3685/J XXV. GP

Eingelangt am 16.02.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend Verfahren gegen ehemalige und aktive PolitikerInnen, insbesondere Verfahrensstand zum Untersuchungsthema Telekom 1c (Zahlungen ohne nachvollziehbare Gegenleistungen)

BEGRÜNDUNG

 

Wie bereits in diversen parlamentarischen mündlichen/schriftlichen und Dringlichen Anfragen angesprochen, laufen Ermittlungen gegen PolitikerInnen und parteinahe Personen auf Grund des Verdachts, Zahlungen der Telekom u.a. ohne nachvollziehbare Gegenleistung erhalten zu haben. In der 2117/AB verwiesen Sie bzw. Ihr Ressort auf noch anhängige Verfahren. Inzwischen wurde öffentlich, dass das Ermittlungsverfahren gegen Wilhelm Molterer und Reinhold Lopatka im Dezember 2014 ohne Weisung und somit ohne Beiziehung des Weisenrats eingestellt wurde. Eine Veröffentlichung der Begründung soll erfolgen. Dafür traten Sie auch im Parlament am 5. November 2014 ein.

Nun laufen noch weitere Ermittlungsverfahren, deren Finalisierung vor 8 Monaten laut Ihrer Auskunft noch nicht absehbar war. Um einen Überblick über eventuelle involvierte aktive oder ehemalige PolitikerInnen – unabhängig von Telekomzahlungen - zu erhalten, erscheint eine generelle Aufstellung der Causen und Betroffenen sinnvoll.

Um im Bereich der Ermittlungsverfahren zu Telekomzahlungen ohne ersichtliche Gegenleistung den aktuellen Stand darzustellen (Komplex 1c des Untersuchungsausschusses), erheben sich weitere Fragestellungen, nachdem die Ermittlungsverfahren gegen W. Molterer und R. Lopatka eingestellt wurden.

Der Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen hatte diesen Themenkomplex aufgedeckt. Die Werbeagentur „White House“ hatte im Auftrag der ÖVP einen „Jugendwahlkampf“ für die Nationalratswahl 2006 entwickelt. Dafür entstanden Kosten von rund 94.000 Euro. Dazu sagte die damalige Geschäftsführerin der Agentur vor dem Untersuchungsausschuss aus:

Abgeordneter  Stefan  Petzner  (BZÖ):  Von  wem  ist  dieser  Vertrag,  den  Sie  hier angesprochen  haben,  seitens  der  ÖVP-Bundespartei  unterfertigt  worden? (Mag. Stimpfl-Abele:  Von  der  Organisationsreferentin!) –  Können  Sie  den  Namen nennen?  (Mag. Stimpfl-Abele:  Das  war  die  Frau  Mag. Chladek!) –  Generalsekretär war damals wer? (Mag. Stimpfl-Abele: Michaela Mojzis!) – Sie haben mit Frau Mojzis gesprochen, aber ich glaube, da gab es auch den Hannes Missethon. Kommt der auch vor? (Mag. Stimpfl-Abele: Mit dem hatte ich nichts zu tun!) – Das ist über Frau Mojzis gelaufen, die seinerzeit, glaube ich, ÖVP-Bundesgeschäftsführerin war. 

Jetzt frage ich Sie: Wenn Sie Leistungen erbringen für die ÖVP, wenn Sie eingeladen werden von der ÖVP-Bundesgeschäftsführerin Mojzis zu einer Präsentation für einen ÖVP-Jugendwahlkampf,  warum  stellen  Sie  dann  die  Rechnung  nicht  an  die  ÖVP, sondern an die Valora?`

Mag. Gabriela Stimpfl-Abele: Da müssen Sie  die Vorgeschichte noch erörtern, weil die Rechnungen sind ja alle an die ÖVP gelegt worden, zu Beginn. Und dann sind wir ersucht worden, diese Rechnungen beziehungsweise diese Leistungen, dass sie von der Valora übernommen werden, auf Grund dieses Umstandes, diese Rechnung, eine Gesamtrechnung an die Valora zu legen.

