4111/J XXV. GP
Eingelangt am 11.03.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
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Anfrage
der Abgeordneten Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
betreffend Umsetzung des Ethik-Kodex der Sozialversicherung
Im Sommer 2014 beschloss der Verbandsvorstand des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger einen „Ethik-Verhaltenskodex der österreichischen Sozialversicherung“. Nicht zuletzt der damalige Verbandsvorstandsvorsitzende und nunmehrige Finanzminister Schelling hat sich für den Beschluss eines derartigen Kodex eingesetzt und erreicht, dass dieser durchaus deutlich und scharf ausgefallen ist. Bereits in der Präambel wird statuiert: „Wir, die Versicherungsvertreterinnen und Versicherungsvertreter, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der österreichischen Sozialversicherung, bekennen uns zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Mitteln der Versichertengemeinschaft.
Deshalb wollen wir im Hinblick auf Unternehmensethik und Integrität höchsten Standards entsprechen. Nicht nur was wir tun, sondern auch die Art und Weise, wie wir es tun, hat Auswirkungen auf die Versichertengemeinschaft und prägt unseren Ruf in der Öffentlichkeit. Unsere Versicherten müssen uns vertrauen können.
Der Ethik-Verhaltenskodex geht über die reine Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften hinaus, und beschreibt Anspruch der österreichischen Sozialversicherung, überall wo wir tätig sind, verantwortungsbewusst zu handeln und Einflussnahme sowie Korruption keine Chance zu lassen.“
Unter der Überschrift „Begriffserklärungen“ ist unter anderem auf Seite 4 zu lesen:
„Befangenheit liegt vor, wenn aufgrund familiärer, freundschaftlicher oder sonstiger Beziehungen eine objektive Entscheidung nicht mehr gewährleistet ist. Es besteht die Gefahr dass die eigenen Interessen bei der Entscheidungsfindung in den Vordergrund treten.
Interessenkonflikte treten auf, wenn den primären Interessen (berufliches Interesse, Interesse des Unternehmens) sogenannte sekundäre Interessen (private Interessen) entgegenstehen. Dadurch kann das professionelle Urteilsvermögen oder - Handeln beeinflusst werden. Interessenkonflikte treten in der täglichen Arbeit häufig auf und erfordern einen transparenten Umgang.“
Als Verhaltensgrundsätze der österreichischen Sozialversicherung sind auf Seite 5 festgehalten (Hervorhebungen im Original):
„Wir richten uns an die Grundsätze, indem wir
· glaubwürdig bleiben, indem wir Geschenke und Gefälligkeiten ablehnen
· integer bleiben, indem wir nicht bestechlich sind
· objektiv bleiben, in dem wir bewusst korrekt mit Interessenskonflikten umgehen
· transparent bleiben, indem wir unsere Entscheidungen nachvollziehbar machen
· verschwiegen bleiben, indem wir vertrauliche Informationen schützen
· kooperativ bleiben, indem wir fair mit unseren Partnern umgehen.“
In den Erläuterungen zu diesen Grundsätzen wird unter anderem ausgeführt:
„Glaubwürdigkeit – wir lehnen Geschenke und Gefälligkeiten ab
…
Bei Geschenken stehen wir immer auf der „sicheren Seite“, wenn ein Geschenk höflich, aber bestimmt abgelehnt wird! Geschenke oder kleine Aufmerksamkeiten in Bargeld oder Gutscheinen sind generell abzulehnen!
…
Integrität – wir sind nicht bestechlich und bestechen selbst nicht
…
Unsere Entscheidungen werden aufgrund von fachlichen und objektiv nachvollziehbaren Abwägungen getroffen. Dies ermöglichen wir auch unseren Partnerinnen und Partnern, indem wir selbst keine Einflussnahme ausüben.
…
Objektivität – wir treffen unsere Entscheidungen nach sachlichen Kriterien
Interessenkonflikte können auftreten, wenn persönliche Interessen, familiäre und andere Bindungen den beruflichen Aufgaben gegenüberstehen. Wir versuchen Situationen, die Interessenkonflikte begünstigen, möglichst zu vermeiden.
Interessenkonflikte können auch entstehen, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund ihrer Position Entscheidungen über Personal, Einkauf, Bewilligung und Ähnliches treffen. Ein Interessenkonflikt ist grundsätzlich nichts Falsches, solche Situationen kommen im Berufsalltag immer wieder vor. Wir gehen aber sachlich und transparent damit um und vermeiden so von vorne herein eine falsche Optik.
…
Transparenz – wir treffen nachvollziehbare Entscheidungen
Wir stehen für fairen und transparenten Wettbewerb und pflegen einen gleichen angemessenen Umgang mit allen Partnerinnen und Partnern.
Ein transparenter Umgang mit Entscheidungen in der Sozialversicherung ist ein wichtiger Faktor, um Korruption und Einflussnahme zu verhindern. Wir tauschen mit Anbietern keine Informationen über andere Angebote und Vereinbarungen aus. Wir halten vorgeschriebene (Beschaffungs-) Prozesse und Zuständigkeiten ein und dokumentieren wichtige Hintergrundinformationen und Vorkommnisse. Dadurch machen wir unsere Entscheidungen nachvollziehbar.
