4392/J XXV. GP

Eingelangt am 26.03.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

 

DRINGLICHE ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Peter Pilz, Freundinnen und Freunde

 

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

 

betreffend Polizeigewalt

 

BEGRÜNDUNG

 

 

„Wir bedauern diesen Vorfall außerordentlich und wir werden auch alles daran setzen, solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden“. Und: „Wir werden alles daran setzen, um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden, auch in Zusammenarbeit mit den zuständigen Polizeibehörden.“

 

Das erklärte Maria-Luise Nittel, die Leiterin der zuständigen Staatsanwaltschaft Wien, im Ö1-Mittagsjournal zum Fall der Wiener Unternehmerin, die eine Misshandlung durch PolizistInnen in der Silvesternacht bei einer Wiener Tankstelle behauptet und dazu Beweismaterial vorgelegt hatte.

 

Während VertreterInnen der Staatsanwaltschaft und des Justizministeriums nach einem Bericht im „Falter“ Fehler eingestehen und damit Verbesserungen ermöglichen, hört man aus dem Innenministerium kein Wort des Bedauerns. Die Antwort auf Gewaltvorwürfe lautet immer gleich: 

 

1.    „Die österreichische Polizei ist die größte Menschenrechtsorganisation des Landes.“

2.    „Ich lasse nicht zu, dass die gesamte Polizei unter Generalverdacht gestellt wird.“

Es ist unbestritten, dass eine große Mehrheit der Beamten und Beamtinnen ihren Dienst ebenso gewissenhaft wie gesetzeskonform versehen. Daher stellt auch niemand die Polizei unter einen Generalverdacht. Aber genauso gilt auch, dass eine Menschenrechtsorganisation niemandem, der Menschenrechte im Schutz der Uniform verletzt, Platz bietet.


Die Fälle

 

Insbesondere in Wien häufen sich die Fälle, in denen Menschen zu Opfern von Polizeiübergriffen werden.

 

Obwohl in den meisten dieser Fälle die Beweislage die Tatversion der Polizeiopfer stützt, haben die uniformierten Tatverdächtigen wenig zu befürchten.

 

Die im Folgenden genannten Beispielfälle wurden teilweise schon rechtskräftig gerichtlich erledigt, teilweise sind Verfahren noch anhängig. Nie ist es dabei zur Anklage oder gar einer Verurteilung der handelnden ExekutivbeamtInnen gekommen. Die Aussagen der Betroffenen erscheinen jedoch glaubwürdig und werden teilweise durch erlittene Verletzungen, medizinische Befunde, Sachbeweise wie Videos und Zeugenaussagen gestützt.

 

1.    Der Fall „Silvester an der Tankstelle“

 

Der „Falter“ berichtet in seiner Ausgabe vom 10.3.2015 über schwere Anschuldigungen gegen die Wiener Polizei. Eine Wiener Unternehmerin erlitt bei einer offenbar mit überschießender Gewalt durchgeführten und nach vorliegenden Videoaufnahmen noch dazu unbegründeten Festnahme in der Silvesternacht einen Steißbeinbruch und weitere Verletzungen. Sie musste nach ihrer Schilderung mehr als 20 Minuten auf dem kalten Betonboden einer Tankstelle liegen bzw. knien, wurde von PolizeibeamtInnen vulgär beschimpft und stundenlang in einer Zelle eingesperrt, ohne dass ihr Zugang zu einem Rechtsanwalt oder Arzt gewährt wurde.

 

Der zuständige Staatsanwalt stellte jedoch das Verfahren gegen die verdächtigen Polizisten rasch ein, während gegen die Betroffene eine Anklage wegen Verleumdung und Widerstand gegen die Staatsgewalt eingebracht wurde.

 

Erstmalig in der jüngeren Vergangenheit ist hier durch das von der Betroffenen selbst beigeschaffte Überwachungsvideo der Tankstelle belegt, dass die Vorwürfe, die von den PolizeibeamtInnen gegen die Unternehmerin erhoben wurden und von der Staatsanwaltschaft in die Anklage übernommen wurden, unrichtig sind.

 

Wenn seitens des Vizepräsidenten der Wiener Landespolizeidirektion, Karl Mahrer, gegenüber Medien gesagt wurde, dass sich aus dem Video selbst „keinerlei Hinweis auf eine Misshandlung“ ergebe (Kurier 13.3.2015),  dann verkennt er die Relevanz des Umstandes, dass sich aus dem Video sehr wohl ergibt, dass die Polizei falsche Anschuldigungen gegen die Betroffene zur Anzeige gebracht hat. Denn wie der Falter berichtete, sei die Betroffene laut polizeilicher Anzeige vom 1.1.2015 aggressiv geworden und habe zwei Polizistinnen attackiert, und „mit ihrer rechten Faust mit voller Wucht gezielt in Richtung des Gesichts von Inspektor R.“

 

Diese Behauptungen sind durch das Video widerlegt. Das begründet den Verdacht der Verleumdung zu Lasten der Betroffenen, was im Fall von Polizisten auch einen Amtsmissbrauch darstellen kann.