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): […] Ich frage Sie konkret: Wer innerhalb der ÖVP hat Ihnen den Auftrag erteilt, Ihre alte Rechnung  an  die  ÖVP  zu  stornieren  und  eine  neue  Rechnung  mit  der  Summe  von 96 000 € an die Valora auszustellen? Wer konkret hat Ihnen diesen Auftrag erteilt und Ihnen  mitgeteilt:  Rechnung  stornieren,  neue  Rechnung  ausstellen,  nämlich  diese  an die Valora? […]

Mag. Gabriela Stimpfl-Abele: Dieser Auftrag kam zu Ende, als die Wahl geschlagen war,  und  es  war  eine  Zeit,  wo  sich  die  Ansprechpersonen  auch  innerhalb  der  ÖVP ganz  kurzfristig  geändert  haben.  Das  Wahlkampf-Team  hat  sich  innerhalb  kürzester Zeit  aufgelöst,  und  ich  kann  Ihnen  heute  mit  Sicherheit  nicht  mehr  sagen,  wer  den Auftrag  gegeben  hat,  dass  diese  Rechnung  an  die  Valora  zu  legen  ist.  Man  hat  im Wahlkampf  mit  verschiedensten  Leuten  zu  tun,  gerade  in  der  heißen  Phase  und gerade,  wenn  das  Team  nach  dem  Wahlkampf  praktisch  neu  aufgestellt  wird  oder praktisch zerfällt.

Und weiter auf S. 129 des Protokolls:

Mag.  Gabriela  Stimpfl-Abele:  Also  wir  haben  Rechnungen  in  der  Höhe  von  etwa – das  können  Sie  ja  der  Zusammenfassung  entnehmen –  94 000 €  an  die  ÖVP abgerechnet.

Abgeordneter  Dr.  Peter  Pilz  (Grüne):  Sie  haben  Rechnungen  in  der  Höhe  von 93 889,08 € abgerechnet. Warum haben Sie dann eine Rechnung über 96 000 € gestellt?

Mag.  Gabriela  Stimpfl-Abele:  Weil  ich  darum  gebeten  wurde.  (Abg.  Dr. Pilz:  Von wem?) –  Noch  einmal:  Wenn  ich  diesen  Namen  heute  noch  wüsste,  könnte  ich  ihn Ihnen nennen.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Es reicht jetzt wieder, dass Sie Bezug nehmen

und sagen, das war die von Ihnen bezeichnete Person in der Bundes-ÖVP.

Mag. Gabriela Stimpfl-Abele: Ganz korrekt. Das war jemand aus der Bundes-ÖVP.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): […] Was ist mit der Differenz passiert? Da ist Geld übrig geblieben.

Mag.  Gabriela  Stimpfl-Abele:  Ja. Wenn  ich  da  unkorrekt  wäre  und  nicht  aufrichtig, hätte  ich  die  2 000 €  genommen  und  sie  bei  mir  belassen.  Das  habe  ich  aber  nicht gemacht, sondern diese etwas mehr als 2 000 € sind stehen geblieben und wurden bei einer späteren Leistung, die für die Junge ÖVP erbracht worden ist, in Abzug gebracht.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Das heißt, da ist dann praktisch eine Gutschrift für  die  Junge  ÖVP  übrig  geblieben  und  das  ist  dann  für  eine  spätere  JVP-Leistung verwendet worden. (Mag. Stimpfl-Abele: Ganz korrekt!)

 

Die Bezahlung der angefallenen Kosten für den ÖVP Jugendwahlkampf (sowie tatsächlich noch von weiteren rund 2.000 Euro – siehe Protokoll) erfolgte somit über die Firma Valora AG von Peter Hochegger und wurde wirtschaftlich letztlich von der Telekom Austria AG rechtsgrundlos getragen. Auf dieser Schädigung der Telekom beruhten offensichtlich die im Medienbericht der „Presse“ vom 11.2.2015 erwähnten und mit OTS des Justizministeriums bestätigten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen Untreue.

