3497/J XXV. GP

Eingelangt am 22.01.2015
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Anfrage

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend Verfahrensstand Immobiliengeschäfte (BUWOG, Terminaltower, …) und Vergabe Lehman Brothers

 

Das Vertrauen in die Justiz bildet das Fundament jeglicher Rechtsstaatlichkeit. Gerade in clamorosen Fällen, die im Zentrum öffentlichen Interesses stehen, sollte eine transparente und rasche Vorgangsweise der Justiz zur Festigung des Vertrauens beitragen. Sicherlich erfordern komplizierte Sachverhalte und internationale Geldströme ein erhebliches Zeitausmaß im Ermittlungsverfahren. Doch sollte nach Vorliegen eines Vorhabensberichts die Entscheidung über die weitere Vorgangsweise zügig vorgenommen werden. Durch die Einführung des Weisenrats auf Grund Ihrer anwaltlichen Involvierung bei diversen clamorosen Fällen verzögert sich die Entscheidungsfindung und verschleiert die Ministerverantwortung.

Nachdem die Ermittlungen zum Korruptionskomplex Immobiliengeschäfte der Republik seit 2009 laufen und in einen Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft im Juni 2014 mündeten, steht eine Entscheidung über Einstellung oder Anklageerhebung von Ihnen bereits seit über einem halben Jahr aus. In der 2118/AB zur 2228J, die den Stand der Verfahren wie bereits am 8. November 2012 in der Sondersitzung des Nationalrates und in einer parlamentarischen Anfrage vom 22.5.2013 erfragte, antworteten Sie am 22. September 2014:

Im Ermittlungsverfahren betreffend den Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaften und die Vergabe des diesem Verkauf vorangehenden Beratungsauftrages an die Lehman Brothers Bankhaus AG sowie betreffend das Faktum „Terminal Tower“ hat die Zentrale Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen und Korruption einen umfangreichen Vorhabensbericht über die beabsichtigte Enderledigung erstattet, welcher derzeit von der zuständigen Fachabteilung meines Hauses geprüft wird.

Ich ersuche um Verständnis dafür, dass nähere Auskünfte zu den gegenständlichen Strafsachen im Hinblick auf die Nichtöffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens (§ 12 StPO) und aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erteilt werden können.

In der parlamentarischen Debatte zur Anfragebesprechung dieser Antwort am 5. November 2014 stellten Sie fest:

„Stichwort BUWOG, das ist ein Sachverhaltskomplex, der auch vom Weisenrat zu beurteilen sein wird. Wir reden hier von einem sehr umfangreichen Vorhabensbericht, etliche hundert Seiten, und das muss natürlich auch von den zuständigen Fachinstanzen entsprechend angeschaut und überprüft werden. (…)

Es ist auch nicht so – das möchte ich bei der Gelegenheit auch sagen –, dass es dann bei der Enderledigung irgendwelche Verzögerungen gäbe, insbesondere nicht in meinem Bereich, wirklich nicht. Wir achten wirklich darauf, dass das rasch erledigt werden kann. (…)

Ich kann Ihnen versichern, dass wir auch weiterhin wirklich alles tun werden, auch was das Hauptfaktum betrifft, die Verfahren so rasch wie möglich zu einem Abschluss zu bringen. Aber es ist ein großer Sachverhaltskomplex, und es braucht eine gewisse Zeit, um hier wirklich jenes Ausmaß auch an Qualität zu erzielen, das man natürlich in solchen Fällen haben sollte. Wir glauben aber doch, dass es gerade jetzt so weit ist, dass es sicherlich nicht mehr allzu lange dauern kann. Ich habe den Medien entnommen, dass man meint, das müsste schon bis Ende des Jahres so gut wie erledigt sein. Ich kann nur sagen, dass alle, die damit befasst sind, wirklich alles tun, damit es möglichst rasch geht.“

In der Causa Meinl währte die Entscheidungsfindung über ein Jahr. Im Bereich des Komplexes BUWOG und anderer Immobilienverkäufe wurde wiederholt von Seiten der Staatsanwaltschaft angekündigt, dass noch 2014 die Entscheidung über ein ev. Gerichtverfahren getroffen werden kann. Nun dürfte ein kleinerer Verfahrensmangel und das Ableben eines Betroffenen zu erheblichen Verzögerungen führen, die öffentlich nicht nachvollziehbar sind.