2.    Der Fall „Silvesterpfad in Wien“

Die ORF Sendung Thema berichtete am 9.3.2015 über Misshandlungsvorwürfe, die von drei Brüdern gegen die Wiener Polizei erhoben wurden. Nachdem ihr Vater in der Silvesternacht von anderen Personen attackiert worden war, wurden von der Polizei die drei Brüder überwältigt, festgenommen und beschimpft („Wichser“, „Halt die Goschen“).

 

Der Älteste der drei wurde am Boden fixiert, und auch nach Anlegung der Handfesseln immer noch am Boden liegend mit Fäusten in den Oberkörper geschlagen. Ein Beamter kniete auf seinem Nacken, so dass er schmerzhafte Verletzungen davontrug. Auf der Polizeiinspektion Deutschmeisterplatz musste er sich entkleiden, seine Religion wurde beleidigt und er wurde stundenlang festgehalten, obwohl er über starke Schmerzen und Atemnot klagte.

 

Dem folgte eine Anzeige gegen die Opfer wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt. Die Schilderung der Ereignisse in den polizeilichen Darstellungen ist in sich in vielerlei Hinsicht widersprüchlich und stimmt nicht mit dem von Betroffenen berichteten Geschehen, das auch von einer Reihe von ZeugInnen beobachtet wurde, überein. Das Verfahren wurde wegen der Einbringung einer Maßnahmenbeschwerde vorerst unterbrochen.

 

Als der älteste Bruder in weiterer Folge bei der Polizeiinspektion Keplerplatz eine Diebstahlsanzeige wegen seiner Tasche einbringen wollte und dabei auf Nachfrage nach seiner Halskrause auf den Vorfall Bezug nahm, wurde er durch einen Polizeibeamten in zivil massiv eingeschüchtert, und zwar sinngemäß, wenn der Kommandant am Stephansplatz dabei gewesen wäre, hätte er ihm den Kopf abgerissen und er wäre zwei Wochen im Krankenhaus gelegen.

 

Aufgrund dieser Einschüchterungsversuche war der Betroffene bisher nicht bereit, vor weiteren Angehörigen der Bundespolizei auszusagen und möchte nur vor einem unabhängigen Gericht eine Aussage machen.

 

 

3.    Der Fall „Partyschiff“

Insgesamt drei Personen wurden im Herbst 2013 nach einer Anzeige wegen Ruhestörung bei einer Veranstaltung verhaftet und dabei sowie danach auf der PI Deutschmeisterplatz geschlagen, stundenlang in Unterwäsche eingesperrt, ohne ein WC aufsuchen zu können, und vulgär beschimpft.

 

Das Strafverfahren gegen die BeamtInnen wurde eingestellt, während zwei Personen wegen Verleumdung und Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt und schließlich am 5.3.2015 trotz zahlreicher Widersprüche in den Zeugenaussagen von PolizeibeamtInnen nicht rechtskräftig verurteilt wurden.

 

Ein Zeuge berichtet, dass zwei Personen bereits verhaftet waren und von der Polizei grob behandelt wurden. Er blieb in der Nähe, um das zu beobachten. Plötzlich wurde er grundlos von der Polizei aus der Reihe der Zuseher herausgepickt, und ebenfalls zu Boden gerungen und mit Handschellen gefesselt.

 

Er berichtet weiter, dass das gesamte Vorgehen der Polizei mit besonderer Brutalität erfolgt sei. Man habe ihm mit Fuß oder Knie auch in die Niere oder den Magen getreten, offenbar gezielt an Stellen, wo man keine Verletzungen sieht. Er wurde dann auch aufs Kommissariat Deutschmeisterplatz gebracht und dort zunächst für ca. 1-2 Stunden in eine Zelle gesperrt. Davor wurde er bis auf die Unterhose ausgezogen, und durfte sich nicht wieder anziehen. Er bekam weder Wasser, noch konnte er aufs Klo gehen.  Er trommelte an die Tür und rief, bis irgendwann ein Polizist die Tür öffnete und ihm einen Tritt gab. Er wurde auch beschimpft, (Halt die Goschn Depperta, …). Danach kam er in die „Gummizelle“, wo er weitere 6-7 Stunden festgehalten wurde. Beim Transport dorthin wurde er wieder geschlagen und getreten. Er durfte auch dort nichts trinken oder aufs Klo gehen, so dass er letztlich sogar in die Zelle urinieren musste.

