3480/J XXV. GP

Eingelangt am 20.01.2015
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Keck,

und GenossInnen

an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend der Handelsabkommen CETA, TTIP, TiSA die vorliegen bzw. in Verhandlung sind.

Seit August liegt der Vertragsentwurf über ein Handelsabkommen der EU mit Kanada vor. Ende September hat die nunmehr ausgeschiedene EU-Kommission den Vertragsentwurf veröffentlicht und die Verhandlungen für abgeschlossen erklärt. Die nun zuständige EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström betont in ihren Stellungnahmen, dass die Verhandlungen abgeschlossen sind und nun der Entscheidungsprozess im EU-Rat, EU-Parlament und voraussichtlich in den nationalen Parlamenten der 28 Mitgliedstaaten bevorsteht. CETA hat eine maßgebliche Bedeutung für das in Verhandlung befindliche Handelsabkommen mit den USA, TTIP.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende ANFRAGE:

CETA:

1)      Wie hat sich die Leistungsbilanz zwischen Österreich und Kanada von 2000 - 2014 entwickelt?

2)       Hat Österreich in der Leistungsbilanz mit Kanada ein Defizit oder einen Überschuss erzielt?

3)       Ist eine ausgeglichen Leistungsbilanz zwischen Österreich und Kanada bzw. zwischen der Europäischen Union (EU) und Kanada ein erstrebenswertes Ziel der österreichischen bzw. europäischen Außenhandelspolitik?

4)       Das Beschaffungswesen der Städte und Gemeinden, der Länder und Bundeseinrichtungen ist Teil von CETA. Ab welcher Auftragssumme sind Kanalbauvorhaben, die Errichtung von Kindergärten, oder die Beschaffung von Büromöbel oder Fahrzeugen nach Abschluss von CETA transatlantisch auszuschreiben?

5)       Welche Beschaffungen von Städten und Gemeinden, von stadteigenen und gemeindeeigenen Unternehmungen sind von der Verpflichtung der transatlantischen Ausschreibung betroffen?

6)       Welche Auswirkungen wird die Veränderung in der Ausschreibungspflicht für Beschaffungsvorgänge haben, die derzeit von regionalen Anbietern erfüllt werden?

7)       Wie wird sichergestellt, dass die ab 01.01.2015 wirksame Novelle des Lohn-und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes für transatlantische Leistungserbringung Anwendung findet?

8)       Wie ist der behördliche Ablauf bei der Durchsetzung von Entgeltansprüchen von kanadischen Dienstleistungserbringern die z.B. durch konzerninterne Entsendung in Österreich tätig sind, organisiert?

9)       Welche Folgen hat es für Städte und Gemeinden, die transatlantische Ausschreibungsverpflichtungen nicht einhalten?


10)   Wer wird bei Verstößen gegen CETA schadenersatzpflichtig? Der Bund, die Länder oder Städte und Gemeinden?

11)   Wird die EU-rechtliche Bestimmung der Kommunalen Selbstverwaltung, Art. 4 Abs. 2 EUV durch CETA eingeschränkt?

12)   Die sog. Ratchet-Klausel führt einen Sperrklinkeneffekt ein, der die Revision vorgenommener Liberalisierungen - etwa durch eine Rekommunalisierung - unmöglich macht. Ist die in X.06 Abs. 1 lit. c) des Kapitel 11 vorgesehene sog. Ratchet-Klausel eine EU-rechtwidrige Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung?

13)   Ist die EU-Grundrechtscharta auf den CETA Vertrag anzuwenden? Ist der Vertragspartner Europäische Union der EU-Grundrechtscharta verpflichtet? Entspricht CETA der EU- Grundrechtscharta?

14)   Wie sind die Menschenrechte in der Arbeitswelt, die ILO-Kernarbeitsnormen in CETA abgesichert? Welche Klagemöglichkeiten gibt es für die Vertragspartner gegen Verletzungen der ILO-Kernarbeitsnormen gerichtlich vorzugehen?

15)   Welche Klagemöglichkeiten haben geschädigte Arbeitnehmerlnnen deren grundlegende Rechte (ILO-Kernarbeitsnormen) durch Investoren missachtet wurden? Welchen Rechtsweg können deren Interessensvertretung - Arbeiterkammer und Gewerkschaft - beschreiten?

16)   Studien, auf die sich die Europäische Kommission beruft, zeigen wirtschaftlich negative Effekte für den EU-Binnenmarkt und indirekt betroffene Länder. Die Studien errechnen durch TTIP eine Schrumpfung der Wirtschaft in Kanada und einigen anderen indirekt betroffenen Staaten. Gibt es brauchbare Studien, welche die volkswirtschaftlichen Effekte von CETA und TTIP gemeinsam abschätzen und diese Effekte für Österreich, die Europäische Union, Kanada, die USA und andere indirekt betroffenen Länder darstellen?

17)   In den letzten Wochen wurden Studien veröffentlicht, die durch TTIP einen Verlust von 600.000 Arbeitsplätzen in der Europäischen Union errechnen. Woran misst das BMWFW die Qualität und Aussagekraft solcher Studien?

18)   Wann wird CETA im Rat der „Handelsminister“ abschließend behandelt?

19)   Welche Positionen haben Sie für Österreich im „Handelsministerrat“ vertreten die erfolgreich in den CETA-Vertrag aufgenommen wurden?

20)   Wird der Rat der „Handelsminister" Verbesserungsvorschläge für den CETA-Vertrag verlangen? Werden Sie Verbesserungsvorschläge aus dem Parlament in den Rat der Handelsminister einbringen?

