4095/J XXV. GP

Eingelangt am 06.03.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Peter Pilz, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend offene Fragen im Fall Aliyev

BEGRÜNDUNG

 

„Zur Causa des kasachischen Ex-Botschafters Rakhat Aliyev (Alijew), als dessen Verteidiger er tätig war, werde es noch eine Stellungnahme geben, kündigte er an. "Ich habe ein reines Gewissen", so Brandstetter aber schon jetzt.“ (APA 137, 14.12.2013)

Bis heute warten Öffentlichkeit und Parlament vergeblich auf diese Stellungnahme.

In demokratischen Rechtsstaaten ist es üblich, dass Mitglieder einer Regierung unbefangen ihrer Tätigkeit nachgehen können. Das ist beim derzeit amtierenden Justizminister in einem bisher nicht nur in Österreich unbekannten Ausmaß nicht der Fall.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

A)   VERTRETUNG VON ALIYEV

Am 23. Mai 2007 stellen Aliyev und mehrere Personen aus seinem Umfeld (Bekbatyrov, Koshlay, Koshlyak und Sapozhnikov)  dem Strafverteidiger Dr. Wolfgang Brandstetter Strafvollmacht im Zusammenhang mit einem von Kasachstan angestrengten Auslieferungsverfahren aus.

Am 16. Juli 2007 mailt der hohe Polizeibeamte Zwettler (BKA) an die BMI Beamten Vogl, GD Buxbaum, Taucher:


„Die britische Seite empfiehlt, dass Aliyev einen Asylantrag in Österreich stellen möge, wenn er die Auslieferung nach Kazakstan fürchtet. Ich denke dass das Kapitel ‚freiwillige Ausreise nach UK’ damit abgeschlossen sein dürfte. Mit seinen Anwälten (o.Univ.Prof. Dr. Brandstetter bzw. Hirschbäck in London) habe ich ein nächstes Gespräch für den kommenden Freitag (20.7.2007) vereinbart.“

1)    In welcher Funktion und mit welchem Mandat haben Sie mit dem BMI die Einreise und den Aufenthaltstitel von Aliyev verhandelt?

Am 3. September 2007 zieht Aliyev seinen Aufenthalts-Antrag bei der MA 35 in Wien zurück. Am selben Tag erfolgt eine Antragstellung bei der BH Horn, wobei als Wohnadresse Kirchengasse 2, 3730 Eggenburg angegeben wird. Die Liegenschaft gehört der CMP Brandstetter KEG.

Dazu erklärte Wolfgang Brandstetter dem Ö1 Morgenjournal am 15.12.2013:

Frage: „Heinz-Christian Strache hat gestern am runden Tisch etwas thematisiert, nämlich dass  Rhakat Aliyev bei Ihnen gemeldet war, damals als er einen umstrittenen Aufenthalt….“

Brandstetter: „Das hat mich wirklich auch verwundert, das stimmt überhaupt nicht in dieser Form, er war nie bei mir zu Hause gemeldet. Aber es wird von der Anwaltskanzlei, für die ich damals tätig war, eine ausführliche Stellungnahme geben. Ich kann Ihnen sagen, ich habe da wirklich ein absolut reines Gewissen, es ist nichts in diesem Zusammenhang gemacht worden, was nicht rechtlich völlig in Ordnung gewesen wäre.“

Die Zeitschrift „Datum“ stellt demgegenüber fest:

„Ein Mitarbeiter des Gemeindeamts bestätigt, dass er (Brandstetter) noch heute dort wohnt.“ (Datum 13.12.2013)

2)    War zu diesem Zeitpunkt die genannte Liegenschaft einer Ihrer Wohnsitze?

3)    Rakhat Aliyev war nachweislich an Ihrer Liegenschaft, also bei Ihnen, gemeldet. Warum haben Sie in diesem Interview die Öffentlichkeit irreführend („nie bei mir zu Hause“) und falsch über Ihre Wohngemeinschaft informiert?

4)    Von wann bis wann hat Aliyev an dieser Adresse gewohnt?

5)    Ist Ihnen bekannt, dass eine Scheinmeldung gesetzwidrig ist?

