3478/J XXV. GP

Eingelangt am 16.01.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl, Freundinnen und Freunde an Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien

betreffend Redimensionierung des Weltmuseums

BEGRÜNDUNG

 

Der Name „Weltmuseum“ mag unglücklich gewählt sein. Angesichts der kulturpolitischen Schande, die mit der von Ihnen verordneten Redimensionierung dieser Institution ihren vorläufig letzten Höhepunkt findet, ist das jedoch von geringer Bedeutung.

Das Weltmuseum verfügt über die weltweit fünftgrößte Sammlung an Kulturgütern außerhalb der Kunstschätze einer eurozentristischen Kunstgeschichte. Für die gegenwärtigen Probleme der Migrationsgesellschaft, die uns eminent betreffen, ließen sich mit dieser Sammlung jedenfalls bedeutende Aspekte zum Nebeneinander und der Konkurrenz von Kulturen erarbeiten und in einer zeitgemäßen Form präsentieren. Systematische und tiefer greifende Auseinandersetzungen mit den laufend diskutierten Themen zu kulturellem Pluralismus könnten genauso aufbereitet und vermittelt werden wie zu Kolonialismus und zu den Entwicklungen, die zu den Problemen mit Migration und kultureller Dissonanz geführt haben, mit denen  Europa heute zu tun hat.

Eine umfassende Neupositionierung des Weltmuseums als kritisches, diskursives und allen genannten Aspekten aufgeschlossenes Haus der Kulturen wäre unerlässlich zumal solche Institutionen weltweit etabliert sind. Österreich indes geht seit der Ausgliederung der Bundesmuseen einen konträr anderen Weg. Das Völkerkundemuseum (wie das Weltmuseum ehedem hieß) wurde von den Regierungen seit 2001 sukzessive seiner Bedeutung beraubt. Mit der Integration in den Komplex des Kunsthistorischen Museums wurde es zunächst finanziell entmündigt und seine öffentliche Darstellungsmöglichkeit marginalisiert. Seither gibt es keine eigenverantwortliche Vertretung und keine Budgethoheit, was laufend zur Übernahme von Teilen der, dem Museum gewidmeten Basisabgeltung für Bedürfnisse des KHM geführt hat.

Bereits kurz nach der verheerenden kulturpolitischen Entscheidung der damaligen Ministerin Gehrer wurden die Ausstellungsräume des Völkerkundemuseums vom KHM geleert. Seither ist kein ordentlicher Museumsbetrieb mehr möglich.

Von 2004 bis 2007 folgte eine Umbauphase, danach gab es kein Geld mehr für die Einrichtung und das Museum musste seine Aktivitäten auf 1000m2 und ein lachhaft niedriges Ausstellungsbudget von 130.000 Euro begrenzen. (Das Musée du Quai Branly arbeitet im Vergleich dazu mit jährlich mehr als fünf Millionen Euro.) Von Mitteln für Neuerwerbungen ganz zu schweigen. Mit diesen Vorgaben konnten freilich keine Besucherströme angelockt werden. Genau das wird dem Museum jetzt in der Öffentlichkeit vorgeworfen.

Dass die Institution von der Kulturpolitik systematisch ruiniert wurde, ist über mehr als zehn Jahre mit Versprechungen und Beruhigungen verdeckt worden. Dazu gehören auch die Zusagen Ihrer Vorgängerin Claudia Schmied als Kulturministerin.  Sie hat dem Weltmuseum für den Ausbau 27,5 Millionen Euro zugesagt. Gleichzeitig wurden zwischen 2010 und 2012 extrem hohe Kosten für den Ausbau des zweiten Stockwerks im KHM und für die Kunstkammer vom Bundesministerium bewilligt. Während die Einrichtungen im KHM verwirklicht wurden, war das Versprechen für das Weltmuseum wieder einmal ein leeres.

Der von Ihnen jetzt verhängte Baustopp führt das Museum ins Ausgedinge. Ohne Perspektive bleibt dem Weltmuseum nur noch die Verwaltung des Stillstandes. Das Haus wird schnell sein Stammpublikum verlieren und ist am Ende. Ihre Begründung, die bislang im Budget nicht berücksichtigten laufenden Kosten für den Betrieb eines erneuerten Museums wären nicht finanzierbar, hinkt vorne und hinten, wenn Sie gleichzeitig ein „Haus der Geschichte“ errichten und wohl auch betreiben wollen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie konnte es passieren, dass die künftigen Betriebskosten eines zu sanierenden Weltmuseums nicht bedacht wurden?

2)    Wie können Sie zwei Museen zum gleichen Preis ermöglichen, wenn der Betrieb nicht einmal für eines der beiden reicht?

3)    Warum gliedern Sie das Weltmuseum Wien nicht aus dem Museumsverband des KHM aus, nachdem die negativen Auswirkungen dieser Gehrer-Seipel-Maßnahme seit 2001 offensichtlich sind und inhaltlich die beiden Komplexe nie miteinander zu tun hatten?

4)    Haben Sie sich eine genaue Auflistung der kalkulierten Erhöhung der Basisabgeltung für das KHM um 2,3 Mio. € – unter genauer Berücksichtigung der für das Weltmuseum bestimmten Gelder – vorlegen lassen?

5)    Welche Budgets standen dem Museum für Völkerkunde vor seiner Eingliederung in den KHM-Museumsverband zur Verfügung?

6)    Wie sehen Sie die internationale Bedeutung der Sammlungen des Weltmuseums und seiner kulturellen und gesellschaftlichen Agenden im Verhältnis zur Stellung Wiens als kulturell offene und pluralistische Weltmetropole?

7)    Warum wird diese Institution ständig verkleinert, wiewohl sie eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen von Kulturgütern beherbergt und solche Museen international umgekehrt ausgebaut werden (z.B. das Humboldt-Forum in Berlin, das Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée in Marseille oder das Musée des Confluences in Lyon, um nur wenige zu nennen)?

8)    Meinen Sie nicht, dass eine ausgebaute Institution als ein Haus der Kulturen ein Signal für die kulturelle Vielfalt Österreichs sowohl auf internationaler Ebene als auch für Menschen, die hier leben und arbeiten, wäre?

9)    Wie stehen Sie zu den internationalen Stellungnahmen prominenter internationaler Fachvertreterinnen und Fachvertreter, die Ihnen zugesandt wurden?

10) Welche umsetzbaren Konzepte für ein „Haus der Geschichte“ liegen Ihnen vor? Welches davon wollen Sie verwirklichen? Was beinhaltet dieses Konzept?

11) Welche Kosten kommen auf die Republik mit der Einrichtung eines „Haus der Geschichte“ zu?

12)  Wird das „Haus der Geschichte“ Teil des KHM-Museumsverbandes?

13)  Wird das „Haus der Geschichte“ ein eigenständiges Bundesmuseum mit Basisabgeltung?

14)  Mit welchem Betrag kalkulieren Sie diese Basisabgeltung?

15) Der vom Parlament am 30.06.2010 angenommene Entschließungsantrag fordert das Kulturministerium auf, alle rechtlichen, organisatorischen, personalrechtlichen und finanziellen Vorkehrungen zu prüfen, die eine Zusammenführung des Museums für Völkerkunde und des österreichischen Museums für Volkskunde als eigenständige Einrichtung ermöglichen soll und dem Nationalrat darüber zu berichten. Wann wurde dem Nationalrat dazu was berichtet?