Zum Bereich der möglicherweise manipulierten Vergabe des Beratungsauftrages für den Verkauf der bundeseigenen Wohnbaugesellschaften an die Investmentbank Lehman Brothers wurde einigen Verdachtsmomenten bisher noch nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt. So berichtete die Wochenzeitung „Format“ am 20.6.2012 (Ausgabe 16/12) über einen Zivilprozess am Handelsgericht Wien, bei dem Karlheinz Muhr, ein Freund des damaligen Finanzministers Karlheinz Grasser und Subunternehmer von Lehman, aussagte:

Zu Muhrs Überraschung wollte Richter Kulka mehr über den Job wissen. Muhr geriet dabei in Verlegenheit. "Der Richter fragt wiederholt nach der Tätigkeit der Volaris, der Kläger ist nicht in der Lage, dem Richter zu schildern, worin die Tätigkeit der Volaris besteht.“ Im Protokoll steht, "dass der Verhandlungsrichter in den letzten 15 Minuten mehrere Anläufe gemacht habe, um vom Kläger eine Antwort zu erhalten, was Volaris für Lehman Brothers um 433.820 Euro tatsächlich geleistet habe, und der Kläger (sei) trotz dieser Bemühungen des Richters nur in der Lage gewesen, einzelne Wörter, die in ihrer Gesamtheit keinen Sinn ergeben haben, zu äußern“. Muhr tat sich offenbar schwer, die Beratungsleistung zu erklären.

Mündliche Übergaben

Befragt zur Marktbeobachtungs- und -analysetätigkeit, sagte Muhr: "Die Ergebnisse der mehrmonatigen Tätigkeit von Volaris wurden mit Vertretern von Lehman Brothers einige Male mündlich besprochen, es gibt nichts Schriftliches.“ Und: "Die Ergebnisse der Rechenmodelle haben wir mündlich in mehreren Konferenzen an das Lehman-Team übergeben. Das Lehman-Team hat diese Ergebnisse in die von ihm ausgearbeitete Strategie miteinbezogen. Mit dem Zuschlag der Republik Österreich an Lehman Brothers war die Tätigkeit von Volaris im Wesentlichen beendet.“

Die Verhandlungsteilnehmer haben richtig gehört: Lehman verzichtete auf Papier. Dass Lehman von Volaris keine schriftliche Dokumentation gefordert hat, ist schwer vorstellbar. Auch der Richter kann das nicht fassen und fragt nach. Muhr laut Protokoll: "Volaris hat diese Rechenmodelle nicht Lehman Brothers übergeben, wir haben das nur mündlich mit Vertretern von Lehman besprochen.“

Die brisante Muhr-Aussage nährt den Verdacht der Buwog-Ermittler, dass die 433.820 Euro nicht für Beratung gezahlt wurden, sondern als versteckte Erfolgsprovision, die für die Vermittlung des Buwog-Mandats an Lehman geflossen ist.“

Ihre Vorgängerin beantwortete die darauf Bezug nehmende parlamentarische Anfrage 15569/J damit, dass „nach dem mir vorliegenden Bericht der WKStA in diesem Ermittlungsverfahren sämtliche Aspekte der Preisbewertung im Zusammenhang mit der Vergabe des Beratungsauftrages an die Lehman Brothers Bankhaus AG umfassend geprüft werden“ (15240/AB).

Im Sinne einer transparenten Justizpolitik und eines glaubwürdigen Vorgehens bei Korruptionsverdacht stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgende

ANFRAGE

1.         Wie ist der Stand der Verfahren über die Immobilienverkäufe BUWOG, Brehmstraße und Terminal Tower und wann ist mit einer Entscheidung über die Anklageerhebung zu rechnen?

2.         Welche Umstände führten außer den genannten zu einer Hinauszögerung der Entscheidung?

3.         Gegen wie viele Beschuldigte richten sich diese Verfahren?

4.         Wer sind die Beschuldigten?

5.         Wegen welcher Straftatbestände werden Ermittlungen geführt?

6.         Warum wird Karl Heinz Muhr nicht als Beschuldigter geführt, wenn z.B. in der Causa Terminal Tower Mitarbeiter der zweiten oder dritten Firmen-Ebene den Beschuldigtenstatus haben?