3569/J XXV. GP

Eingelangt am 26.01.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Dr. Wolfgang Zinggl, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Bildung und Frauen

betreffend drastische Verschlechterungen der kulturellen Bildung im gesamten österreichischen Bildungssystem

BEGRÜNDUNG

 

Das Österreichische Bildungssystem hat in den von PISA getesteten Bereichen Schwächen gezeigt. Es gibt aber einen Bereich, in dem das Land in internationalen Vergleichen – z.B. OECD-Studien[1] – immer überdurchschnittlich stark war: das ist der Bereich der künstlerischen und kulturellen Bildung. Das ist strategisch sinnvoll, da z.B. der für Österreich sehr wichtige Tourismus überwiegend kulturell induziert ist. Der Kulturtourismus in Österreich nimmt tendenziell ständig zu –  auch auf Kosten des Wintersport-Tourismus.

Dieses zukunftsträchtige Kapital wird momentan auf mehreren Ebenen gleichzeitig verschleudert und zerstört.

  1. In der so genannten PädagogInnenbildung NEU wird die kulturelle Bildung auf rund ein Drittel des bisherigen Umfangs reduziert, und zwar ausgerechnet im besonders sensiblen Bereich der VolksschullehrerInnen-Ausbildung (vgl. NEWS Nr. 43 – 23. Oktober 2014, S. 18-23, sowie Stellungnahmen diverser Fachverbände). Das wird zu einem Domino-Effekt führen, denn in der Folge wird der Unterricht auch in der Sekundarstufe auf einem wesentlich niedrigeren Niveau als bisher ansetzen müssen.
  2. Weiters wurden die Budgets für Qualitätsentwicklung und –sicherung im Bereich kulturelle Bildung nicht nur wie in anderen Bereichen gekürzt, sondern seit 2014 werden von der zuständigen Abteilung (I/10) auch noch Schulsportveranstaltungen (Bundesligaturniere) querfinanziert, bzw. Mitarbeiter für die Organisation von Schulsportveranstaltungen abgestellt, obwohl es dafür laut Geschäftseinteilung eine eigene Abteilung (II/8) gibt. Während bundesweite Qualitätsentwicklungs- und Koordinations-Tagungen für LehrerInnen der Pflichtfächer wie Musik oder Bildnerische Erziehung, die jeweils ein Mal pro Jahr stattfinden, im Jahr 2014 auf ein Minimum reduziert wurden und 2015 weiter reduziert werden, bot das BMBF für die unverbindliche Übung „Schulschach“ insgesamt sechs Veranstaltungen an[2], die nicht von der Abteilung II/8 (Schulsport), sondern von der Abteilung I/10 (Kunst- und Kulturvermittlung) organisiert und in vollem Umfang finanziert wurden[3].
  3. Weiters fand ein Kahlschlag bei Wettbewerben im Bereich der musikalischen Nachwuchsförderung statt („Prima la musica“, „Gradus ad parnassum“, Bundesjugendsingen).
  4. Für die umfassende Initiative „Kulturvermittlung mit Schulen in Bundesmuseen“, die 2013 ausgelaufen ist, wurden keine Nachfolgeprojekte vorgestellt.
  5. Im Anschluss an die parlamentarische Enquete "ZukunftsMusik. Aktuelle Herausforderungen und musikalische Entwicklungsperspektiven in Österreich" am 3. Juni 2008 wurde eine Steuergruppe „Musik und Bildung“ bestehend aus FachexpertInnen (Österreichischer Musikrat, FachinspektorInnen für Musik, Vertreter der Musikschulen) und VertreterInnen des BMUKK eingerichtet.  Die kontinuierliche Arbeit dieser wichtigen Gruppe, die unter anderem ein international beachtetes Konzept für die Kooperation von Schulen und Musikschulen vorgelegt hat, wurde 2014 seitens des BMBF praktisch beendet.

