3737/J XXV. GP

Eingelangt am 19.02.2015
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Anfrage

 

des Abgeordneten Werner Neubauer

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres

betreffend völkerrechtliche Verbindlichkeit des Finanzabkommens zwischen Italien und Südtirol

In der Anfragebeantwortung 2979/AB vom 20. Jänner 2015 zu meiner Anfrage 3140/J  vom 20. November 2014 teilen Sie bezüglich des Inhalts der Verbalnote vom 23. Februar 2010 Folgendes mit:

 

 „In dieser Verbalnote teilt Österreich der italienischen Regierung mit, dass Österreich über die geplante neue Finanzordnung der Region Trentino-Südtirol und der autonomen Provinzen Trient und Bozen und der damit verbundenen Modifikation des Autonomiestatuts informiert wurde und diese in Hinblick auf die einvernehmliche Vorgangsweise zwischen den zuständigen Organen der Republik Italien und der autonomen Provinzen Trient und Bozens und der Region Trentino Südtirol zustimmend zur Kenntnis nimmt.“

 

In Bezug auf die behauptete Rechtssicherheit, schreiben Sie, dass dafür sowohl der Noten- bzw. Briefwechsel, als auch die Verbalnote vom 23. Februar 2010 geeignet sei.

 

Diese Aussagen widersprechen einander insofern, als die bloße Kenntnisnahme keine vertraglich begründete Rechtssicherheit schaffen kann. Des Weiteren wurde wiederum die Angabe des Inhalts der Verbalnote im Wortlaut verweigert.

 

Des Weiteren konnte man den Medien seit Dezember des Vorjahres folgende Informationen entnehmen:

 

Im Dezember des Vorjahres informierte Ministerpräsident Renzi Bundeskanzler Faymann in einem Brief über das vereinbarte Finanzabkommen. Die Südtiroler Tageszeitung druckte den Inhalt des Briefes im Wortlaut:


 „Lieber Werner,

ich informiere dich, dass die italienische Regierung mit den beiden Landeshauptleuten Arno Kompatscher und Ugo Rossi eine neue Form der gegenseitigen Finanzbeziehungen vereinbart hat. Das Abkommen, das ich in Kopie beilege, wird mit spezifischen Gesetzesbestimmungen umgesetzt werden. Diese Initiative beruht auf der Verbalnote vom 25. April 1992, mit dem eine Liste von Maßnahmen zur Durchführung des Pakets mitgeteilt wurde, darunter auch die Finanzregelung.

Im Geiste, von dem die italienisch-österreichischen Beziehungen immer geprägt waren, wird die italienische Regierung auch weiterhin das Einvernehmen garantieren, um auch in Zukunft den Schutz der ethnischen Minderheiten und die Ausübung der autonomen Gesetzgebungs- und Vollzugsgewalt für die betreffenden Gebiete zu gewährleisten.“ 

SVP-Obmann Achammer erklärt dazu gegenüber Medien, dass Ministerpräsident Renzi mit der Unterzeichnung dieser schriftlichen „Note“ an den österreichischen Bundeskanzler den Weg für eine erstmalige internationale Absicherung eines Finanzabkommens Südtirols mit dem italienischen Staat geebnet hätte. Der Notenwechsel mit Österreich komme einer Meisterleistung gleich und gewähre zusätzliche Sicherheit. Weiter bezeichnet er das Finanzabkommen als einen bedeutenden autonomiepolitischen Fortschritt.

 

In Ihrer Anfragebeantwortung halten Sie fest, dass es sich beim Finanzabkommen weder um ein bilaterales Abkommen, noch um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt. Es sei dazu nur begleitend ein Briefwechsel zwischen Italien und Österreich in Aussicht genommen – keine Rede von rechtlicher Absicherung in irgendeiner Form.

 

Der Südtiroler Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher meint dazu in einem Interview mit der „Südtiroler Tageszeitung“, dass sich die Beantwortung auf das Mailänder Abkommen beziehe, was schlicht falsch ist, da ausdrücklich nach der völkerrechtlichen Relevanz des aktuell geschlossenen Finanzabkommens, des sogenannten „Sicherungspakts“ gefragt wurde. Er betont, dass dieser Notenwechsel zum Sicherungspakt nun absolut völkerrechtliche Relevanz habe. Von Seiten der SVP wird generell bestätigt, dass es sich zwar nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt, dieser sei aber aufgrund des geschlossenen Pariser Vertrages gar nicht notwendig (Südtiroler Tageszeitung vom 26. Dezember 2014).

 

 

Kürzlich war Medienberichten zu entnehmen, dass Bundeskanzler Faymann am 22. Jänner 2015 einen Brief an Italiens Premier Matteo Renzi unterschrieben hätte, mit dem der letzte Akt erfolgt sein soll, der den Briefwechsel zu einem Notenwechsel macht und damit das Finanzabkommen zwischen Südtirol und Rom „auf eine völkerrechtliche Ebene“ hieven soll.

