3937/J XXV. GP

Eingelangt am 27.02.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Sigrid Maurer, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend "Senior Public Expert" Dr. Josef Höchtl

BEGRÜNDUNG

 

In der Beantwortung meiner Anfrage Nr. 2372/J betreffend den Sonderbeauftragten für Internationale Angelegenheiten schreiben Sie, Dr. Josef Höchtl wäre als „Senior Public Expert“ für das Ministerium tätig. Diese Antwort vermittelte den Eindruck, er wäre im Rahmen der Initiative „Austrian Senior Public Experts“ des Bundeskanzleramtes beschäftigt worden. In der Anfragebeantwortung Nr. 3072/AB stellen Sie jedoch fest, dass seine Beschäftigung nicht im Rahmen dieser Initiative erfolgte.

In der Anfragebeantwortung zu meiner Anfrage Nr. 2372/J geben Sie an, dass Dr. Josef Höchtl über einen Vertrag verfügt, der für einen Zeitraum von 44 Monaten (1.12.2012 bis 31.7.2016) abgeschlossen wurde und dass es sich dabei um keinen Beratervertrag handle. Aus der Anfragebeantwortung Nr. 3072/AB lässt sich wiederum ableiten, dass es sich bei dem Vertrag mit Dr. Josef Höchtl um einen Werkvertrag handelt.

Die Wirtschaftskammer erklärt auf ihrer Seite deutlich, welche Kriterien für die Vergabe eines Werkvertrages erfüllt sein müssen:

Der Auftragnehmer schuldet ein im Werkvertrag konkret definiertes und auch "greifbares“ Arbeitsergebnis, das er selbständig und eigenverantwortlich produzieren muss. […] Der Auftragnehmer arbeitet in der Regel mit eigenen Betriebsmitteln und ist nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert.“[1].

Zudem handelt es sich bei Werkverträgen um ein „Zielschuldverhältnis“, der Vertrag wird mit der Erreichung des Zieles, dh mit der Produktion des Werks abgeschlossen – eine Vertragsabschluss auf eine bestimmte Zeit entspräche viel mehr einem freien Dienstvertrag (ebd).

Aus der Beantwortung einer Anfrage meiner Kollegin Gabriela Moser mit der Nr. 2264/J geht hervor, dass Dr. Josef Höchtl auch nachdem er in den Ruhestand getreten ist ein 19,5 Quadratmeter großes Büro im Ministerium zur Verfügung steht. Auch dieser Umstand entspricht nicht den Vorgaben eines Werkvertrages, demnach überwiegend mit eigenen Mitteln und ohne Eingliederung in das Ressort gearbeitet werden sollte. Dass Dr. Josef Höchtl wiederum nicht in die Struktur Ihres Ressorts eingegliedert sein soll, wie Sie in der Anfragebeantwortung Nr. 3072/AB behaupten, ist insofern unglaubwürdig als dass Dr. Josef Höchtl im Mitarbeiter_innenverzeichnis auf der Homepage des bmwfw als Mitarbeiter der Sektion IV ausgewiesen ist[2].

In der Beantwortung meiner Anfrage Nr. 2372/J führen Sie die Aufgaben an, die Dr. Josef Höchtl im Rahmen seiner vertraglichen Vereinbarung wahrnimmt. Unsere Recherche ergab dafür den folgenden Arbeitsaufwand:

-       Kurator in der Andrássy-Universität Budapest: drei bis vier Sitzungen pro Jahr

-       Universitätsrat in der Andrássy-Universität Budapest: zwei Sitzungen pro Jahr

-       Vizepräsident des Stiftungsrates des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW): zwei Sitzungen pro Jahr

-       Vertreter im Kuratorium des Europäischen Netzwerks „Erinnerung und Solidarität“: eine Sitzung pro Jahr

-       Vertretung im Präsidium der „Gesellschaft zur Förderung freundschaftlicher und kultureller Beziehungen zur Volksrepublik China“: eine Sitzung pro Jahr

-       Vertretung bei der „Central European Initiative“: offiziell ist Österreich dort durch das Außenministerium vertreten, Hinweise auf eine Tätigkeit Dr. Josef Höchtls konnten nicht gefunden werden

-       Obmann-Stellvertreter im Dr.-Karl-Kummer-Institut für Sozialreform, Sozial- und Wirtschaftspolitik: nicht eruierbar

-       Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Völkerverständigung: nicht eruierbar

-       Präsident der Österreichisch-Venezolanischen Gesellschaft: nicht eruierbar

-       Die Aktivitäten wie die Aufrechterhaltung des Kontakts mit ausländischen Botschaften und internationalen Organisationen lässt sich nicht überprüfen.