 

4.    Der Fall „Austria-Meisterschaftsfeier“

Im Mai 2013 wurde bei der Meisterfeier der Austria am Rathausplatz nach einem Streit der eigentliche Streitschlichter von der Polizei verhaftet. Zwei Ehepaare, die den Irrtum aufklären wollten, fuhren zur PI Deutschmeisterplatz. Von einem Beamten wurden sie mit den Worten „Ihr Hurenkinder, es Woamen, schleichts eich. Seits froh, dass ma ned in Amerika san, weil sonst tät i eich jetzt alle erschießen“ massiv beschimpft. Später wurde einer von ihnen am Weg zum Taxistandplatz verfolgt, verhaftet und stundenlang eingesperrt.

 

Auf der PI durfte er längere Zeit nicht aufs WC, obwohl er darauf hinwies, dass er aufgrund einer Erkrankung dadurch Schmerzen hatte. Nach ca. 1,5 Stunden wurde er entlassen und es wurde ihm gesagt, dass er angezeigt werde. Später erhielt er eine Strafverfügung, in der ihm u.a. vorgeworfen wurde, dass er Beamte geduzt und damit den öffentlichen Anstand verletzt hätten hätte.

 

Auch über einige andere der anwesenden Personen wurden Verwaltungsstrafen verhängt. Wie auch im Partyschiff-Fall wurde behauptet, die Betroffenen hätten mit Bierdosen geworfen und „ACAB“ gerufen. Als das Büro für besondere Ermittlungen eine Einvernahme wegen der erhobenen Beschwerde gegen das Vorgehen der Polizei machte, wurde Druck ausgeübt, die Beschwerde zurückzuziehen (Androhung von Anzeigen wg. Verleumdung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Schwierigkeiten im Beruf usw.).

 

5.    Der Fall „Amtshandlung am Praterstern“

In einem weiteren Fall wurde im Jänner 2015 ein Mann, der eine polizeiliche Amtshandlung gegen einen Obdachlosen – die selbst auch überschießend und demütigend erfolgt sein dürfte – aus einiger Entfernung beobachtete, ebenfalls polizeilich kontrolliert und festgenommen. Man brachte ihn auf die Polizeiinspektion Lasallestraße, wo er schwer verletzt wurde. Später wurde er in die PI Pappenheimstraße überstellt.

 

Es gelang ihm, eine Bekannte zu Hilfe rufen, die dort hinkam. Der freundliche Beamte meinte ihr gegenüber: “Eigentlich hat er nichts gemacht, wissen Sie, die Jungen können halt nicht umgehen mit solchen Fällen. Ich wundere mich überhaupt, wer eingesperrt wird und wer nach Hause geht.“

 

Als das Polizeiopfer später entlassen wurde, war seine linke Wange bis über das Auge geschwollen und blau, aus dem Ohr rann Blut, er war übersät mit Hämatomen am ganzen Körper. Aus Angst lehnte er zunächst eine ärztliche Behandlung ab, die aber einige Tage später unvermeidlich wurde. Es stellte sich heraus, dass er durch die Amtshandlung einen Trommelfellriss erlitten hatte, der operiert werden musste.

 

Der Betroffene ist so eingeschüchtert und traumatisiert, dass er bisher zu viel Angst vor einer polizeilichen Einvernahme zu den Vorfällen hatte.

 

Dennoch wurde er u.a. bereits wegen angeblicher Körperverletzung eines Polizisten und Widerstands gegen die Staatsgewalt angeklagt.

 

6.    Der Fall „Knochenbrüche nach Führerscheinkontrolle“

Im Falter 39/13 wurde ein Fall berichtet, bei dem jemand einen Bruch des linken Oberarms, Verrenkungsbruch des linken Mittelfußes und Serienrippenbrüche linksseitig erlitt. Möglicherweise wird eine Armprothese erforderlich werden. Das Opfer ist seit dem Vorfall schwer traumatisiert.

 

Der Betroffene  wurde wegen Haltens im Halteverbot kontrolliert, hatte keinen Führerschein und wurde auf das Polizeiwachzimmer Ausstellungsstraße gebracht. Dort wurde er plötzlich zu Boden geworfen, gewürgt und dadurch ohnmächtig. Als er aufwachte hatte er starke Schmerzen. Er wurde dann aber nicht ins Spital gebracht, sondern in den Arrest der Inspektion Pappenheimgasse, wo ihn eine Amtsärztin trotz der Knochenbrüche für haftfähig erklärte.

 

Mittlerweile hat das Landesverwaltungsgericht Wien festgestellt, dass es hier zu einer unangemessenen Gewaltanwendung kam. Wie in Erfahrung gebracht werden konnte, wurde das Strafverfahren gegen die BeamtInnen dennoch eingestellt.

 

7.    Der Fall „Z.“

Im Jahr 2011 wurde ein Mann nach Beschwerden wegen Ruhestörung bei einer Party verhaftet, in der PI Deutschmeisterplatz stundenlang nackt eingesperrt und schwer beschimpft. Obwohl er Diabetiker war, wurde ihm der Zugang zu seinen Medikamenten verweigert, so dass ein lebensgefährlicher Zuckerwert von 580 mg/dl erreicht wurde.

