4360/J XXV. GP

Eingelangt am 25.03.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Ertlschweiger, MSc,

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend „Lies! Stiftung-Österreich“

 

Die Wiener Zeitung brachte am 24.10.2014 in einem Artikel unter dem Titel „Koran oder Höllenfeuer mitten in Wien“ u.a. Nachstehendes:

„Seit 2011 verteilt die "Lies Stiftung" in ganz Europa Korane und verbreitet über diese Aktionen ihre fundamentalistische Ansicht des Islam - auch in Österreich. Ihren Sitz hat sie in Deutschland. Dort wurden schon über 1,4 Millionen Exemplare verteilt. In Österreich gab es alleine seit der Bekehrungsszene in Wien Mitte schön drapierte Stände mit hunderten Koran-Exemplaren in Wiener Neustadt, in Eisenstadt, auf der Wiener Mariahilfer Straße und an diesem Wochenende wieder auf der Landstraßer Hauptstraße.“

Der Artikel lautet weiter:

„Rekrutierungsgefahr "evident"

Der heimische Verfassungsschutz beobachtet die Verteil-Aktion aufmerksam und kennt nach eigenen Angaben die handelnden Personen. „Es ist evident, dass aus einer bloßen Verteilaktion auch ein Bezug zur Rekrutierung für den Dschihad entstehen kann", sagt ein Sprecher. Die Verfassungsschützer rechnen die Lies!-Aktion der salafistischen Szene zu. Der Salafismus in seiner dschihadistischen Ausprägung gilt als Nährboden für islamistischen Extremismus.“ Die deutsche "Welt" berichtete am Wochenende, dass sich von 378 Islamisten, die nach Syrien in den Dschihad gereist sind und deren Biografien der Verfassungsschutz durchleuchtet hat, jeder Fünfte über das "Lies!-Projekt" radikalisiert habe. Die Korankampagne sei einer der wichtigsten "Radikalisierungsfaktoren“.“

Die Internetzeitung 20 Minuten Schweiz bringt am 06.03.2015 unter dem Titel „So gefährlich ist die Koran-Aktion «Lies!“ folgenden Artikel (Auszüge):

„Gemässigte Muslime sind alarmiert. Die Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, Saïda Keller-Messahli, hält die Organisation für «sehr gefährlich». Die Koran-Verteiler präsentierten sich als Pop-Islamisten und als harmlose, freundliche Bärtige in Jeans und T-Shirt. «Jedoch predigen sie eine von ihnen idealisierte Form des Islams der Frühzeit, als Voraussetzung für den von ihnen erstrebten Gottesstaat», sagt Keller-Messahli. Diese Ideologie lege den Boden für den Dschihadismus. Sie sieht einen direkten Zusammenhang zwischen den Verteil-Aktionen und der Radikalisierung: «Die Militanz der Salafisten an Ständen, auf Internetseiten und als Prediger in Moscheen ist die Hauptursache dafür, dass Dutzende Schweizer in Syrien und im Irak für terroristische Gruppen kämpfen.“

Am 14.03.2015 bringt das SRF (Schweizer Radio und Fernsehen) nachstehenden Bericht (Auszüge):

„Lies! Als Einstiegsdroge“

In der Schweiz wecken die Koranverteilungs-Aktion bei den gemässigten Muslimen Unbehagen aus. So bei Valentina Smajli, der Co-Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam. Sie warnt eindringlich. «Lies!» sei eine Einstiegsdroge in einen gewalttätigen Islam: «Sie vertreten eine Ideologie, die sich mit unseren Grundwerten nicht vereinbaren lässt. Smajlis Misstrauen gegenüber die «Lies!»-Aktion ist nicht aus der Luft gegriffen: Der «Lies!» -Aktivisten Hamza beispielsweise, der sich auf seiner Facebook-Seite beim Koran-Verteilen in Zürich zeigt, verherrlicht dort auch das Massaker von Paris: «In Frankreich wurden nicht alle getötet, die es verdient haben. Auf die Ausstrahlung der Islam-«Arena» am 23. Januar reagierte Hamza auf Facebook ausserdem mit einem Hassaufruf gegen fortschrittliche Musliminnen wie Saida Keller-Messahli: Der religiöse Führer Kalif Umar hätte ihnen den Kopf abgehackt für diese Worte und dieses Aussehen - Abtrünnige, Heuchler.“

Am 15.03.erklärt der deutsche Verfassungsschützer Herbert Müller gegenüber der DPA (Deutsche Presseagentur) u.a. folgendes:

„Ohne Zweifel ist zu sagen, dass diese „Lies!“-Stände eine Art Kontaktbörse darstellen. Über die Verbindungen und Netzwerke, die an den Ständen vermittelt werden, kommen Menschen auch mit solchen in Kontakt, die in Syrien aktiv sind. Es gibt zahlreiche Fälle, nach denen sich junge Menschen dann in Syrien eingebracht haben. Sicher ist, dass über „Lies!“ sich niemand dazu bewogen fühlt, sich der säkularen Opposition gegen Baschar al-Assad anzuschließen. Nach unserer Erfahrung schließen sich solche Menschen eher dem El-Kaida-Ableger Jabhat al-Nusra oder sogar dem Islamischen Staat an.“

Weiters erläutert Müller gegenüber der DPA, dass „es mit wichtiger wäre, wenn man die Repräsentanten dieser „Lies!“-Aktion genauer unter die Lupe nimmt. Und das andere wäre eine nachhaltige Auseinandersetzung, in die auch islamische Verbände einbezogen gehören. Sie sollen sich gegen den politischen Islam und den Salafismus zu positionieren. Da darf es nicht bei einem Bekenntnis gegen Gewalt und Demokratiefeindlichkeit bleiben, da müssen nachhaltige Taten folgen. Das fehlt mir.

