4196/J XXV. GP

Eingelangt am 18.03.2015
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Anfrage

 

des Abgeordneten Lausch

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Haftentlassung der Häftlinge Amyn Radwan G. und Gottfried W.

 

Die österreichische Medienlandschaft berichtet über eine Schießerei zwischen der Polizei und zwei Einbrechern am Montag dem 23.02.2015.

 

"orf.at" berichtet u.a. online:

Bei dem Einbrecher, der am Montag von der Polizei angeschossen worden ist, handelt es sich um einen verurteilten Doppelmörder. Nach einem Polizistenmord im Jahr 1989 wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt, aus der er erst kürzlich entlassen wurde.

Ende der 80er Jahre sorgten die Verbrechen des damals 20-jährigen Mannes für Schlagzeilen. Er hatte einen Gendarmen in Maria Lanzendorf (Bezirk Wien-Umgebung) mit einem Kopfschuss getötet und auch einen Suchtgifthändler erschossen. 1992 wurde er deswegen zu lebenslanger Haft verurteilt.

Laut Gutachter „ungefährlich“

Bis 2009 war er in der Justizanstalt Stein inhaftiert, danach wurde er nach Garsten in Oberösterreich verlegt und vor wenigen Wochen entlassen, weil ihn ein Gutachter als ungefährlich eingestuft hatte. In der Nacht auf Dienstag schoss der Verdächtige nach einem Einbruch in Wien auf Polizisten und versuchte sogar, eine Handgranate zu zünden … Der ehemalige Häftling wurde bei dem Schusswechsel selbst getroffen, er liegt nach wie vor im Koma.

Frei trotz lebenslanger Haft?

Nach diesem Vorfall stellt sich für viele eine Frage: Warum wird ein zu lebenslanger Haft verurteilter Doppelmörder nach ein paar Jahren wieder aus dem Gefängnis entlassen? Den Antrag auf eine bedingte Haftentlassung können Verbrecher, die zu lebenslanger Haft verurteilt worden sind, frühestens nach 15 Jahren stellen. Wenn das Vollzugsgericht dem Antrag zustimmt, müssen meist strenge Auflagen eingehalten werden.

Das war in diesem konkreten Fall jedoch nicht der Fall, sagt der Leiter der Abteilung Sicherheit der Vollzugsdirektion, Erich Huber-Günsthofer. „Hier wurde von der Person selbst angegeben, einen ordentlichen Wohnsitz im Ausland zu nehmen. Er ist aber wieder unbefugt nach Österreich eingereist, ohne dass es die Behörden wussten. Somit gab es auch in diesem Sinne keine Bewährungsauflagen, die zu erfüllen waren“, so Huber-Günsthofer.

 „Man muss Häftlingen Perspektive geben“

Wer in Österreich zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wird, kann durchaus bis zum Ende seines Lebens hinter Gittern verbringen. Nach 15 Jahren hat jedoch jeder Häftling, darunter auch Mörder, das Recht, einen Antrag auf bedingte Entlassung zu stellen. Der Hintergrund ist, dass man Menschen in Österreich nicht einsperren möchte, ohne ihnen eine Perspektive zu geben.

Das wäre letztlich nämlich auch für die Beamten im Gefängnis gefährlich, so Erich Huber-Günsthofer. „Die Gewaltbereitschaft, die entstehen würde, wäre zu groß. Sie müssen sich vorstellen, wenn ich absolut keine Chance mehr habe, aus dem Gefängnis zu kommen, wird meine Konfliktbearbeitung eine andere sein, als wenn ich Perspektiven habe und die Chance, an der Deliktaufarbeitung mitzuwirken. Und ich habe die Chance, doch wieder in Freiheit zu kommen.“ Hierbei wird jeder Fall individuell beurteilt. Der Häftling muss äußerst kooperativ mit dem sozialen Dienst und den Psychologen zusammenarbeiten.

