3898/J XXV. GP

Eingelangt am 26.02.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Bildung und Frauen

betreffend Missstände im Bereich des Landesschulrats für Niederösterreich

BEGRÜNDUNG

 

Wir beziehen uns auf Ihre Anfragebeantwortung 2754/AB vom 23.12.2014 (25. GP) sowie auf Informationen, die uns von verlässlicher Seite im Gefolge Ihrer Antwort übermittelt wurden. Diese betreffen den Verdacht des Missbrauchs öffentlicher Mittel im Schuldienst des Bundes für Freunde und Günstlinge der niederösterreichischen ÖVP. Wir haben in unserer letzten Anfrage vom 27.10.2014 (2934/J; 25. GP) dargelegt, dass es schwere Vorwürfe gegen Herrn Mag. Wolfgang Derler gibt, der in den Jahren 2008 bis 2013 Zulagen bezogen haben soll, ohne dafür entsprechende Leistungen zu erbringen.  Die politische Brisanz ergibt sich aus dem Umstand, dass Mag. Derler neben seiner Tätigkeit im Schuldienst auch als ÖVP-Vizebürgermeister in Krems fungiert.

Wie auch Ihre Vorgängerin, beziehen Sie sich in Ihrer Anfragebeantwortung mehrfach auf Erhebungen und Prüfungen durch den LSR für NÖ. Solche Prüfungen durch die örtliche Behörde sind in diesem Zusammenhang jedoch nicht ausreichend, weil es nunmehr erhebliche Verdachtsmomente gibt, dass Beamte des LSR für NÖ selbst den problematischen Bezug von Zulagen in diesem Fall,  und auch schon in fernerer Vergangenheit, nicht nur gedeckt, sondern erst ermöglicht haben.

Uns liegt das Erkenntnis des VwGH vom 19.12.2012 (2012/12/0058) vor. Aus der Begründung dieses Erkenntnisses ergibt sich, dass die Gewährung von Geldleistungen an die jeweiligen Leiter der Höheren Lehranstalt für Tourismus in Krems eine lange Tradition hat. Nach uns mittlerweile zugegangenen Informationen soll sich diese Praxis bis etwa 1982 zurückverfolgen lassen.


 

Aus der Begründung des zitierten Erkenntnis des VwGH folgt, dass ein früherer Schulleiter in der Zeit zwischen August 2004 und Mai 2008 für die Leitung des Lehrhotels eine Vergütung für Mehrdienstleistungen gem § 61 GehG bezog. Diese wurden mit Juni 2008 eingestellt; der Grund dafür war offenbar ausschließlich, dass der damalige Schulleiter – obwohl ÖVP-Mitglied - in Ungnade gefallen ist. In einem Bescheid des LSR für NÖ wird ausgeführt, dass eine Vergütung für Mehrdienstleistungen gem § 61 GehG nur dann gebührt, wenn die Lehrverpflichtung durch „tatsächliche dauernde Unterrichtserteilung erfolge“. Mit dieser Entscheidung konnte sich der LSR für NÖ auf einen klaren Gesetzeswortlaut berufen. Da der Beschwerdeführer keinen Unterricht erteilt hat, gebührte ihm auch keine Vergütung. Ihr Ministerium bestätigte diesen Bescheid mit einer inhaltlich gleichen Begründung, der VwGH folgte dieser Rechtsauffassung und wies die Beschwerde als unbegründet ab. Eine genauere Recherche zeigt, dass sich der VwGH im zitierten Erkenntnis auf eine Jahrzehnte alte Rechtsprechung berufen konnte. Dies sowohl auf eine solche des VfGH (VfSlg 8976/1980) wie auch auf eine langjährige Judikatur des VwGH. Dieser hatte bereits im Jahr 1985 festgehalten, dass die maßgebliche Bestimmung des § 61 GehG insoweit klar sei und einer Auslegung nicht bedürfe (VwGH 3.6.1985; 84/12/0118). Zahlreiche weitere Erkenntnisse des VwGH sind in der Folge ergangen; stets wird an der erwähnten Auffassung ohne Einschränkungen festgehalten.

Dies hinderte freilich Beamte des LSR für NÖ nicht daran, Herrn Mag. Derler in der Folge neuerlich solche Vergütungen zuzuerkennen, obwohl der Verdacht besteht, dass dafür vom Begünstigten keine Unterrichtsleistungen erbracht wurden..   Angeblich haben Beamte des LSR wiederholt gegen diese Praxis Bedenken geäußert; diese wurden offenbar ignoriert.

Dem Vernehmen nach hat Herr Mag. Derler für die Leitung des Lehrhotels nicht nur zirka 17 Werteinheiten, was fast einer vollen Lehrverpflichtung entspricht, erhalten, sondern weitere Werteinheiten als Erzieher, für ebenfalls nicht geleistete Nachtdienste und für administrative Tätigkeiten sowie möglicherweise auch Zulagen, die ihm nicht gebühren. Bedauerlicherweise bleiben Sie in Ihrer zitierten Anfragebeantwortung in diesem Zusammenhang ausweichend und unbestimmt und vermeiden genaue Auskünfte.

Aus der Sicht der unterzeichneten Abgeordneten liegt hier nicht bloß ein politischer Skandal im Nahbereich der niederösterreichischen ÖVP vor, sondern auch der Verdacht strafbarer Handlungen. In Ihrer zitierten Anfragebeantwortung schreiben Sie, dass in dieser Angelegenheit seitens des LSR für NÖ  eine Sachverhaltsdarstellung erstattet und ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde. Im Hinblick darauf haben Sie von einer weitergehenden Beantwortung Abstand genommen. Daraus war jedoch nicht erkennbar, ob diese Maßnahmen lediglich den genannten Mag. Derler, oder auch die für die ursprüngliche Gewährung der nicht zustehenden Zulagen verantwortlichen Personen umfassen.