In einer Anfragebeantwortung vom 09.01.2015[1] teilt die Frau Innenminister mit, dass die „Lies! Stiftung“ nicht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehe.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an die Frau Bundesminister für Inneres nachstehende

 

Anfrage

 

1)     Wurden bzw. werden von Seiten Ihres Ressorts bzw. im Auftrag Ihres Ressorts Datensammlungen mit Bezug auf die o.a. „Lies! Stiftungen“ vorgenommen?

a)     Wenn ja, welche Überlegungen bzw. welche Fakten- und Informationslage waren dafür die Veranlassung?

b)     Wenn nein, warum nicht?

2)     Sind Ihnen in Österreich für die „Lies! Stiftung“ tätige Personen bekannt, die in Zusammenhang mit der Rekrutierung von so genannten „Syrienkämpfern“ oder anderen potentiellen Kombattanten stehen?

a)     Wenn ja, welchen Handlungsbedarf leiten Sie daraus für Ihr Ressort ab und was haben Sie bis dato unternommen, um diesem Umstand aktiv zu begegnen?

3)     Wurden gegen die „Lies! Stiftung“ Anzeige erstattet?

a)     Wenn ja, wie viele Anzeigen wurden erstattet und welche konkreten Delikte wurden angezeigt?

4)     Wurden bzw. werden von Seiten Ihres Ressorts Informationen aus anderen Staaten eingeholt, die geeignet sind, ein etwaiges von der „Lies! Stiftung“ ausgehendes Gefahrenpotenzial einschätzen zu können?

a)     Wenn ja, mit welchen Staaten stehen Sie in Kontakt und welche Informationen haben Sie bis dato erhalten?

b)     Wenn nein, warum nicht?

5)     Ist Ihnen bekannt, unter welcher Rechtsform die „Lies! Stiftung“ in Österreich auftritt?

6)     Gilt die „Lies! Stiftung“ als Teil einer anerkannten Religionsgemeinschaft in Österreich?

7)     Ist Ihnen bzw. Ihrem Ressort bekannt, aus welchen Finanzmitteln die „Lies! Stiftung-Österreich“ ihren Aufwand bestreitet?

a)     Wenn ja, welche Finanzierungsquellen sind dies konkret und fallen darunter auch solche, die außerhalb der Europäischen Union liegen?

8)     Haben Sie betreffend die Finanzierung der „Lies! Stiftung“ Kontakt mit dem BMF aufgenommen?

a)     Wenn ja, welche konkreten Informationen konnten Sie daraus bis dato gewinnen?

b)     Wenn nein, warum nicht?

9)     Der in Deutschland tätige salafistische Prediger, Ibrahim Abou-Nagie, gründete am 24. September 2014 eine Lies! GmbH in Köln[2]. Sind Ihnen solche Unternehmensgründungen in Österreich bekannt?

a)     Wenn ja, welche sind das konkret, wo sind sie angesiedelt und wann wurden sie gegründet?

i)      Welchen Handlungsbedarf leiten Sie für sich und Ressort daraus ab?

10)  Ist Ihnen bekannt, ob Ibrahim Abou-Nagie in Österreich aufhältig war oder es derzeit ist?

a)     Wenn ja, welchen Handlungsbedarf haben Sie daraus abgeleitet und was wurde konkret von Ihrem Ressort unternommen?

11)  Wie o.a. hält der deutsche Verfassungsschützer Herbert Müller die „Lies! Stiftung“ für eine potenzielle „Kontaktbörse“ mit dem Ziel junge Männer für den Kampf in Syrien anzuwerben. Teilen Sie diese Meinung?

a)     Wenn ja, welchen Handlungsbedarf leiten Sie daraus ab und welche konkreten Veranlassungen haben Sie diesbezüglich getroffen?

b)     Wenn nein, warum nicht?

12)  In der o.a. Anfragebeantwortung vom 09.01.2015  teilten Sie mit, dass die „Lies! Stiftung“ nicht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehe. Die Wiener Zeitung schreibt jedoch wie o.a., dass die „Lies! Stiftung“ unter Beobachtung stehe. Steht die Stiftung nun unter Beobachtung des Verfassungsschutzes?

a)     Wenn ja, seit wann ist der Verfassungsschutz in dieser Causa aktiv?

i)      Welche Ergebnisse erbrachte die Beobachtung bis dato?

b)     Wenn nein, warum nicht?

 



[1] 2873/AB zu 3045/J (XXV.GP)

[2] Wikipedia