Letztlich wurde Z. wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt verurteilt.

 

8.    Der Fall „XY“

Per Mail wurde ein weiterer Fall geschildert, bei dem jemand – weil er angeblich einen Plastikteil an einem Punschstand abgebrochen hatte – auf der PI Deutschmeisterplatz 6 Stunden ohne Zugang zu Wasser oder WC eingesperrt wurde; schließlich verweigerte man ihm sogar das Klopapier.

 

 

9.    Der Fall des Studenten lt. ORF Thema  im Herbst 2013

Ein Student wurde nach Verhaftung durch Beamte der PI Deutschmeisterplatz blutend und schwer traumatisiert von seiner Familie aufgefunden. Er wurde wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt verurteilt und bedarf seit damals psychiatrischer Behandlung.

 

10. Der Fall „Taxi-Fahrer“ lt. ORF-Thema

Eine weitere Frau wurde lt. ORF-Thema nach einer Beschwerde über einen Taxifahrer ebenfalls von der Polizei schwer beschimpft und inhaftiert.

 

11. Der Fall des Bregenzer Studenten

Im Oktober 2014 wurde der Bregenzer Student Jeremy-James P. in Wien im Zuge einer Amtshandlung, an der er nicht beteiligt war, verhaftet. Auch er berichtete gegenüber Medien davon, beschimpft, an den Haaren gezogen und geschlagen worden zu sein. Er wurde sieben Stunden eingesperrt und musste nach einem Zusammenbruch mit der Rettung ins Spital gebracht werden.

 

12. Der Fall „Akademiker-Ball-Demonstrant“

Zu erwähnen ist weiters jener Demonstrant gegen den Akademiker-Ball 2014, der am 18.2.2015 im Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen wurde. Auch hier hatte die Polizei behauptet, der Beschuldigte hätte mit einer Fahnenstange Polizisten attackiert. Zahlreiche andere Zeugen bestritten das, und die angebliche Tatwaffe wurde nicht sichergestellt. Der Beschuldigte war auch mehrere Monate nach der Verhaftung noch so schwer verletzt, dass er nur mit Krücken in den Gerichtssaal kommen konnte. 

 

 

Deutschmeisterplatz

 

Eine besondere Häufung von Vorfällen ist auf der Polizeiinspektion Deutschmeisterplatz in Wien festzustellen. Von insgesamt 14 Personen, über die Informationen im Zusammenhang mit der PI Deutschmeisterplatz vorliegen,

 

-          wurden 9 Personen von PolizeibeamtInnen beschimpft, wobei die Personen unabhängig voneinander die Benutzung derselben Schimpfwörter berichteten (insb. „Hurenkinder“, „Schleichts euch“...)

-          berichteten 6 Personen geschlagen worden zu seien, wobei seitens der Polizisten darauf geachtet worden sei, dass dies möglichst keine Spuren hinterlasse (d.h. Tritte und Schläge in Weichteile)

-          wurden 6 Personen stundenlang ohne nähere Begründung eingesperrt und durften dabei nicht die Toilette und erhielten auch kein Wasser. Einer Person wurde, als sie später doch aufs Klo durfte, die Verwendung von Toilettenpapier verweigert.

-          wurde einem Diabetiker stundenlang die Einnahme seiner Medikamente verweigert, so dass ein lebensgefährlicher Zuckerwert erreicht wurde.

-          berichteten 5 dieser Personen dabei in der Zelle nackt oder nur mit Unterwäsche eingesperrt worden zu sein.

-          wurde in drei Fällen teils unabhängig voneinander berichtet, dass seitens der Polizei nachträglich Vorwürfe zur Rechtfertigung konstruiert worden seien, wie insb. dass sie Bierdosen geworfen hätten und den Begriff „ACAB“ (All cops are bastards) verwendet hätten.

 

Die fehlenden Konsequenzen

 

In einem Rechtsstaat ist es selbstverständlich, dass es zur vollen Aufklärung solcher Vorfälle kommt und eine Bestrafung der TäterInnen erfolgt. Das ist jedoch in Österreich in der Regel nicht der Fall.


Im Gegensatz zum Justizministerium wurden vom Innenministerium bisher auch keine „Fehler“ eingestanden oder gar bedauert. Stattdessen wird den Opfern die Schuld gegeben. Der eigenen Beamtenschaft wird damit signalisiert: Gewalt gegen BürgerInnen bleibt ohne Konsequenzen.

 

So erklärte etwa der Vizepräsident der Landespolizeidirektion Wien, Karl Mahrer, gegenüber den Medien:

 

"Die Verletzung einer Person in einer Situation, in der ein Betroffener mit einem Polizisten in eine körperliche Auseinandersetzung kommt, bedeutet nicht automatisch, dass die Polizei rechtswidrig gehandelt hat, sondern oft das Gegenteil." (Kurier, 13.3.2015)

 

Körperverletzungen werden somit also anscheinend als das rechtskonforme Ergebnis polizeilicher Amtshandlungen betrachtet.