Statistik: Rückfallrisiko liegt unter einem Prozent

Wird einem zu lebenslang Verurteilten Häftling ein Antrag auf Entlassung genehmigt, kommt es zunächst zu einer Lockerung im Vollzug. Das bedeutet, es gibt begleitete Ausgänge und viele individuelle Maßnahmen, so der Leiter der Vollzugsdirektion: „Einzeltherapien, Gruppentherapien, Stellungnahmen, die vorgelegt werden müssen seitens des sozialen Dienstes, des psychologischen Dienstes. Und natürlich auch externe Stellungnahmen, in denen man sich zur Einschätzung des Rückfallrisikos freier Gutachter bedient“, so der Leiter der Abteilung Sicherheit der Vollzugsdirektion.

Laut Statistik liegt das Rückfallrisiko unter einem Prozent. Im Schnitt bleiben lebenslang Verurteilte in Österreich für 22,5 Jahre im Gefängnis. Wenn das Vollzugsgericht dann entscheidet, den Häftling zu entlassen, dann immer unter bestimmten Bedingungen. Der Betroffene muss sich dann etwa weiterhin seiner Therapie unterziehen oder sich einmal die Woche bei der Polizei melden. Im konkreten Fall wollte der Mann aber zurück in seine Heimat nach Nordafrika. Daher wurden keine weiteren Kontrollen mehr veranlasst.

 

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bundesminister für Justiz folgende

 

Anfrage

 

1.    Wegen welcher Delikte und zu welcher Strafe wurde Amyn Radwan G. verurteilt? (Bitte um genaue Aufschlüsselung)

2.    Wann war der Zeitpunkt des Haftantritts von Amyn G.?

3.    Wurde bei einem der beiden Häftlinge (Amyn G. bzw. Gottfried W.) ein sogenannter "Sicherheitsvermerk" gesetzt? (Wenn ja, von wann bis wann?)

4.    Wie oft hat Amyn Radwan G. einen Antrag auf vorzeitig bedingte Entlassung gestellt? (Bitte um genaue Auflistung der gestellten Anträge)

5.    Wie oft wurde der Antrag von Amyn Radwan G. abgelehnt bzw. wann wurde dieser letztmalig abgelehnt?

6.    Unter welcher Begründung wurde der letzte negative Antrag auf vorzeitig bedingte Entlassung abgelehnt?

7.    Wurde bei einem abgelehnten Antrag in der Beurteilung von einer Rückfallgefahr ausgegangen? (Wenn ja, bitte um Aufschlüsselung der einzelnen Anträge im Detail)

8.    Wurden die negativen Begründungen hinsichtlich vorzeitig bedingter Entlassung bei der Entscheidung für die letztlich genehmigte vorzeitig bedingte Entlassung herangezogen bzw. wenn nein warum nicht?

9.    Wann genau wurde dem Antrag auf vorzeitig bedingte Entlassung stattgegeben?

10. Wann wurde Amyn Radwan G. aus der Haft entlassen?

11. In welcher Justizanstalt hat sich Amyn Radwan G. zum Zeitpunkt der Haftentlassung befunden?

12. Welche Kriterien haben schlussendlich zur Entlassung beigetragen?

13. Wer hat über die vorzeitig bedingte Entlassung des Amyn G. entschieden?

14. Wurde Amyn Radwan G. von Bediensteten des BMJ nach seiner Haftentlassung außer Landes gebracht? (Wenn ja, bitte um genaue Schilderung der Vorgehensweise)

15. Wo hat sich der angegebene Wohnsitz von Amyn Radwan G. genau befunden?

16. Wie wurde kontrolliert, ob dieser Wohnsitz tatsächlich vorhanden bzw. gegeben ist?

17. Wurde mit den ausländischen Behörden vor Ort (seines neuen Wohnsitzes) Kontakt aufgenommen? (Wenn ja, bitte um genaue Schilderung der Vorgehensweise, der Kontaktpersonen, etc.)