21)   Welches Mitwirkungsrecht hat der österreichische Nationalrat am vorliegenden CETA- Vertrag? Wird es von der Zustimmung des österreichischen Nationalrates abhängen ob CETA rechtswirksam wird?

Investor-state dispute settelment (ISDS) im CETA

1)      Wieviele österreichische Investoren wurden seit 2000 in Kanada enteignet?

2)       Welche Schadenssumme haben österreichische Investoren in Kanada seit 2000 durch Enteignung erlitten?

3)       Investitionsschutzabkommen gibt es in vielen Handelsverträgen. Wie hat sich die Anzahl von Klagen auf Basis dieser Investitionsschutzabkommen in den letzten 20 Jahren verändert? Ist die Anzahl der Klagen gestiegen? Von wie vielen Klagen weiß das BMWFW?

4)       Mit wievielen dieser Klagen wurde die EU bzw. deren Mitgliedstaaten in den letzten 20 Jahren konfrontiert? Wie hat sich die Anzahl über die Jahre verändert?


5)       Wie viele Klagen haben in der EU ansässige Investoren in den letzten 20 Jahren gegenüber Vertragspartnern außerhalb der EU angestrengt? Wie hat sich die Anzahl über die Jahre verändert?

6)       Wie viele kanadische Investoren gibt es derzeit in Österreich, die auf der Basis von ISDS im CETA Abkommen zukünftig Österreich klagen könnten?

7)       Richten sich Klagen nach dem ISDS im CETA gegen die Republik Österreich oder gegen die jeweilige Gemeinde, Stadt, oder Bundesland?

8)       Können fehlerhafte Ausschreibungen von Gemeinden, Städten, Ländern, Bundeseinrichtungen, Klagen und Schadenersatzzahlungen auslösen?

9)       Mit welchen Kosten müssen Beklagte rechnen wenn sie Schadenersatzforderungen nach dem ISDS abwehren wollen? Wer hat die Kosten zu tragen? Trägt das BMWFW die Verteidigungskosten?

10)   Können Behördenentscheidungen, z.B. Baugenehmigungen, Anlagenbewilligungen u.v.a.m zum Gegenstand von ISDS-Klagen werden?

11)   Welche Schlüsse ziehen Sie aus folgenden zwei Schiedsentscheidungen gegen Kanada?

Halten Sie die Verurteilung von Kanada für sinnvoll? Oder werden vergleichbare Verurteilungen im CETA ausgeschlossen? Wenn ausgeschlossen wodurch?

a.       SD Myers vs. Kanada: Kanada hat die internationale Basler Konvention unterzeichnet, in der festgehalten ist, dass gefährliche Abfälle im Herkunftsland entsorgt werden müssen. Kanada hatte von November 1995 bis Februar 1977 jegliche Ausfuhr von PCB-Abfällen unabhängig von Land oder Unternehmen zeitweise verboten. Trotzdem strengte das US-Abfallentsorgungsunternehmen SD Meyers auf der Grundlage von NAFTA eine erfolgreiche Klage gegen dieses Ausfuhrverbot an. Das Schiedsgericht entschied zugunsten des Konzerns und sprach SD Myers eine Entschädigungssumme von 6,05 Millionen US$ (4,7 Millionen €) zuzügliche Zinsen zu.

b.       Ethyl vs. Kanada: Als das kanadische Parlament 1997 aus Umwelt- und Gesundheitsschutzgründen die Einfuhr und den Transport eines giftigen Benzinzusatzstoffes untersagte, klagte der US-Konzern Ethyl auf Grundlage von NAFTA auf Schadenersatz in der Höhe von 201 Millionen US$ (10,2 Millionen €) zu bezahlen und zog das Verbot zurück.

12)   Kanadische und europäische Investoren verklagen als „Auslandsinvestoren“ zunehmend die eigene Regierung über Niederlassungen im Ausland. Ein eigner Name „traty shopping“ hat sich für dieses Methode bereit gebildet. Wie viele europäische Investoren haben eine entsprechende Niederlassung in Kanada, die es den Investoren ermöglicht mit Hilfe von ISDS im CETA gegen europäische Länder zu klagen?

13)   Was alles wird im CETA Vertrag als Investition verstanden. Neben Betriebsstätten auch Aktien, Staatsanleihen, ein Recht auf geistiges Eigentum, ein Ferienhaus?

14)   Ist es richtig, dass klagbare Maßnahmen im CETA Abkommen Gesetze,

Verwaltungsbeschlüsse oder Gerichturteile sind?

15)   Der vorliegende CETA Vertrag beinhaltet weitreichende Klagemöglichkeiten für Investoren im Finanzsektor. Im Vergleich zu den Bestimmungen in der Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) sind die Klagemöglichkeiten im CETA umfangreicher und beinhalten den vagen klagefähigen Tatbestand der „gerechten und billigen Behandlung“. Welche Lehren aus der Weltfinanzkrise führen zu einer Ausweitung der Klagemöglichkeiten für Finanzinvestoren?


16)   Derzeit haben 8 Mitgliedstaaten der EU Investitionsschutzabkommen mit Kanada. 20 Mitgliedstaaten der EU - die 95% der europäischen Wirtschaftsleitung ausmachen - haben kein Investor-Staat-Klagerecht mit Kanada vereinbart. Gibt es einen erkennbaren Unterschied in der Entwicklung der Handelsbeziehungen mit Kanada von EU-Ländern mit ISDS und EU-Ländern ohne ISDS?

17)  Würden die bestehenden ISDS Abkommen mit den 8 EU Mitgliedsstaaten durch CETA ihre Wirksamkeit verlieren? Wie viele Jahre würden die bestehenden Investitionsschutzabkommen nachwirken?