 

Auch eine Aussage des Sprechers der Wiener Polizei, Johannes Golob, dazu ist bemerkenswert:

 

Johann Golob, Sprecher der Wiener Polizei, sagte, dass es unabhängig von diesem Fall "ja doch meistens Beschuldigte sind", die solche Vorwürfe erheben würden, weil sie "strafbarer Handlungen verdächtig" seien. "Und das muss natürlich schon genau hinterfragt werden." (APA, 11.3.2015)

 

Diese Haltung steht in klarem Widerspruch zu den Menschenrechten, und auch zu den Verpflichtungen, die Österreich nach Art 13 der UNO-Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe treffen:

Artikel 13

Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, dass jeder, der behauptet, er sei in einem der Hoheitsgewalt des betreffenden Staates unterstehenden Gebiet gefoltert worden, das Recht auf Anrufung der zuständigen Behörden und auf umgehende unparteiische Prüfung seines Falles durch diese Behörden hat. Es sind Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass der Beschwerdeführer und die ZeugInnen vor jeder Misshandlung oder Einschüchterung wegen ihrer Beschwerde oder ihrer Aussagen geschützt sind.

Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Österreich gegen Ribitsch aus dem Jahr 1995 ist klargestellt, dass der Staat die Herkunft von Verletzungen beweisen muss, die während einer Anhaltung auftreten. Dieses Prinzip wird in Österreich nach wie vor nicht befolgt.

 

Wie Sie bzw. der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit in der Sitzung des Innenausschusses am 19.3.2015 ausführten, werden zwar sämtliche Fälle, in denen Personen in Polizeigewahrsam Verletzungen erleiden, innerhalb von 24 Stunden der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht. Dennoch zeigen die Fallzahlen, die im jährlichen Sicherheitsbericht veröffentlicht werden, dass die strafrechtliche Verfolgung gewalttätiger ExekutivbeamtInnen offenbar nicht verlässlich funktioniert.

 

So gab es 2013 bei 546 von den Staatsanwaltschaften behandelten Fällen von Verletzungen nach Amtshandlungen in lediglich 4 Fällen eine Anklage gegen Exekutivbeamte, und nur in 2 Fällen einen Schuldspruch. In den Jahren 2011 und 2012 gab es bei je über 600 Fällen sogar überhaupt keine Anklagen. (In der Gesamtzahl sind dabei auch Bagatellfälle enthalten.) Wie die ORF-Sendung Thema berichtete, gab es allein in Wien im Jahr 2014 250 Misshandlungsvorwürfe, aber keine einzige Verurteilung.

 

Wie sich bei den oben dargestellten Fällen zeigt, handelt es sich dabei durchgehend um Personen aus der Mitte der Gesellschaft, die mit der Polizei sonst üblicherweise nicht in Kontakt kommen, und daher noch nicht „gelernt“ haben, dass man Misshandlungsvorwürfe gegen die Exekutive wegen der katastrophalen rechtlichen Aussichten gar nicht erst erheben sollte, so berechtigt sie auch sein mögen.

 

Es ist nicht lebensnah, anzunehmen, dass eine derart große Zahl verletzter Personen in fast allen Fällen zu Unrecht Misshandlungsvorwürfe erheben. Vielmehr ist es naheliegend, dass eine Reihe von Umständen dazu führen, dass fast immer in solchen Fällen die Strafverfahren gegen ExekutivbeamtInnen eingestellt werden, während deutlich häufiger gegen die verletzten Personen Anklage wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung gegen Beamte oder Verleumdung erhoben wird.

 

Worin genau diese Umstände liegen, wird durch diese Anfrage, aber auch durch nähere Untersuchungen in weiterer Folge aufzuklären sein. Nach den Schilderungen der Betroffenen kommen vorderhand in Betracht:

 

-          Die erste Darstellung der Vorkommnisse erfolgt durch jene ExekutivbeamtInnen, die an der Amtshandlung unmittelbar beteiligt waren. Sofern die betroffene Person bei der Amtshandlung verletzt wurde, besteht naturgemäß ein Eigenschutzinteresse der PolizistInnen.

 

-          Auffällig ist, dass häufig in diesen Protokollen die Schilderungen der PolizistInnen ergänzt werden durch komplexe juristische Begründungen für das Vorgehen. Es gibt also offenbar polizeiinterne Unterstützung von qualifizierter Stelle, Sachverhalte so darzustellen, dass eine spätere Strafverfolgung wegen unangemessenen Verhaltens unwahrscheinlich wird.

 

-          Sobald der Sachverhalt in dieser Form verschriftlicht ist, besteht eine Hemmschwelle für KollegInnen, dieser Darstellung zu widersprechen.