18. Seit wann befand sich Amyn G. nach derzeitigem Stand der Ermittlungen wieder in Österreich?

19. Wurde geprüft, ob Angehörige von Amyn G. weiterhin wohnhaft in Österreich sind?

20. Ist es richtig, dass die Mutter von Amyn G. (Frau F.) ebenso im Zusammenhang mit Delikten von Amyn G. eine Haftstrafe verbüßt hat? (Wenn ja, wegen welcher Delikte und in welchem Zeitraum)

21. Ist es richtig, dass die Mutter von Amyn G. versucht hat, während eines Spitalsaufenthaltes während seiner Haft, eine Waffe in Besitz von Amyn G. zu "Schmuggeln"? (Wenn ja, bitte um genaue Schilderung des Vorfalles inkl. Datum, Art der Waffe, etc.)

22. Ist es richtig, dass Amyn G. während der Haft mehrmals Bedienstete in Justizanstalten tätlich angegriffen hat? (Wenn ja, bitte um genaue Auflistung der einzelnen Vorfälle)

23. Welche Ordnungsstrafen wurden gegen Amyn G. während seiner Haftzeit ausgesprochen bzw. wann wurde die letzte Ordnungsstrafe gegen Amyn G. ausgesprochen und warum?

24. Ist es richtig, dass der Komplize von Amyn G. beim Einbruch – Gottfried W. – ebenfalls bereits über 30 Jahre in Haft verbracht hat? (Bitte um genaue Aufschlüsselung der "Haftgeschichte" von Gottfried W. inkl. Delikte)

25. Haben Amyn G. und Gottfried W. ihre Haft teilweise gleichzeitig in derselben Justizanstalt verbüßt? (Wenn ja, bitte um genauer Aufschlüsselung der gemeinsamen Hafttage in diversen Justizanstalten)

26. Wann wurde Gottfried W. aus der Haft entlassen?

27. Wurde Gottfried W. ebenso vorzeitig bedingt entlassen? (Wenn ja, unter welchen Auflagen, zu welchem Wohnsitz bzw. bitte um genaue Schilderung des Vorganges rund um dessen Entlassung)

28. War Gottfried W. bereits an einem Ausbruchversuch in einer österreichischen Justizanstalt, einer Geiselnahme, oder Ähnliches beteiligt war? (Wenn ja, bitte um genaue Schilderung der Vorfälle)

29. Wie viele wegen Mordes verurteilte Häftlinge wurden seit dem Jahr 2000 vorzeitig bedingt entlassen? (Bitte um genaue Aufschlüsselung nach Jahr, Staatsbürgerschaft, Strafhöhe lt. Verurteilung nach Jahren und tatsächliche verbüßte Strafhöhe nach Jahren)

30. Wie viele Häftlinge lt. Frage 28 wurden wieder straffällig? (Bitte um genaue Aufschlüsselung nach ursprünglichem Delikt und "Rückfalldelikt")

31. Wie viele Häftlinge lt. Frage 28 wurden analog zu Amyn G. aufgrund eines ausländischen Wohnsitzes ohne Bewährungsauflagen entlassen?

32. Können sie versichern, dass sich alle Häftlinge lt. Frage 30 nach wie vor im Ausland aufhalten?

33. Wie viele wegen Delikten gegen die sexuelle Integrität bzw. Selbstbestimmung oder wegen sexuell motivierten Gewaltdelikten verurteilte Häftlinge wurden seit dem Jahr 2000 vorzeitig bedingt entlassen? (Bitte um genaue Aufschlüsselung nach Jahr, Staatsbürgerschaft, Delikt, Strafhöhe lt. Verurteilung nach Jahren und tatsächliche verbüßte Strafhöhe nach Jahren)

34. Wie viele Häftlinge lt. Frage 32 wurden wieder straffällig? (Bitte um genaue Aufschlüsselung nach Delikt)

35. Wie viele Häftlinge lt. Frage 32 wurden analog zu Amyn G. aufgrund eines ausländischen Wohnsitzes ohne Bewährungsauflagen entlassen?

36. Können sie versichern, dass sich alle Häftlinge lt. Frage 34 nach wie vor im Ausland aufhalten?

37. Werden sie Maßnahmen setzen, um Fälle wie den Fall des Amyn G. künftig zu verhindern und wenn ja, welche?