6.    Nicht zuletzt wird diese Politik auch Auswirkungen auf ein weiteres Problemfeld haben: Bereits jetzt haben wir einen hohen Prozentsatz von Pflichtschulabgängern, die nicht sinnerfassend lesen können. Dieses Problem wird sich durch die radikale Ausdünnung von Kunst- und Kulturvermittlung in Schulen weiter verschärfen, denn das Erkennen und Gestalten von grafischen Zeichen – also „Bildnerische Erziehung“ – ist die Grundlage für Lesen und Schreiben. Das Erkennen und Produzieren von Melodien und Rhythmen – also Musik – ist die Grundlage für das Erlernen von Sprachen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

 

1)    Ist die Reduktion der Kunst- und Kulturvermittlung in der Ausbildung der Volksschullehrkräfte auf ein Drittel des bisherigen Stundenausmaßes und die weitgehende Streichung aller praktischen Anteile im Sinn der Bundesministerin?

a.     Wenn ja, was sind die Vorteile dieser radikalen Veränderung? Welche Ziele werden damit verfolgt?

b.     Wenn nein, welche Maßnahmen werden seitens des Ministeriums zur Korrektur dieser Fehlentwicklung gesetzt?

 

2)    Welche Höhe hatten die Finanzierungen des Bundesministerium für Bildung und Frauen für bundesweite Qualitätsentwicklungs- und Koordinations-Tagungen im Jahr 2013 für die Bereiche (aufgeschlüsselt):

 

a.    Musikerziehung

b.    Bildnerische Erziehung

c.    Theater in der Schule

 

3)    Wie sieht im Vergleich dazu die Finanzierung dieser drei Bereiche im Jahr 2014 aus, und welche Beträge sind für 2015 budgetiert?

 

4)    Welche Beträge aus dem Budget der Abteilung für Kunst- und Kulturvermittlung wurden 2014 für Sportveranstaltungen wie Schach-Bundesligaturniere und diesbezügliche LehrerInnenfortbildung gewidmet?

 

5)    Welche Beträge aus dem Budget für Kunst- und Kulturvermittlung werden 2015 für Sportveranstaltungen (Schulschach) gewidmet?

 

6)    Aus welchen inhaltlichen oder strategischen Gründen werden von der Abteilung für Kunst- und Kulturvermittlung sportliche Wettkämpfe organisiert und finanziert? Warum werden diese Wettkämpfe nicht durch die Abteilung für Schulsport organisiert und aus deren Budget finanziert?

 

7)    Mit welcher Begründung wurde die Steuergruppe „Musik und Bildung“ im BMBF eingestellt?

 

8)    Von welcher Stelle im BMBF, mit welcher mittelfristigen Strategie und mit welchen Maßnahmen wird die Zusammenarbeit von Schulen und Kultureinrichtungen koordiniert? Wie sieht das speziell in der Kontinuität der Initiative „Kulturvermittlung mit Schulen in Bundesmuseen“ aus?

 

9)    Wodurch – durch welche Personen, Maßnahmen und Budgets – ist die Anbindung an sowie auch die Einbindung in EU-weite und internationale Entwicklungen im Bereich kultureller Bildung gewährleistet?



[1] OECD-Studie „Art for Art’s Sake? The Impact of Arts Education“ 2013

[2] Im Schuljahr 2013/2014 finden bundesweit diese Veranstaltungen statt:  
1.6. - 4.6. 2014 in Imst (T) Schülerliga Schach – Bundesfinale Volksschulen
10.6. - 14.6. 2014 in Tschagguns (V) Schülerliga Schach - Bundesfinale Ober- und Unterstufen  
15.6. - 18.6.2014 in Perg (OÖ) Schülerliga Schach - Bundesfinale Mädchen  
14.10. - 16.10. 2014 in Velden/Cap Wörth 27. Internationale Alpen-Adria-Jugendschachgala
13.11. - 15.11. 2014 in Wien (Messe) Interpädagogica - „Zug um Zug –Schach in der Schule“
23.11. - 26.11. 2014 in Katsdorf bei Linz Fortbildungsveranstaltung für SchulschachlehrerInnen
(Website des BMBF, 4.6.2014)
für 2015 sind ebensoviele Veranstaltungen vorgesehen.

[3] Aus dem entsprechenden Erlass der Abt.I/10: „Seitens des Bundesministeriums für Bildung und Frauen werden die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie die Fahrtkosten 2. Klasse für die TeilnehmerInnen und je 1 Begleitperson/Aufsichtsperson pro Mannschaft übernommen.“