 

-          Das wird verstärkt durch einen in der Polizei weit verbreiteten, falsch verstandenen Korpsgeist.

 

-          Die Polizeispitze fördert diesen Korpsgeist durch ihre unkritischen öffentlichen Stellungnahmen und das dienstrechtliche Verhalten. Immer wieder kommt es vor, dass BeamtInnen, die Missstände aufzeigen wollen, berufliche Nachteile wie Strafversetzungen erleiden.  So zuletzt etwa geschehen in Graz betreffend mutmaßlich illegaler Überwachungsmaßnahmen.

 

-          Sofern es zur Einvernahme von betroffenen Personen über erlittene Misshandlungen kommt, müssen diese zumindest mit im Gegenzug erhobenen Verleumdungsvorwürfen rechnen. Das wird sowohl von den ermittelnden Beamten (etwa des Büros für besondere Ermittlungen in Wien) ganz offen dazugesagt, als auch etwa von Teilen der Polizeigewerkschaft aktiv betrieben, die gewaltverdächtigen PolizistInnen insofern rechtliche Unterstützung zukommen lassen.

 

-          Das Tragische ist: diese Warnung erfolgt zu Recht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Betroffener wegen Verleumdung angeklagt und verurteilt wird, ist weit höher, als dass das gewalttätige Exekutivorgan zur Verantwortung gezogen wird.

 

-          Schließlich entspricht es der gängigen Praxis vor österreichischen Staatsanwaltschaften und Gerichten, dass den Aussagen von PolizeibeamtInnen erhöhte Beweiskraft zugemessen wird, zumal wenn diese übereinstimmen – was aus den obigen Gründen häufig der Fall ist. Es handelt sich zwar um keinen Automatismus, und schon gar nicht um eine gesetzliche Vorgabe. Dennoch ist dieser Umstand jedem, der mit Strafprozessen in Österreich zu tun hat, bekannt.

 

-          Darüber hinaus besteht in Österreich keine wirklich unabhängige Stelle zur Ermittlung in Fällen vorgeworfener Polizeigewalt. Dies obwohl das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe des Europarats dazu Österreich in seinem Bericht 2009 empfahl:

Das CPT möchte betonen, dass zur wirksamen Ermittlung über Vorwürfe polizeilicher Misshandlung  das  entsprechende  Verfahren  aus  der  Sicht  aller  unabhängig  und  unparteiisch  ablaufen muss. Daher sollten die entsprechenden Ermittlungen einer Stelle anvertraut werden, die völlig unabhängig von der Polizei agiert.

 

Um diesen Beweisproblemen zu begegnen, wurden seitens des BMJ und des BMI spezielle Anti-Folter-Erlässe herausgegeben. So sieht etwa der Erlass des BMJ vor, dass bei schwierigen Beweislagen – und diese bestehen in solchen Fällen aufgrund der widersprechenden Aussagen eigentlich immer – der zuständige Staatsanwalt sich persönlich an den Einvernahmen beteiligen sollte. Das wäre insofern besonders wichtig, als dadurch die Einschätzung der Glaubwürdigkeit der erhobenen Vorwürfe viel eher möglich ist, als nur bei Kenntnis der verschriftlichten Polizeischilderung und eines Vernehmungsprotokolls, das möglicherweise noch im Arrest unmittelbar nach der Gewaltanwendung von der Polizei verfasst worden ist. Weiters wären umgehend medizinische Sachverständigengutachten über erlittene Verletzungen einzuholen, und die Erhebung von Verleumdungsvorwürfen gegen Betroffene sollte erst nach vollständiger Aufklärung der Vorfälle in Betracht gezogen werden, wobei insbesondere auch Restzweifel an den Aussagen der PolizeibeamtInnen zu berücksichtigen wären

 

Wie sich an den oben geschilderten Fällen gezeigt hat, werden diese Vorgaben aber leider oft nicht oder nicht vollständig eingehalten. Das hat etwa im „Tankstellen-Fall“ der zuständige Sektionschef des BMJ und die Leiterin der zuständigen Staatsanwaltschaft auch zugestanden und bedauert.

 

Ein derartiges Fehlereingeständnis samt ernsthafter Ansätze zur Verbesserung hat Ihr Ressort bisher leider vermissen lassen.


Korpsgeist

 

Im Regelfall werden BeamtInnen, die selbst nicht an Missständen beteiligt sind, zu Zeugen derselben. In seltenen Fällen machen diese BeamtInnen ihre vorgesetzte Dienstelle bzw. das BMI auf diesen Missstand aufmerksam.

 

Die Folge ist meist dieselbe: Die Hinweisgeber werden bestraft, diejenigen, die für den Missstand verantwortlich sind, bleiben unbehelligt.

 

Genau das ist vor kurzem im Fall „Peilsender“ in der Steiermark geschehen.