 

Während es sich bei den ersten beiden Organisationen – der Andrássy-Universität und dem DÖW tatsächlich um offizielle Nominierungen des Wissenschaftsministeriums handelt, trifft das auf alle weiteren genannten Institutionen nicht zu. In das Präsidium der China-Gesellschaft wurde Höchtl beispielsweise vor Jahrzehnten für die Junge ÖVP nominiert.

Das Dr.-Karl-Kummer-Institut für Sozialreform, Sozial- und Wirtschaftspolitik scheint nicht nur recht inaktiv zu sein (jeweils nur eine Veranstaltung im Jahr 2013 und 2014) sondern hat laut Vereinsregisterauszug seit Mitte 2014 keine organschaftlichen Vertreter mehr gemeldet. Das Institut wird von der Fraktion christlicher Gewerkschafter (FCG) gesponsert, die offizielle Adresse ist deckungsgleich mit jener des ÖAAB. Dieser ÖVP-Hintergrund wird auch im Vereinsregisterauszug deutlich – neben Dr. Josef Höchtl werden beispielsweise Norbert Schnedl, Waltraud Klasnic oder Ihr Kabinettschef Harald Kaszanits genannt.

Bei der Österreichischen Gesellschaft für Völkerverständigung handelt es sich um einen Verein, der 1990 gegründet wurde und dem Dr. Josef Höchtl seit Beginn an vorsteht. Sitz des Vereins ist Klosterneuburg, wobei in einer Presseaussendung zum 20-jährigen Bestehen des Vereins als Adresse sein Büro in den Räumlichkeiten des Ministeriums angegeben wurde[3]. Über die Aktivitäten des Vereins wird regelmäßig und ausschließlich in den Niederösterreichischen Nachrichten und im Bezirksblatt berichtet, einen Internetauftritt gibt es nicht. Anstelle von  „Völkerverständigung“ lässt sich jedoch nur von einer „Volksparteiverständigung“ sprechen: die Gesellschaft lädt regelmäßig zu Veranstaltungen mit hochrangigen ÖVP-Politiker_innen (ua auch Sie selbst, Minister Mitterlehner), Vertreter_innen anderer Parteien oder Veranstaltungen ohne direkten ÖVP-Bezug sucht man vergeblich.

Die Österreichisch-Venezolanische Gesellschaft hat weder einen Internet-Auftritt, noch finden sich irgendwelche Hinweise auf Aktivität. Im Vereinsregisterauszug sind Dr. Josef Höchtl als Präsident und Manfred Juraczka als Schriftführer angeführt, allerdings ist die letzte Funktionsperiode bereits 2013 ausgelaufen. Ob der Verein noch existiert, lässt sich nicht feststellen.

 

Insgesamt ergibt sich folgendes Bild: Das bmwfw stellt Dr. Josef Höchtl ein Büro, einen Vertrag und Spesen zur Verfügung, um eigentlich ehrenamtliche  Vertretung in Aufsichtsgremien zu leisten und die Aktivitäten seiner privaten ÖVP-Vereine zu organisieren. Dass das bmwfw fachliches Interesse an der Vertretung in unbedeutenden ÖVP-Vereinen haben sollte, ist äußerst unglaubwürdig und mit der gebotenen Unabhängigkeit keinesfalls vereinbar. Hinzu kommt, dass offensichtlich nicht einmal die formalen Kriterien für die Vergabe eines Werkvertrags erfüllt sind.


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Ist es korrekt, dass mit Dr. Josef Höchtl ein Werkvertrag abgeschlossen wurde?

a.    Wenn ja, welche „konkret definierten und "greifbaren“ Arbeitsergebnisse“ sind im Werkvertrag mit Dr. Josef Höchtl vereinbart?

b.    Wenn ja, mit welcher Höhe ist der Werkvertrag mit Dr. Josef Höchtl dotiert?

c.    Wenn nein, um welche konkrete Vertragsform handelt es sich dann?

2)    Dr. Josef Höchtl nimmt pro Jahr an zehn Sitzungen als Vertreter des Ministeriums teil. Aus welchem Grund ist für diese Tätigkeit die Unterhaltung eines Büros notwendig?

3)    Aus welchem Grund ist für an sich ehrenamtliche Vertretungsarbeit eine Bezahlung vorgesehen?

4)    Warum können die Vertretungsaufgaben des Dr. Josef Höchtl von keinen andern Beamt_innen im Ministerium übernommen werden?

5)    Gibt es weitere vom Ministerium nominierte Universitätsrät_innen, Vertreter_innen in Kuratorien oder sonstigen Aufsichtsgremien, die für diese Tätigkeit vom Ministerium bezahlt oder entschädigt werden?

a.    Wenn ja, um welche Personen und Institutionen handelt es sich?

b.    Wenn ja, inwiefern ist diese Bezahlung vereinbar mit der erforderlichen Unabhängigkeit der nominierten Personen?

6)    Erhält Dr. Josef Höchtl für die Vertretung in den von Ihnen genannten Gremien Sitzungsgelder oder ähnliche Entschädigungen? Wenn ja, für welche und in welcher Höhe?

7)    Welches konkrete Interesse verbindet das bmwfw mit der Vertretung in der ÖVP-nahen Österreichischen Gesellschaft für Völkerverständigung, der Dr. Josef Höchtl selbst vorsteht?

8)    Welches konkrete Interesse verbindet das bmwfw mit der Vertretung im ÖAAB-nahen Dr.-Karl-Kummer-Institut für Sozialreform, Sozial- und Wirtschaftspolitik?

9)    Welches konkrete Interesse verbindet das bmwfw mit der Vertretung in der Österreichisch-Venezolanischen Gesellschaft, sofern diese überhaupt noch existiert?

10) Inwiefern ist es vereinbar mit der für die öffentliche Verwaltung gebotenen Unabhängigkeit, Vereine Ihrer eigenen Partei, der ÖVP, zu unterstützen?

11) Welche konkreten internationalen Reisen hat Dr. Josef Höchtl in den Jahren 2013 und 2014 im Auftrag des Ministeriums absolviert und abgerechnet? Was waren jeweils die Ergebnisse dieser Reisen?

12) Verfügt Dr. Josef Höchtl über ein Spesenkonto zur Unterstützung seiner Tätigkeit für das Ministerium? Wenn ja, in welcher Höhe kann er Spesen abrechnen und wofür?

13) Ist dem Ministerium bekannt, dass Dr. Josef Höchtl die Infrastruktur des Ministeriums dazu nutzt, die Aktivitäten seiner eigenen Gesellschaft zu organisieren?

a.    Wenn ja, warum wird dies geduldet?

b.    Wenn nein, wie erklären Sie sich die Nennung der Ministeriumsadresse für die Koordination der Aktivitäten des Vereins?

14) Erhalten die Österreichische Gesellschaft für Völkerverständigung und/oder das Dr.-Karl-Kummer-Institut für Sozialreform, Sozial- und Wirtschaftspolitik finanzielle Unterstützung seitens des bmwfw?

a.    Wenn ja, warum?

b.    Wenn ja, in welcher Höhe und für welche Projekte?

15) Dr. Josef Höchtl wurde im Juli 2008 vom damaligen Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, Dr. Johannes Hahn, der Berufstitel „Professor“ verliehen. Voraussetzung für die Verleihung dieses Titels ist ein positives Fachgutachten einer inländischen Universität oder universitätsähnlichen Einrichtung. Von welcher Institution und welchen Personen wurde dieses Gutachten im Fall von Dr. Höchtl erbracht?

 



[1] https://www.wko.at/Content.Node/Service/Arbeitsrecht-und-Sozialrecht/Arbeitsrecht/Beschaeftigungsformen/Werkvertrag_%28arbeitsrechtlich%29.html

 

[2] http://www.bmwfw.gv.at/Ministerium/Seiten/Mitarbeitersuche.aspx?Guid=3b3312b9-3050-425b-a342-7000d9f0b0c2

 

[3] http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20100115_OTS0226/nur-47-der-oesterreichischen-bevoelkerung-glauben-an-gott-anhaenge