Die Volksanwaltschaft stellt zur Aliyev-Blitzmeldung an Ihrer Adresse fest:

„Auch die Erteilung des Aufenthaltstitels durch die Bezirkshauptmannschaft Horn stellt einen Missstand in der Verwaltung dar, da nicht eindeutig ersichtlich war, dass Herr Dr. Aliyev zur Inlandsantragsstellung berechtigt gewesen wäre und auch keinen Antrag zur Heilung dieses Mangels gestellt hat (...) und gerichtliche Voruntersuchungen gegen Herrn Dr. Aliyev in Gange waren.“ (Missstandsfeststellung des Kollegiums der Volksanwaltschaft, VA-BD-I/0408-C/1/2012, S 12)

6)    Wie ist es Ihnen gelungen, trotz fehlender Inlandsantragsstellung und laufender gerichtlicher Voruntersuchungen einen Aufenthaltstitel für Aliyev und weitere Beschuldigte zu erwirken?

Am 6. Februar 2008 wendet sich Wolfgang Brandstetter an Manfred Nowak, um beim UN-Hochkommissariat für Menschenrechte zu intervenieren.

„Sg. Herr UN-Sonderbeauftragter!

Beiliegend übermittle ich eine umfassende Information über die „Causa Dr. Aliyev“ namentlich der jüngst abgefertigte Einstellungsantrag (...) Darüber hinaus übermittle ich noch einige weitere Beilagen, die wir im Einstellungsantrag bewusst nicht vorgelegt haben, um – auf ausdrücklichen Wunsch von Dr. Aliyev – die bilateralen Beziehungen Österreichs zu Kasachstan nicht mehr zu beeinträchtigen als unbedingt nötig. Dazu gehören Abschriften von nach wie vor verfügbaren Tonbandmitschnitten von Gesprächen des kasachischen Präsidenten Nazarbaev mit seinem damaligen Schwiegersohn, unserem Mandanten Dr. Rakhat  Aliyev (Beilagen ./3 bis ./5) Diese dokumentieren eindrucksvoll, dass am Beginn des Konflikts persönliche und politische Auseinandersetzungen standen. (...)

Unser Mandant wäre unendlich dankbar dafür, wenn er aufgrund einer Einladung des UN-Hochkommissariats möglichst bald nach Genf oder auch nach New York kommen dürfte. Dies ist aus unserer Sicht die einzige realistische Chance, ihn durch internationalen Schutz auch tatsächlich soweit wie es nur möglich ist vor der physischen Liquidierung zu bewahren.“

7)    Eine derartige Intervention fällt nicht in das Aufgabengebiet eines Strafverteidigers. In welcher Funktion und mit welchem Mandat haben Sie beim UN-Hochkommissariat für Aliyev interveniert?

8)    Woher hatten Sie die genannten Tonbandmitschnitte?

Im Februar 2008 überweist die Aliyev-Firma Lofro Management umgerechnet 130.706 Euro auf ein Konto bei der Liechtensteiner Landesbank - der Name des Kontoinhabers: "Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter“ (Format 26.11.2014). Die Lofro Management Inc war am 7. August 2007 unter der Registrierungsnummer 578573 in Panama gegründet worden.

9)    Haben Sie diese Zahlung erhalten?

10) Wenn ja, wofür haben Sie das Geld erhalten?

11)  Von welcher Person stammt das Geld?

12) Warum wurde das Geld aus Panama nach Liechtenstein überwiesen?

13) Ist die zugrundeliegende Leistung in Liechtenstein oder in Österreich erbracht worden?

14)  Wie viele sonstige Zahlungen haben Sie von Aliyev bzw. ihm zuzurechnender Firmen oder Personen erhalten?

15)  Über welche Firmen und Konstrukte sind diese Zahlungen geflossen?

16)  Wie hoch ist die Gesamtsumme der Zahlungen, die Sie im Zusammenhang mit der Vertretung von Aliyev erhalten haben?

Am 10. November 2008 sendet Wolfgang Brandstetter an Innenministerin Maria Fekter ein Aliyev-Schreiben vom 7.11.2008, in dem Aliyev um einen persönlichen Termin ersucht um ihr seine Situation zu erläutern.

In dem Schreiben heißt es:

„Nach meinen Informationen hat Nazarbayev bereits einige ehem. hochrangige österreichische Politiker und noch aktive Polizisten korrumpiert, und ich empfinde es als meine Pflicht Sie darüber zu informieren.“

17) Welche „ehem. hochrangige österreichische Politiker und noch aktive Polizisten“ sind so nach Wahrnehmung Ihres Mandanten „korrumpiert“ worden?

18)  Handelt es sich bei den Vorwürfen Ihres Mandanten um Hinweise auf Offizialdelikte?

19)  Hat das BMI das BMJ bzw. die zuständige Staatsanwaltschaft über diese Vorwürfe informiert?

