Tafolla, Director of the Joint Non-Lethal Weapons Directorate and chairman of the SAS-078 Task Group. “NATO forces are engaged in operations ranging from humanitarian relief missions to full-scale combat, and non-lethal weapons can help minimize casualties and collateral damage across the range of military operations.” (http://jnlwp.defense.gov/PressRoom/MediaReleases/tabid/4778/Article/4381/nato-begins-non-lethal-weapons-capabilities-based-assessment.aspx)

Der Übungszweck ist laut Übungsplan die „Weiterentwicklung der vorrangig technischen Fähigkeiten im Aufgabenspektrum Friedenserhaltende Operationen. Die Herausforderung besteht in der Bewältigung von Aufgaben unter Verwendung nicht letaler Wirkmittel.“

Als nationale Ziele Österreichs werden definiert: „Überprüfung der im ÖBH bereits eingeführten und in Einführung befindlichen Systeme und Erarbeiten von Verfahren zur Bewältigung von Aufgaben im Rahmen friedenserhaltender Einsätze auf der Ebene Einheit und Teileinheit. Forciert werden kinetische, irritierende, optische und akustische Munitionsarten.“

Hinsichtlich der beabsichtigten Wirkung und Verwertbarkeit für Österreich führt der Übungsplan aus, dass die erwarteten Erkenntnisse ihre Umsetzung in den Verfahren von Militärpolizei sowie Infanteriekräften finden und in die weiteren Planungs- und Beschaffungsabsichten im Bereich nicht letaler Wirkmittel einfließen.

In der Sitzung des Hauptausschusses vom 17.12.2014 haben Sie darauf angesprochen gemeint, es handle sich bei diesen Wirkmitteln um „Feuerlöscher, Wasserschläuche, akustische Sirenen und Geräte, die Wasserimpulse verschießen.“ Warum Hupen, Feuerlöscher und Wasserschläuche von Ihnen als „Munition“ bezeichnet werden, war auch nach Schluss der Sitzung nicht klar.

Angesichts des sehr detaillierten Wortlauts im Übungsplan über die zu forcierenden Munitionsarten erscheint diese Erklärung etwas zu kurz zu greifen.

Es existiert nämlich eine ganze Reihe sogenannter „nicht letaler Wirkmittel“ unterschiedlichster Intensität, und es war bisher öffentlich nicht bekannt, dass das österreichische Bundesheer in diesem Bereich Anschaffungen plant oder bereits getätigt hat. Zum Vergleich sei an die intensive öffentliche Debatte erinnert, welche der Beschaffung von Tasern im Bereich der Sicherheitsexekutive und der Justizwache vorangegangen ist. Auch Taser sind prinzipiell nicht-letale Wirkmittel, die aber bekanntlich mit beträchtlichen Gesundheitsrisiken behaftet sind und international auch bereits zu zahlreichen Todesfällen geführt haben.

Die NATO wirbt in diesem Zusammenhang für von Waffenplattformen verschießbare Taser, wie 2011 bei der North American Technology Demonstration for Non Lethal Weapons in Ottawa gezeigt wurde.

Dazu kommt die die im Übungsplan erwähnte „kinetische Munition“ - Gummigeschosse, Sandgeschosse, sowie mit mit Nylonschrot oder Flüssigkeit gefüllte Beutel („bean bags“). Derartige Produkte sind am Markt erhältlich, tragen aber stets auch ein beträchtliches Verletzungsrisiko mit sich und können neben inneren und äußeren Verletzungen etwa auch zum Verlust des Augenlichts oder im Extremfall bis zum Tod führen. Dasselbe gilt für Tränengas, Pfefferspray, Wasserwerfer, usw.

Im optischen Bereich werden sogenannte „Dazzler“ als nicht letale Wirkmittel vermarktet. Sie verwenden intensives optisches Licht oder UV-Strahlung zur Blendung, sollen aber die Opfer nicht dauerhaft erblinden lassen (ansonsten wären sie nach internationalen Vereinbarungen verboten). Akustische Wirkmittel erzeugen sehr hohe Laustärken in einem engen Abstrahlwinkel und können dabei auch zu dauernden Gehörschäden führen.

Aufgrund all dieser Gefahren wird auch gefordert, statt „nicht letal“ den Begriff „weniger tödliche Waffen“ zu verwenden.

Beschaffung und Einsatz solcher Mittel sollten nicht ohne vorherige öffentliche Diskussion über die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes, eine intensive Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und eine klare Definition der allfälligen zulässigen Einsatzgebiete erfolgen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Warum bezeichnen Sie Hupen, Wasserschläuche und Feuerlöscher als Munition?

2)    Ist es richtig dass das Ziel der Übung „Riot Control“, also die Niederschlagung von Unruhen ist?

3)    Welche Systeme „weniger tödlicher Waffen“ im obigen Sinn wurden in welcher Zahl beim österreichischen Bundesheer bereits eingeführt?

4)    Wann und auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Beschaffung und wie hoch waren die Beschaffungskosten?

5)    Welche Einheiten wurden mit derartigen „weniger tödlichen Waffen“ ausgestattet?

6)    Welche Arten kinetischer, weniger tödlicher Munition stehen dem Bundesheer zur Verfügung?

7)    Welche Arten optischer, weniger tödlicher Munition stehen dem Bundesheer zur Verfügung?

8)    Welche Arten akustischer, weniger tödlicher Munition stehen dem Bundesheer zur Verfügung?

9)    Welche Arten irritierender, weniger tödlicher Munition stehen dem Bundesheer zur Verfügung?

10) Welche Systeme „weniger tödlicher Waffen“ befinden sich im österreichischen Bundesheer derzeit in Einführung?

11) Handelt es sich dabei um kinetische, optische, akustische oder irritierende „weniger tödliche Munition“?

12) Wann und auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Beschaffung und wie hoch waren die Beschaffungskosten?

13) Welche Einheiten sollen im Zuge dieser Beschaffung mit derartigen „weniger tödlichen Waffen“ ausgestattet werden?

14) Welche „weiteren Planungs- und Beschaffungsabsichten“ zu „weniger tödlicher Munition“ bestehen derzeit im BMLVS?

15) In welchem Stadium befinden sich diese Planungen bzw. Beschaffungsabsichten?

16) Wie lautet der Beschaffungszeitplan?

17) Welche Kosten sind für die Beschaffung veranschlagt?

18) Auf welcher Rechtsgrundlage und unter welchen Bedingungen dürfen „weniger tödliche Waffen“ durch das österreichische Bundesheer eingesetzt werden?

19) Wer entscheidet über den jeweiligen Einsatz?

20) Ist der Einsatz im Rahmen von internationalen Missionen zulässig, und falls ja auf welcher Rechtsgrundlage?

21) Ist ein solcher Einsatz geplant?

22) Ist der Einsatz im Rahmen von Assistenzeinsätzen in Österreich zulässig, und falls ja auf welcher Rechtsgrundlage? 

23) Ist ein solcher Einsatz geplant?

24) Beabsichtigen Sie dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, welche für den Einsatz „weniger tödlicher Waffen“ durch das Bundesheer konkrete rechtliche Anforderungen reglementiert?