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres folgende


Anfrage

 

1.    Besteht bzw. bestand jemals irgendeine Rechtssicherheit in Bezug auf die Einhaltung des

a.    Mailänder Abkommens,

b.    Sicherungspakts

c.    Wenn ja, wodurch ist eine solche gewährleistet?

 

2.    Vor welcher internationalen rechtlichen Instanz kann Österreich aufgrund des diesbezüglichen Schriftwechsels zwischen Premier Renzi und Bundeskanzler Faymann bei Verletzung des derzeitigen Sicherungspakts in Bezug auf die Finanzregelung zwischen Rom und Bozen Klage auf Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen erheben?

 

3.    Warum war es Ihnen nicht möglich, eine Abschrift der Verbalnote vom 23. Februar 2010 zu veröffentlichen, oder sie zumindest den Mitgliedern des außenpolitischen Ausschusses vorzulegen?

 

4.    Ist es Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt möglich, den genauen Inhalt der Verbalnote vom 23. Februar 2010 im Wortlaut wiederzugeben, bzw. zumindest den Mitgliedern des außenpolitischen Ausschusses vorzulegen?

 

5.    Entspricht es der Tatsache, dass Bundeskanzler Faymann einen Brief, wie oben erwähnt, am 22. Jänner 2015 unterzeichnet hat?

 

6.    Wenn ja, wie lautet der exakte Inhalt im Wortlaut?

 

7.    Woraus ergibt sich die völkerrechtliche Relevanz des Briefwechsels zwischen Premier Renzi und Bundeskanzler Faymann und wie wird diese definiert?

 

8.    Durch welche Textpassage(n) in diesem Briefwechsel ist diese völkerrechtliche Relevanz begründet und wie wird diese definiert?

 

9.    Wie kommt die völkerrechtliche Relevanz durch welche österreichischen Schritte im Falle einer Verletzung des Finanzabkommens durch Rom zum Tragen?

 

  1. Was bedeutet es in rechtlicher und völkerrechtlicher Hinsicht, dass das Finanzabkommen nun „auf eine völkerrechtliche Ebene gehievt“ wurde und welche völkerrechtliche Bindewirkung ergibt sich daraus für Italien?
  2. Welche Vor- und/oder Nachteile ergeben sich daraus für
    1. Südtirol?
    2. Italien?
    3. Österreich?

  1. Was unterscheidet diese „völkerrechtliche Ebene“ von einem „völkerrechtlichen Vertrag“ in Bezug auf das vorliegende Finanzabkommen?
  2. Worin besteht rechtlich und inhaltlich der Unterschied zwischen dem Notenwechsel bezüglich des aktuellen Finanzabkommens und der Verbalnote vom 23. Februar 2010 bezüglich des Mailänder Abkommens?
  3. Inwiefern bietet der aktuelle Notenwechsel nun mehr Rechtssicherheit als die Verbalnote vom 23. Februar 2010?
  4. Genügt tatsächlich ein Briefwechsel zwischen Premier Renzi und Bundeskanzler Faymann, um daraus eine völkerrechtlich wirksame Garantie abzuleiten?
  5. Hat auch ein Briefverkehr zwischen Ihnen und Premier Renzi stattgefunden?
  6. Wenn ja, welchen Inhalt hatte(n) der(die) Brief(e) im Wortlaut?
  7. Müsste nicht die italienische Regierung eine gegenüber Österreich schriftliche bindende und durch Beschluss des italienischen Parlaments ratifizierte Zusage auf Einhaltung der mit Südtirol getroffenen Vereinbarung abgeben, damit sich daraus eine völkerrechtliche und durch Österreich einklagbare Verbindlichkeit begründen kann?
  8. Müsste nicht das österreichische Parlament ebenso einen Ratifizierungs-Beschluss fassen, um die völkerrechtliche Verbindlichkeit einer derartigen zwischenstaatlichen Vereinbarung zu gewährleisten?
  9. Können Sie die Behauptung seitens der SVP bestätigen, dass man keinen zusätzlichen völkerrechtlich relevanten Vertrag brauche, um das zur Debatte stehende Finanzabkommen rechtlich abzusichern, weil man dafür ja ohnedies bereits den Pariser Vertrag von 1946 habe (Südtiroler Tageszeitung vom 26. Dezember 2014)?
    1. Wenn ja, warum stellt man dann diese Bemühungen um den „Notenwechsel“ an, die das Abkommen auf eine völkerrechtliche Ebene hieven sollen?
    2. Wenn ja, auf welche Bestimmung des Pariser Vertrages begründet sich dies?
  10. Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert die Verpflichtung zur Einhaltung des Pariser Vertrages?
  11. Wann wurde der Pariser Vertrag im österreichischen Parlament ratifiziert?
  12. Wie ist der Widerspruch zu erklären, dass SVP-Obmann Achammer und Landeshauptmann Kompatscher von Beginn an die völkerrechtliche Absicherung des Finanzabkommens hervorgehoben haben, Sie in der Anfragebeantwortung aber nur von einem „begleitenden Briefwechsel“ sprechen?