 

Wenn bei klarem Gesetzeswortlaut und einer ebenso klaren Judikatur des VwGH wie auch des VfGH der LSR für NÖ wissen musste, dass die Zuerkennung von Mehrdienstleistungen in diesen Fällen rechtswidrig ist, dann steht auch insofern ein strafrechtlicher Verdacht im Raum.  Eine Vorgehensweise entgegen den Vorgaben einer einheitlichen Rechtsprechung der Höchstgerichte kann ein Hinweis auf eine willkürliche Vorgangsweise sein, mit der mutmaßlich bewusst zum Nachteil des Bundes Zuwendungen ohne entsprechende Gegenleistung gewährt wurden.. Dem Bund ist dadurch ein Schaden von jährlich mehr als € 50.000 entstanden.

Wir erlauben uns darauf hinzuweisen, dass Rückforderungsansprüche des Bundes gegen die betreffenden Beamten diesfalls nach dem OrganhaftpflichtG erst nach 10 Jahren verjähren. Es wäre daher unverzüglich die Finanzprokuratur einzuschalten, um weiteren Schaden vom Bund abzuwenden.

Als oberstes Organ der Bundesverwaltung untersteht Ihnen der LSR für NÖ und Sie sind für etwaige Verfehlungen letztverantwortlich. Wir erwarten daher eine Aufklärung durch eine übergeordnete Dienststelle außerhalb von Niederösterreich, da eine Prüfung  lediglich seitens des LSR Niederösterreich gegen die eigene Behörde nicht zweckdienlich sein kann. Vor dem Hintergrund der jüngsten Forderung des Generalsekretärs der ÖVP, Gernot Blümel, in Ihrem Haus für Ordnung sorgen, läge eine Untersuchung sicherlich auch im Interesse Ihres Koalitionspartners, der Bundes-ÖVP. Demgemäß wäre der offenbar jahrzehntelange Missbrauch von Bundesmitteln durch den – von der niederösterreichischen ÖVP dominierten – LSR für NÖ abzustellen und aus den Vorfällen die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Seit wann besteht die Praxis an der HLT Krems, dass für die Leitung des Lehrhotels eine Mehrdienstleistungsvergütung gem § 61 GehG gewährt wird, ohne dass dafür eine dauernde Unterrichtstätigkeit erbracht worden wäre?

2)    Wer ist im Bereich des LSR für NÖ für die Gewährung von Mehrdienstleistungsvergütungen verantwortlich?

3)    Wer war im Bereich des LSR für NÖ in den oben genannten Fällen für die Gewährung von Mehrdienstleistungsvergütungen verantwortlich?

4)    Wie wurde diese Verantwortung konkret im Fall Krems wahrgenommen?

5)    Welche Personen kamen in den Genuss solcher Zuwendungen?

6)    Welche weiteren Zuwendungen (Zulagen für Erzieherdienst etc.) wurden diesen Personen gewährt?

7)    Wodurch wurde die Beendigung dieser Praxis bewirkt? Haben rechtstreue Beamte/Beamtinnen des LSR für NÖ diese gesetzwidrige Praxis abgestellt?

8)    Hat Mag. Derler eine Erzieherzulage erhalten? Wenn ja, in welchem Zeitraum?

9)    Ist Ihnen bekannt, dass die Ehegattin von Mag. Derler in einem E-Mail an alle SchülerInnen der Schule bestätigte, dass dieser „keinen Erzieherdienst“ versah?

10) Ist der Bezug einer Erzieherzulage ohne die Leistung von Erzieherdienst zulässig?

11) In der Anfragebeantwortung 2754/AB schreiben Sie, dass „Maßnahmen für eine Rückverrechnung“ für den Übergenuss von Zulagen gesetzt worden seien: in welcher Höhe kam es mittlerweile zu Rückerstattungen bzw. Rückverrechnungen und welche Beträge sind noch ausständig?

12) In Ihrer Anfragebeantwortung vom 19.12.2014 führen Sie aus, dass gegen Herrn Mag. Derler Disziplinaranzeige erstattet und eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurde. Medienberichten zur Folge wurde das Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Sind Ihnen die Gründe bekannt? Wenn ja, welche waren das?

13) Wurde auch das Disziplinarverfahren eingestellt? Wenn ja: Wie wurde dies begründet?

 

14) Bekanntlich versucht die ÖVP NÖ Herrn Mag. Derler als Direktor der HLW Tulln zu installieren. Ist Herr Mag. Derler nach den bisherigen Vorfällen für diese Funktion geeignet?

15) Werden Sie die Bestrebungen der ÖVP NÖ unterstützen?

16) Betraf die eingebrachte Sachverhaltsdarstellung auch die Beamten des LSR für NÖ, welche die Gewährung der zu Unrecht bezogenen Zulagen bewilligt hatten?

17) Wurde eine disziplinarrechtliche Verfolgung auch gegen Beamte des LSR eingeleitet?

18) Welche Veranlassungen haben Sie auf Grund dieser und der Anfrage vom 27.10.2014 getroffen? Welche Ermittlungsergebnisse liegen vor?

19) Ist Ihnen bekannt, ob es auch im Bereich anderer Landesschulräte dazu kommt, dass Günstlinge der jeweiligen Regierungspartei des Landes rechtswidrig mit erheblichen Geldmitteln, denen keine Gegenleistung gegenüber steht, gefördert werden?