Wir können zu jedem Zeitpunkt unsere Entscheidungen begründen und den Weg der Entscheidungsfindung darstellen.“
In den letzten Wochen wurden hinsichtlich von Beschaffungs- und Vergabevorgängen in der Sozialversicherung erhebliche Vorwürfe gegen MitarbeiterInnen österreichischer Sozialversicherungsträger erhoben, die im Grunde darauf abzielen, dass wesentlichen der genannten Leitlinien nicht entsprochen wurde. Das BMASK hat mit einer Sachverhaltsdarstellung eine strafrechtliche Überprüfung der vermuteten und behaupteten Vorgänge eingeleitet.
Da sich die Vorwürfe jedoch gegen führendes Personal und FunktionärInnen der Sozialversicherung richten, ist es mit einer strafrechtlichen Überprüfung allein nicht getan: Es ist – unabhängig vom Vorwurf einer möglichen strafrechtlichen Verfehlung – auch zu prüfen, ob aus dem behaupteten oder tatsächlichen Verhalten auch dienstrechtliche Konsequenzen zu ziehen sind, wobei die dienstrechtlichen Pflichten wesentlichen höheren Normen zu entsprechen haben als etwa der Frage, ob ein Verhalten strafrechtlich relevant ist oder nicht (wie schon in der Präambel ausgeführt wird).
Die österreichische Sozialversicherung ist ein Kernelement des sozialen Sicherungssystems und hat mit dem Prinzip der Pflichtversicherung einen großen Beitrag zur gesellschaftlichen und ökonomischen Situation Österreichs beigetragen.
Gerade die Rolle der Sozialversicherungsträger als de-facto-Monopolisten verlangt aber besondere Vorsicht in der Ausübung von Funktionen, besonders genaue Erfüllung aller Aufgaben, besondere Transparenz in der Erfüllung der Aufgaben und auch einer besonders intensiven Kontrolle der Tätigkeiten.
Die Medienberichterstattung der letzten Wochen macht zumindest den Schluss denkbar, dass dies in der PVA nicht so gehalten wird (wenn etwa der Generaldirektor öffentlich einräumen muss, dass die internen Kontrollfunktionen der PVA nicht entsprechend funktionieren).
Es ist nicht nur im Interesse der Versicherten, sondern auch im Interesse der Sozialversicherung an sich, dass jene Transparenz, Klarheit und Kontrolle gelebt wird, die eine de-facto-Monopolstellung der Träger rechtfertigt. Werden nicht allerhöchste Maßstäbe diesbezüglich angelegt, so öffnet dies den Argumentationsspielraum für jene, die eine Zerstörung des Sozialversicherungswesens anstreben.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
I. Allgemeine Fragen
Im Sommer 2014 beschloss der Verbandsvorstand des Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger einen „Ethik-Verhaltenskodex der österreichischen Sozialversicherung“ für den Umgang der MitarbeiterInnen der Versicherungsträger mit Situationen, die Glaubwürdigkeit, Integrität, Objektivität, Transparenz, Verschwiegenheit oder faire Kooperation mit PartnerInnen der Sozialversicherung in Frage stellen könnten.
1.1. Wenn Frage 1 mit ja beantwortet wurde: Wann wurde unter Angabe der Sozialversicherungsträger und des Datums der Inkraftsetzung oder Umsetzung der Kodex implementiert?
1.2. Wenn nein: Welche Sozialversicherungsträger haben diesen oder einen darauf aufbauenden Kodex noch nicht in Kraft gesetzt und (unter Angabe des Trägers und der genauen Begründung) warum nicht?
2.1. Wenn Frage 2 mit ja: Wann wurden unter Angabe des jeweiligen Trägers und der Veränderung oder des Veränderungsprozesses dieselben begonnen?
2.2. Wenn Frage 2 mit nein beantwortet: In welchen Sozialversicherungsträgern wurden unter Angabe einer Begründung keine auf dem Kodex basierenden Veränderungen von Abläufen vorgenommen oder Veränderungsprozesse eingeleitet?
3.1. Wenn Frage 3 mit ja beantwortet: Wann wurde der Kodex in der PVA in Geltung gesetzt?
3.2. Wenn Frage 3 mit nein beantwortet: Warum wurde der Kodex bisher in der PVA nicht in Geltung gesetzt?
6.1. dem Dienstgeber persönliche Beziehungen mit potentiellen AuftragnehmerInnen bzw. AuftragbewerberInnen bekanntzugeben?
6.2. dem Dienstgeber die Annahme von Einladungen durch potentiellen AuftragnehmerInnen bzw. AuftragbewerberInnen
6.3. den Dienstgeber auf das Bestehen möglicher Interessenskonflikte aufmerksam zu machen?
II. Stichwort: Beratungsverträge/Gutachten
III. Stichwort Bedarfsprüfung ambulante Rehabilitation
IV. Diskriminierung in Bewerbungsverfahren im Zuständigkeitsbereich der stv. Generaldirektorin der PVA
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission ist in einem, die PVA betreffenden Prüfungsverfahren hinsichtlich einer Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg im Prüfungsergebnis vom 8. Oktober 2014 „zur Auffassung gelangt (…), dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes“ in der, dem Prüfungsverfahren unterliegenden Personalentscheidung vorliegt und unterbreitet der PVA einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes.