4187/J XXV. GP

Eingelangt am 17.03.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Bildung und Frauen

betreffend technisches und textiles Werken in AHS

BEGRÜNDUNG

 

Nach Auskunft der für die AHS und die Genderangelegenheiten zuständigen Abteilungen des Bundesministerium für Bildung und Frauen wird nach der vor drei Jahren erfolgten Zusammenlegung der damaligen Wahlpflichtgegenstände „Technisches Werken“ und „Textiles Werken“ in der NMS zu einem gemeinsamen Pflichtgegenstand „Technisches und Textiles Werken“ nun auch an der Fusionierung der bisher noch getrennt geführten Unterrichtsgegenstände in der AHS-Unterstufe gearbeitet. Aus diesem Grunde ist es notwendig, die Lage des seit dieser Zeit zusammengeführten gemeinsamen Gegenstandes „Werken“  in der NMS zum besseren Verständnis der Materie ausführlicher zu betrachten.

Am 30. Mai 2012 wurde der Lehrplan der Neuen Mittelschule als Artikel 1 des „NMS-Umsetzungspaketes“ im Bundesgesetzblatt (BGBl. II Nr. 185/2012) kundgemacht. In der Anlage 1 des Umsetzungspaketes wurden sowohl im Vierten Teil „Stundentafel“ als auch im Fünften Teil „Lehrpläne“ entscheidende Änderungen für die bis dahin autarken Unterrichtsgegenstände „Technisches Werken“ und „Textiles Werken“ vorgenommen.

Die bisher in der Hauptschule als Wahlpflichtfächer geführten Gegenstände „Technisches Werken“ und „Textiles Werken“ wurden nun zu einem gemeinsamen Gegenstand mit dem Namen „Technisches und Textiles Werken“ zusammengelegt, wobei jedoch die Formulierungen der Bildungs- und Lehraufgaben, die Didaktischen Grundsätze und der Lehrstoff wortident mit dem bisherigen Lehrplan blieben. Einzig eine ergänzende Vorbemerkung formuliert den intentionellen und didaktischen Rahmen für die Verbindung beider, nun als Teile bezeichneten Fachbereiche.


Darüber hinaus überlässt es die neue Stundentafel der NMS der Autonomie der jeweiligen Schule, den neuen Gegenstand „Werken“ über die gesamte Sekundarstufe 1 im Ausmaß von 5,5 bis 12 Stunden zu unterrichten. Damit ist es jeder Schule überlassen, ob der Gegenstand etwa in einem Rahmen von etwa 1 1/3 Std. oder 3 Wochenstunden pro Schuljahr geführt wird  – und das bei verdoppeltem Lehrstoff. Bisher waren es, von Ausnahmen abgesehen, zur Führung des jeweiligen Wahlpflichtgegenstandes 2 Stunden pro Schuljahr

 

Die Zusammenlegung der Gegenstände in der NMS führte in der Folge auch zur Fusion der beiden bis dahin getrennten Ausbildungslehrgänge an den Pädagogischen Hochschulen und damit verbunden zur Halbierung der Werteinheiten an diesen Ausbildungsstätten.

Diese, ohne die Bereitstellung der dafür nötigen Begleitmaßnahmen vollzogene Zusammenlegung bewirkte massive Proteste und zahlreiche Stellungnahmen aus den Reihen der KollegInnenschaft in Schule und LehrerInnenbildung. Dabei wurde schon vor dem Erlassen des NMS-Umsetzungspaketes im Frühjahr 2012 von vielen Seiten auf die Einleitung der dafür nötigen Rahmenbedingungen hingewiesen, dies auch mit Blick auf den Mangel an ausgebildeten FachlehrerInnen.

Nach einer im Schuljahr 2010/11 durchgeführten Erhebung des BMUKK wurden an den HS / NMS österreichweit im Fach „Technisches Werken“ von insgesamt 16.832 Unterrichtseinheiten nur 9.075 und im „Textilen Werken“ von insgesamt 14.240 Unterrichtseinheiten 12.499 fachgeprüft unterrichtet.

Dies ergibt neben der Feststellung des grundsätzlichen Bedarfs an FachlehrerInnen für beide Unterrichtsgegenstände eine eklatante Negativbilanz für den technischen Werkbereich. Mit Sicht auf die in der Zwischenzeit erfolgte Fusion bedeutet dies aber, dass zahlreiche, nun zusammengelegte Unterrichtseinheiten nur noch von nicht im technischen Bereich ausgebildeten Lehrpersonen (d.s. Werklehrerinnen, die nur im textilen Bereich bzw. im Bereich Ernährung und Haushalt ausgebildet sind) übernommen werden müssen.

Anlässlich des IMST-Fachdidaktiktages des „Netzwerks Technischen Werken“ des IMST-Projektes vom 25. September 2012 forderten die über 50 TeilnehmerInnen ausreichende Maßnahmen zur Unterstützung der Werkerziehung in der Sekundarstufe und in der Aus- und Fortbildung der LehrerInnen für Werkerziehung.

Als Reaktion auf diese und ähnliche Stellungnahmen wurde von Seiten des BMUKK / BMBF schließlich als einzige Maßnahme im Oktober 2013 die „Bundesarbeitsgemeinschaft für Technisches und Textile Werken“ BAGWE)“ eingerichtet. (Siehe: http://www.schule.at/portale/werken/bagwe/)

 

Die Arbeitsschwerpunkte der BAGWE betreffen aktuell

-       die Vernetzung aller mit den Fächern befassten Personen und Institutionen

-       die Entwicklung eines aufbauenden Curriculumrahmens von der Elementarpädagogik über die Primarstufe bis zur Sekundarstufe 2 und zur Matura

-       die Entwicklung von Fort- und Weiterbildungen für „Technisches und Textiles Werken“ bundesweit

-       das Installieren von MultiplikatorInnen-Lehrgängen zum „Technischen und Textilen Werken“ für die NMS auf Basis geklärter curricularer Inhalte und Organisationsstrukturen

-       das Impulsgeben für die Verbesserung der Rahmenbedingungen an den Schulstandorten

-       die Übernahme von GutachterInnentätigkeiten zu den Fachbereichen

-       den Aufbau von internationalem Austausch.

Trotz dieses umfangreichen Aufgabenbereiches wurde der BAGWE allerdings nach wie vor kein offiziell gesicherter Auftrag erteilt und ihre Arbeit nur mit äußerst geringen Ressourcen dotiert. Bisher konnte die BAGWE aufgrund dieser mangelhaften finanziellen und strukturellen Mittel (etwa: zu geringes Budget für die Abdeckung der nötigen Reisekosten, keine finanzielle Abgeltung der Arbeitsleistungen, Behinderung der Dienstfreistellung) längst noch zu keinem Abschluss dieser von ihr selbst gestellten Aufgaben gelangen, um etwa eine Basis für weitere Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Werkerziehung  in Schule und Ausbildung zu begründen.

Tatsächlich nehmen seit 2012 die Beschwerden aus den Kreisen der betroffenen FachkollegInnen in der Schule und an den Pädagogischen Hochschulen massiv zu. Das betrifft sowohl den Mangel an ausgebildeten FachlehrerInnen, die Ausstattung der Werksäle und Werkstätten und die Reduktion der Unterrichtsstunden. Soweit es stichprobenartige, wenn auch nicht flächendeckende Recherchen ergeben, wird der Werkunterricht in den meisten Schulen einzig im Ausmaß von 5,5 über 4 Schulstufen, manchmal auch darunter, geführt.

Schon bestätigen Aussagen von AMS und Ausbildungsbetrieben die sinkenden handwerklichen Qualifikationen der arbeitssuchenden Jugendlichen. Als Reaktion auf diese stetig zunehmenden Klagen der Betriebe formulierten die Bildungsabteilungen der Arbeiterkammer, der Industriellenvereinigung, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und der Wirtschaftskammer Österreichs im Juli 2014 eine gemeinsame Stellungnahme mit dem Titel „Werkunterricht NEU“.

Dieses Positionspapier, das die Zusammenlegung der beiden Fächer ganz grundsätzlich begrüßt, beleuchtet zum einen die derzeitigen Mängel des Werkunterrichtes und formuliert zum anderen Maßnahmen zu einer zukunftsweisenden Weiterentwicklung des Werkunterrichts in Schule und Ausbildung. Die Bildungsabteilungen der Interessensvertretungen sehen in einem neu positionierten „Werkunterricht NEU“ eine wichtige Chance für die Jugend und fordern in dieser Konsequenz folgende Maßnahmen zur Unterstützung für Lehrenden an den Schulen und Hochschulen:

„Installierung einer ministeriellen Arbeitsgruppe unter Mitwirkung der Sozialpartner zur Analyse von Potenzial und Problemfeldern von Werken

-       Entwicklung eines zeitgemäßen Curriculums für einen verschränkten Werkunterricht NEU

-       Ableitung der Anforderungen an neue Studienpläne für das Lehramt „Werken NEU“ (Unis/PH)

-       Etablierung von Fortbildungsmodulen für Lehrerinnen und Lehrer mit Lehramt textiles und technisches Werken zur Nachqualifizierung.“

Knapp drei Jahre nach dem Erlassen des „NMS-Umsetzungspaketes“, das zur Zusammenlegung der beiden Werkgegenstände geführt hat, wird laut Auskunft der dafür zuständigen Abteilungen des Bundesministerium für Bildung und Frauen  auch die Fusionierung der bisher noch getrennt geführten Unterrichtsgegenstände in der AHS-Unterstufe in Angriff genommen.

Aufgrund dieser Information hat die Standesvertretung der Kunst- und WerkerzieherInnen, der „Bund österreichischer Kunst und WerkerzieherInnen“ (BÖKWE) im Dezember 2014 eine ausführliche Stellungnahme verfasst. In ihr wird unter anderem massiv bemängelt, dass die fachlichen Auswirkungen der Zusammenlegung der Fächer in der NMS als Grundlage für jede weitere Maßnahme bisher nicht evaluiert wurden. Somit ist es aufgrund des Fehlens jeglicher Ressourcen bzw. Begleitmaßnahmen und abgesicherter Erkenntnisse über die Auswirkung der Zusammenlegung anzunehmen, dass mit der Zusammenlegung der Gegenstände in der AHS-Unterstufe eine ebenso drastische Verschlechterung der Werkerziehung an der allgemeinbildenden Schule wie an der NMS eintreten wird. Darüber hinaus schadet diese Maßnahme auch der Weiterentwicklung der in den letzten Jahren schon erfolgreich laufenden Modelle für Langformen der Werkfächer, die schon schulautonom zur Matura geführt werden, extrem.

Die Stellungnahme des BÖKWE kommt zu dem Schluss, dass die „Werkpädagogik“, die „in Österreich durch der Zusammenlegung in der NMS bereits massiv an Qualität eingebüßt hat die angestrebten Ziele einer geschlechterneutralen Werkpädagogik, (...), nicht erreicht. (...)“ Eine „zeitgemäße und zukunftsorientierte Werkpädagogik für alle Kinder und Jugendlichen kann nur mit der Schaffung qualitativer Rahmenbedingungen“ einhergehen!

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Ist es richtig, dass die Zusammenlegung der bisherigen Wahlpflichtfächer „Technisches Werken“ und „Textiles Werken“ zu dem Pflichtfach „Technisches und Textiles Werken“ an der AHS vorgesehen ist?

a.    Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?

b.    Welche sind die Gründe für die Zusammenlegung?


2.    Welche Abteilung des Bundesministerium für Bildung und Frauen ist zentral für die Entwicklung, die Zusammenlegung, deren Evaluierung und der sonstigen Agenden bei der Weiterentwicklung der Werkerziehung verantwortlich?

 

3.    Eine unabdingbare Maßnahme im Rahmen der Zusammenlegung und der Weiterentwicklung der Werkerziehung ist die Formulierung eines neuen Lehrplans für die Sekundarstufe 1. Gibt es schon eine Neuformulierung des Lehrplans oder wird der Lehrplan wie im Zusammenhang mit dem „NMS-Umsetzungspaket“ nur durch wortidente Zusammenlegung der beiden bestehenden Lehrpläne erstellt?

a.    Wenn ja, bitte um Beilage des Lehrplanes für Werkerziehung für die Sekundarstufe zur Anfragebeantwortung.

 

4.    Wenn zunächst wiederum nur eine wortidente Zusammenlegung der beiden bestehenden Lehrpläne vorgesehen ist, bis wann soll dieses Provisorium endlich durch einen neuen Lehrplan ersetzt werden?

 

5.    Ist im Zuge der Zusammenlegung der Werklehrpläne auch eine Änderung der Stundentafel geplant?

a.    Wenn ja, mit welchem Stundenrahmen?

 

6.    Gibt es eine aktuelle Erhebung des Einsatzes von geprüften und ungeprüften LehrerInnen im Gegenstand „Werken“ an den NMS?

a.    Wenn ja, wie lauten die aktuellen Zahlen?

b.    Wenn nein, welche Umstände behindern die Erhebung?

 

7.    Gibt es eine Erhebung, wie viele FachlehrerInnen, geprüft im „Technischen Werken“ im neuen Gegenstand „Werken“ an der NMS eingesetzt sind?

a.    Wenn ja, wie lauten die aktuellen Zahlen?

b.    Wenn nein, welche Umstände behindern die Erhebung?

 

8.    Gibt es eine Erhebung, wie viele FachlehrerInnen, geprüft im „Textilen Werken“ im neuen Gegenstand „Werken“ an der NMS eingesetzt sind?

a.    Wenn ja, wie lauten die aktuellen Zahlen?

b.    Wenn nein, welche Umstände behindern die Erhebung?

 

9.    Gibt es eine aktuelle Erhebung des Bedarfes von FachlehrerInnen an den AHS?

a.    Wenn ja, wie lauten die aktuellen Zahlen?

b.    Wenn nein, welche Umstände behindern die Erhebung?

 

10. Gibt es eine Erhebung des Unterrichtsgeschehens im neuen Gegenstand „Werken“ an der NMS in Bezug auf die Anzahl der von den Schulen festgelegten Unterrichtsstunden?

a.    Wenn ja, wie lauten die aktuellen Zahlen?

b.    Wenn nein, welche Umstände behindern die Erhebung?

 

11. Gibt es eine Erhebung des Unterrichtsgeschehens im neuen Gegenstand „Werken“ an der NMS in Bezug auf die in den Klassen durchgeführten Unterrichtsinhalte?

a.    Wenn ja, worin liegen die Themenschwerpunkte?

b.    Wenn nein, welche Umstände behindern eine solche Erhebung?

 

12. Gibt es die Absicht, eine österreichweite Fachtagung der Werkpädagogik einzurichten?

a.    Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt kann eine solche Fachtagung stattfinden?

 

13. Die „Bundesarbeitsgemeinschaft für Technisches und Textiles Werken, BAGWE“ wurde dafür eingerichtet, Grundlagen für die weitere Entwicklung der Werkerziehung zu erarbeiten. Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um die bisher so mangelhafte Unterstützung von Seiten des Bundesministeriums für Bildung und Frauen in den Bereichen des rechtsverbindlichen Auftrag und einer ausreichenden finanzieller Absicherung zu verbessern?

 

14. Mit welchen Maßnahmen versucht man den laut Untersuchung des Schuljahres 2010/11 bestehenden gravierenden Mangel an qualifiziertem Lehrpersonal an der NMS kurzfristig zu überbrücken?

 

15. Stimmt es, dass an mehreren Pädagogischen Hochschulen, trotz des Mangels an FachlehrerInnen der Mittelstufe, keine Lehrgänge mehr in den Fächern Werken und Bildnerische Erziehung geführt werden?

a.    Welches sind die Ursachen dafür?

 

16. Welche Maßnahmen sind zur verpflichtenden Fortbildung und Nachqualifizierung der „nichtqualifizierten“ Lehrkräfte vorgesehen?

 

17. Welche Maßnahmen zur Attraktivierung eines Fachstudiums an Pädagogischen Hochschulen werden des Weiteren gesetzt?

 

a.    Ist dabei an die Möglichkeit einer freien Fachwahl an den Pädagogischen Hochschulen, anstelle eines verpflichtenden „Erstfaches“ und eines erleichterten „Drittfachstudiums“ geplant?

b.    Wenn diese Maßnahmen nicht geplant sind, wodurch wird dies begründet?

 

18. Welche Maßnahmen sind zur Verbesserung der materiellen und räumlichen Ausstattungen für einen gedeihlichen Werkunterricht an den AHS geplant?

 

19. Welche Maßnahmen werden zur Verbesserung der Situation an den NMS eingeleitet?


20. Bestehen in Zusammenhang mit der Absicht der Zusammenlegung des Werkunterrichts interministerielle Kontakte zur Entwicklung der Curriculums der LehrerInnenbildung an den Kunstuniversitäten?

 

21. Ist in der Folge auch die Zusammenlegung der Unterrichtsfächer in der Primarstufe / Volksschule geplant?