20)  Ist diesen Hinweisen seitens des BMJ bzw. der Staatsanwaltschaft nachgegangen worden?

 

B)   GELDFLÜSSE UND MÖGLICHE GELDWÄSCHE

Brandstetters damaliger Kanzleipartner, der Rechtsanwalt Otto Dietrich, erhält im Dezember 2008 von Rakhat Aliyev eine Millionenüberweisung aus Liechtenstein auf sein Wiener Konto. Die Aliyev-Firma Plotin Associated überweist rund 10,5 Millionen Euro. Zahlungsgrund: "Diversifikation von Vermögenswerten"... Otto Dietrich erklärt den Geldtransfer so: "Herr Aliyev wurde damals von den Kasachen verfolgt. Die wollten nicht nur sein Leben, sondern auch sein Geld. Wir versuchten, beides in Sicherheit zu bringen." (Format 26.11.2014)

21) War Ihnen diese Zahlung zum damaligen Zeitpunkt bekannt bzw. mit Ihnen abgesprochen? 

22) Wurde diese Zahlung jemals hinsichtlich des Verdachts der Geldwäsche durch die zuständige Staatsanwaltschaft untersucht?

In der Begründung eines Beschlusses des OLG Wien wird die Sichtweise des mitbeschuldigten Aliyev-Anwalts Leskoschek wiedergegeben:

„Tatsächlich sei jedoch Dr. Rakhat Shoraz [Anmerkung: Aliyevs Name nach Namensänderung], der sein völlig legitim erworbenes Vermögen vor den Zugriffen des kasachischen Präsidenten und dessen Staatsapparat zu schützen versuche, von Experten des internationalen Wirtschaftsrechts mit ausgezeichneter Reputation dahingehend beraten worden, im Ausland neue Gesellschaften durch Treuhänder zu gründen, damit eine persönliche Anwesenheit vor Ort nicht erforderlich sei.“ (Beschluss des OLG Wien18 Bs 369/12i S 5)

23) Waren Sie einer jener „Experten des internationalen Wirtschaftsrechts mit ausgezeichneter Reputation“, der Aliyev bei der Verschiebung seines Vermögens durch die Gründung „neuer Gesellschaften durch Treuhänder im Ausland“ beriet?

Im April 2011 übersiedelt Aliyev/Shoraz mit seiner Frau nach Malta. Am 9. August schreibt Wolfgang Brandstetter an die Wirtschaftskanzlei Ganado & Associates in Malta:

„We would like to confirm that we have known Dr. Rakhat Aliyev since 2007 and that he has been maintaining business relations with our law offices since then...

We are well aware of all the allegations raised against our client with respect to various crimes of violence, money laundering and fraud. However, we have no reasons whatsoever to believe that the allegations are true and correct. To the contrary, the evidence submitted in the proceedings appears to us as inconsistant and manipulated for well known, purely political reasons.“

24)  Eine derartige Intervention fällt nicht in das Aufgabengebiet eines Strafverteidigers. In welcher Funktion und mit welchem Mandat haben Sie sich an die Kanzlei in Malta gewandt?

25) Hatte Ihr Brief den Zweck die Verschiebung von Teilen des Aliyev-Vermögens nach Malta zu ermöglichen?

26)  Auf welche Anschuldigungen wegen Gewaltverbrechen, Geldwäsche und Betrugs seitens der österreichischen Strafjustiz nehmen Sie hier Bezug?

27)  Auf welche damals laufenden österreichischen Strafverfahren haben Sie sich hier bezogen?

28)  Welche Beweismittel der österreichischen Strafjustiz gegen Aliyev waren Ihrer Ansicht nach „aus gut bekannten, rein politischen Gründen inkonsistent und manipuliert“?

29)  Warum haben Sie der Kanzlei in Malta mitgeteilt, dass die österreichische Justiz Strafverfahren gegen Aliyev mit manipulierten Beweismitteln führe?

30)  Welche Leistung hat Ganado & Associates für Ihren Mandanten erbracht?

31)  In welcher Höhe sind Vermögenswerte für Aliyev nach Malta verschoben worden?

32)  Waren Sie also in Malta erfolgreich?

33) Was war Ihnen zum Zeitpunkt der Intervention in Malta über die Herkunft des Aliyev-Vermögens bekannt?

34)  War Ihnen bekannt, dass die StA Wien über detaillierte Hinweise auf kriminelle Herkunft der Gelder verfügte?