Wenn auch denkbar sein mag, – die konkrete Einstellungsbegründung steht ja noch aus – dass konkret gegen die Beschuldigten Molterer und Lopatka sich der Verdacht einer Beteiligung an dieser Straftat nicht erhärtet hat, dann ist schon weit weniger nachvollziehbar, weshalb auch gegen die ÖVP insgesamt, welche als Organisation zweifellos von der Tat profitierte, die Ermittlungen nach dem VerbandsverantwortlichkeitsG eingestellt wurden. Auch wenn die Auskunftsperson sich vor dem Untersuchungsausschuss nicht mehr erinnern konnte, wer aus der ÖVP ihr konkret den Auftrag zur Verrechnung an die VALORA AG erteilt hatte, so scheint doch außer Zweifel zu stehen, DASS es eine entscheidungsbefugte Person innerhalb der ÖVP gewesen sein muss, da ansonsten der vom Untersuchungsausschuss aufgedeckte, und etwa im Grünen Bericht auf S. 45f beschriebene Ablauf der geänderten Rechnungslegung nicht erfolgt wäre. Immerhin hat die Auskunftsperson namentlich zwei Personen in der ÖVP genannt, welche ihr den ursprünglichen Auftrag erteilt hatten, und darauf hingewiesen, dass auch die Rechnungen zunächst an die ÖVP gelegt wurden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass in einer staatstragenden Organisation wie der ÖVP, dass plötzliche „Verschwinden“ von Rechnungen und Zahlungspflichten in Höhe von fast 100.000 Euro unbemerkt bleibt und keinen buchhalterischen oder sonstigen Niederschlag findet.

Es ist daher davon auszugehen, dass die Entscheidungsträger in den Ermittlungen ausgeforscht werden hätten können, und es ist daher zu hinterfragen ob dies erfolgt ist, gegebenenfalls weshalb nicht und wieso es dennoch zu einer Einstellung dieses Strafverfahrens kommen konnte.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Gegen welche aktiven und ehemaligen PolitikerInnen laufen derzeit Strafverfahren, in denen sie als Beschuldigte/Angeklagte geführt werden (Aufzählung der Causen und vermuteten/angeklagten Delikte)?

2.    In welchem Stadium (Ermittlungsverfahren, Anklage, Hauptverhandlung, Rechtsmittelverfahren) befinden sich diese Verfahren jeweils?

3.    Wird in der Causa Telekom 1c des Untersuchungsausschusses zur Klärung von Korruptionsvorwürfen weiterhin gegen Peter Hochegger ermittelt?

4.    Aus welchen Gründen und auf welcher Rechtsgrundlage wurde das Ermittlungsverfahren gegen Wilhelm Molterer und Reinhold Lopatka abgebrochen oder eingestellt?

5.    Betraf diese Einstellung ausschließlich die Angelegenheit White House oder auch andere Themenkomplexe im Bereich des Telekom-Strafverfahrens?

6.    Wird gegen Wilhelm Molterer und Reinhold Lopatka noch in Bezug auf andere Themenkomplexe des Telekom-Strafverfahrens ermittelt?

7.    Nachdem lt. Aussendung des BMJ vom 11.2.2015 in diesem Fall keine Weisung erteilt wurde, stellt sich die Frage nach der Entscheidungsgrundlage und dem Entscheidungskontext der Staatsanwaltschaft. Gab es in den betreffenden Verfahren mündliche Erörterungen der Sachbehandlung mit dem Bundesministerium für Justiz gemäß § 29a Abs 2 StAG?

8.    Falls ja, wurden in diesen unterschiedliche Meinungen vertreten, schlussendlich aber eine übereinstimmende Rechtsauffassung erzielt?

9.    Konnte im Ermittlungsverfahren insbesondere geklärt werden, wer in der ÖVP den Auftrag an die White House zur Erstellung einer Scheinrechnung über 96.000 Euro an die VALORA AG gab?

10. Wenn nein, ist dies weiterhin Gegenstand von Ermittlungen?

11. Wenn nein, warum nicht?

12. Bevor die ÖVP diese Summe rückerstattete, was einem Schuldeingeständnis ähnelt, wurde gegen sie nach dem Verbandsklagegesetz ermittelt. Laufen diese Ermittlungen weiter oder wurden sie eingestellt?

13. Falls die Ermittlungen ebenfalls eingestellt wurden, aus welchem Grund und auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Einstellung?

14. Gegen welche Personen und Verbände werden im Zusammenhang mit der Verrechnung von 96.000 Euro von der Agentur White House an die VALORA AG noch Strafermittlungen geführt, oder sind die Ermittlungen zu diesem Faktum aus Sicht der Staatsanwaltschaft endgültig abgeschlossen?