35)  Waren Ihnen die beiden Rechtshilfegesuche der kasachischen Ermittler aus dem Jahr 2009 bekannt?

36)  Wussten Sie von den verdächtigen Konten bei der Privatinvest Bank AG und der Raiffeisen Zentralbank in Wien sowie bei der ABN AMRO Bank Zürich, der Bank Credit Suisse und der BNP Paribas in Genf?

 

C)   VOM ALIYEV-VERTRETER ZUM MINISTER

Standard.at berichtet:

Eine an Alijew im Jänner 2014 - damals war der Kasache noch in Malta wohnhaft - adressierte Honorarnote der Kanzlei Ainedter & Ainedter listet penibel kostenpflichtige Aktivitäten des Teams um Alijews Anwalt Manfred Ainedter zwischen August 2013 und Jänner 2014 auf. Die Gründe für die Honorarnote an den Kasachen: "Verteidigung in den Verfahren beim LG für Strafsachen Wien".

Über die Aktivitäten am 7. August 2013 heißt es etwa: "Mail an [...] Brandstetter Wolfgang". Auch Konferenzen und Telefonate mit Brandstetter wurden angeführt und Alijew verrechnet. Insgesamt 19-mal kommt der Name Brandstetter in den Dokumenten in dieser Abrechnungsperiode vor. Zuletzt wurde von der Kanzlei vermerkt, dass in der Causa Alijew am 28. November 2013 eine Mail an Brandstetter geschickt wurde. Keine drei Wochen später war Brandstetter Justizminister (standard.at 6.11.2014)

37)  Wie lange waren Sie für Aliyev tätig?

38)  Haben Sie Ihre Tätigkeit für Aliyev erst eingestellt, als Ihnen das Ministeramt angeboten worden war?

 Am 15. Dezember 2013 wehren sich drei RA-Kanzleien gegen „unrichtige Darstellungen“ im Zusammenhang mit Justizminister Brandstetter: „In den Ermittlungsverfahren – wegen des Verdachts des Mordes und der Geldwäsche – werde Aliyev aber „seit 2007 ausschließlich von Dr. Otto Dietrich und seit 2011 auch von Dr. Manfred Ainedter vertreten“. (APA185)

Diese Erklärung ist nachweislich falsch. Sie dient offensichtlich der Irreführung der Öffentlichkeit.

39)  Ist diese Erklärung mit Ihnen abgesprochen worden?

40)  Warum haben Sie dieser offensichtlich falschen und irreführenden Erklärung über Ihre Person nicht öffentlich widersprochen?

 

D) „TÄTIGKEITSSCHWERPUNKT STEUERBETRUG“

Am 17. Dezember 2013 wird Dr. Wolfgang Brandstetter auf der Internetseite der Liechtensteiner Anwaltskanzlei Batliner Gasser feierlich verabschiedet. Es erfüllt uns mit Stolz und Freude, dass unser langjähriges Kanzleimitglied, Univ.Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter, am 16.12.2013 zum österreichischen Justizminister angelobt wurde. Diese Aufgabe erlaubt ihm leider nicht, weiter für Batliner Gasser Rechtsanwälte in Liechtenstein und unsere Klienten tätig zu sein, so wie er dies die letzten Jahre erfolgreich getan hat. Unsere Partner, Rechtsanwälte und Mitarbeiter bei Batliner Gasser wünschen ihm in seiner neuen Herausforderung und Aufgabe alles Gute.“

Profil fasst am 14. Dezember 2012 zusammen:

„Was Brandstetter für Batliner in der Vergangenheit geleistet hat, ist unklar. Brandstetter war für profil nicht zu sprechen. Namens der Vaduzer Kanzlei ließ Batliners Partner Johannes Gasser profil immerhin eine Stellungnahme übermitteln: „Brandstetter berät in erster Linie Privatpersonen zu allen Fragen des Wirtschaftsstrafrechts. Er berät Klienten in Liechtenstein und Österreich.“..

Profil schließt:

„Der designierte Justizminister steht als Konsulent mit Tätigkeitsschwerpunkt „Steuerbetrug“ beim geistigen Vater des Liechtensteiner Stiftungswesens unter Vertrag.“

 

41) Ist es zutreffend, dass Ihr Tätigkeitsschwerpunkt in Liechtenstein „Steuerbetrug“ war?

42) Falls nein: Haben Sie Profil wegen dieser Behauptung geklagt?

43)  Wie lauten sämtliche Strafverfahren, in denen Sie befangen sind?