 

Der Standard berichtet über den Fall von fünf Beamten, die sich an das .BAK wandten:

„Das Anbringen von Peilsendern an Autos von Verdächtigen soll manchmal ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft erfolgt sein. Daten von Observationen sollen länger gespeichert werden, als das erlaubt ist. Die Mitwirkung eines Privatdetektivs an polizeilichen Ermittlungen, als sei dieser selbst Teil der Polizei, soll schon fast "normal" gewesen sein. Immer wieder habe man dabei die Grenzen, die das Sicherheitspolizeigesetz Beamten setzt - auch um Bürgerrechte zu schützen -, überschritten.

All das soll in den Jahren 2013 und 2014 von einem Teil der Grazer Polizei systematisch betrieben worden sein. Alarm geschlagen wurde intern beim Bundesamt für Korruptionsprävention.

Doch jene Beamte, die Unregelmäßigkeiten aufzeigen wollten, weil sie bei ihren Vorgesetzten nicht gehört worden waren, wurden alle versetzt - einer der Beschuldigten hingegen gleichsam befördert.“ (Der Standard, 18.3.2015)

In der Folge wurde den BeamtInnen ihre Zuteilung entzogen und ihr Zugang zu ihren Computern und Daten gesperrt.

 

Auf diese Art wird BeamtInnen eindrücklich klar gemacht, dass der Verstoß gegen den Korpsgeist und nicht die Verfehlung verfolgt und sanktioniert wird. Damit wird ein Klima der Angst geschaffen, dass die TäterInnen in Unform schützt.

 

All das führt zu einem Eindruck: Nach Polizeiübergriffen werden die Opfer zu Tätern und die Täter zu Opfern; und beim Versuch, intern Missstände zu bekämpfen, werden die Zeugen zu Opfern.

 

Letztlich werden damit auch alle Beamten und Beamtinnen der Polizei zu Opfern, weil sie die wichtigste Grundlage für ihre schwierige Arbeit verlieren: das uneingeschränkte Vertrauen der Bevölkerung.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 


 

DRINGLICHE  ANFRAGE

 

1)    Welche Personen haben nach den bestehenden Dienstvorschriften und Erlässen des Innenministeriums die erste schriftliche Aufzeichnung des Sachverhaltes von Vorfällen zu verfassen, in denen Personen verletzt wurden?

2)    Ist es nach den bestehenden Dienstvorschriften und Erlässen des Innenministeriums zulässig, dass an dieser ersten schriftlichen Erfassung auch BeamtInnen beteiligt sind, welche bei der Amtshandlung unmittelbar beteiligt waren und daher im Verdacht stehen, selbst Gewalt ausgeübt zu haben?

3)    Ist es nach den bestehenden Dienstvorschriften und Erlässen des Innenministeriums zulässig, dass die Ersteinvernahme von festgenommenen Personen durch eben jene BeamtInnen erfolgt, welche die Festnahme durchgeführt haben, oder dass diese bei der Einvernahme zumindest anwesend sind?

4)    Falls nein: Durch welche Vorkehrungen wird sichergestellt, dass jene BeamtInnen, die für eingetretene Verletzungen von festgenommenen Personen möglicherweise verantwortlich sind, keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der schriftlichen Darstellung des Sachverhaltes und die Formulierung von Einvernahmeprotokollen nehmen können?

5)    Gibt es für die Verfassung von Sachverhaltsdarstellungen und Einvernahmeprotokollen Sonderregeln für den Fall, dass eine Person im Rahmen der polizeilichen Amtshandlung Verletzungen erlitten hat?

6)    Welche Personen in der Dienststruktur der Polizei sind für die Ausgestaltung der rechtlichen Begründung der gewählten polizeilichen Handlungsweisen in derartigen schriftlichen Darstellungen verantwortlich?

7)    Inwiefern sind diese Personen darauf geschult, das polizeiliche Verhalten nicht in einem möglichst günstigen Licht darzustellen, sondern auch allfällige Fehler bei der Verschriftlichung zu berücksichtigen?

8)    Ist es nach den bestehenden Dienstvorschriften und Erlässen des Innenministeriums zulässig, dass derartige schriftliche Darstellungen des Sachverhaltes bereits vor der Erstattung einer Anzeige wegen erlittener Verletzungen von festgenommenen Personen an die zuständige Staatsanwaltschaft verfasst werden?

9)    Der unter polizeiinterner Rechtsberatung entstehenden schriftlichen Darstellung der Polizeisicht auf einen Vorfall steht häufig von Anfang an eine noch unter Eindruck der erlittenen Festnahme und Gewaltanwendung erfolgende mündliche Einvernahme auf der Polizeiinspektion gegenüber, so dass die Betroffenen von Anfang an insofern systematisch benachteiligt sind. Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um dieses Ungleichgewicht zu mindern?

10) Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe rügte in seinem Bericht zu Österreich im Jahr 2009 auf Seite 16, dass auf polizeilichen Einvernahmeformularen im Vordruck ein Verzicht auf die Beiziehung eines Rechtsanwaltes enthalten war. Wurde dieser Missstand mittlerweile beseitigt?

11) Immer wieder wird von betroffenen Personen berichtet, dass sie im Zuge einer Festnahme minutenlang mittels Halsklammer gewürgt wurden und dadurch sowie durch ein Knien von mehreren BeamtInnen auf ihrem Körper unter Atemnot leiden mussten. Zuletzt wurde am 24.3.2015 ein Video einer Festnahme auf der Mariahilferstraße bekannt, auf dem diese polizeiliche Vorgehensweise dokumentiert ist. Entspricht das Würgen von und Knien auf Festgenommenen den Richtlinien für polizeiliche Gewaltanwendung und falls ja unter welchen Voraussetzungen ist es anzuwenden?

12) Zahlreiche betroffene Personen haben berichtet, dass ihnen das Recht, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren, oft über mehrere Stunden hinweg verweigert wurde. Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um sicherzustellen, dass jeder festgenommenen Person dieses grundlegende Recht von Beginn ihrer Anhaltung an gewährt wird?

13) Zahlreiche betroffene Personen berichten darüber, dass sie von einschreitenden PolizeibeamtInnen vulgär beschimpft wurden. Ein solches Verhalten der PolizistInnen ist zwar strafrechtlich nicht relevant, aber in höchstem Maße unangebracht. Welche dienst- und disziplinarrechtlichen Vorkehrungen bestehen, um derartige Vorwürfe zu protokollieren und zu verfolgen?

14) Mehrere betroffene Personen berichten darüber, dass sie sich nach einer Festnahme auf der Polizeiinspektion ganz oder zumindest bis auf die Unterwäsche entkleiden mussten. Dies auch bei Festnahmen wegen Bagatellsachen wie Ruhestörung oder reiner Identitätsfeststellung. Es dürfte sich dabei um eine gängige Vorgehensweise zumindest der Wiener Polizei handeln. Wie lautet die rechtliche und polizeitaktische Begründung, festgenommene Personen zu zwingen, sich ganz oder bis zur Unterwäsche zu entkleiden, und sie gegebenenfalls nackt oder nur in Unterwäsche stundenlang einzusperren, und was sind die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorgehensweise?

15) Halten Sie eine derartige Vorgehensweise für vereinbar mit der UNO-Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, welche eben in Art 16 ausdrücklich auch jede erniedrigende Behandlung untersagt?

16) Sollte diese Maßnahme nicht zulässig sein: Welche dienst- und disziplinarrechtlichen Vorkehrungen bestehen, um derartige Vorwürfe zu protokollieren und zu verfolgen?

17) Mehrere betroffene Personen berichten weiters darüber, dass ihnen nach einer Festnahme oft mehrere Stunden lang die Benutzung einer Toilette verweigert wurde. Wie lautet die rechtliche und polizeitaktische Begründung für eine derartige Vorgehensweise?

18) Sollte diese Maßnahme nicht zulässig sein: Welche dienst- und disziplinarrechtlichen Vorkehrungen bestehen, um derartige Vorwürfe zu protokollieren und zu verfolgen?

19) Nach § 31 Abs 2 Z 2 SPG ist in den Richtlinien der Polizei vorzusehen, dass Betroffenen die Dienstnummer der einschreitenden ExekutivbeamtInnen auf einer Karte auszuhändigen ist. In der Praxis wird einem derartigen Ersuchen um Bekanntgabe der Dienstnummer nach zahlreichen Berichten jedoch oft nicht Folge geleistet, sondern führt eher noch zu einer Eskalation der Amtshandlung seitens der PolizistInnen. Welche dienst- und disziplinarrechtlichen Vorkehrungen bestehen, derartige Vorwürfe zu protokollieren und zu verfolgen?

20) In anderen Staaten (zB Belgien, Frankreich, Italien, USA, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Spanien uvm.) wird diesem Problem durch die Kennzeichnung der Polizeiuniformen mit der Dienstnummer begegnet. Weshalb wurde in Österreich eine solche Maßnahme bisher nicht umgesetzt, obwohl viele ExpertInnen sie als ein wichtiges Element der Bekämpfung unangemessener Polizeigewalt ansehen?

21) Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, um sicherzustellen, dass die in der Polizeiausbildung vermittelten Lehrinhalte zur Wahrung der Menschenrechte auch Eingang in die polizeiliche Arbeit finden und nicht, wie berichtet wird, von KollegInnen vor Ort gegenüber AnfängerInnen als nicht praxisrelevant abgetan werden?

22) Was sind nach Ihren Erkenntnissen die Gründe dafür, dass die Polizeiinspektion am Deutschmeisterplatz in Wien besonders oft vom Vorwurf von Misshandlungen, Beschimpfungen und demütigender Behandlung betroffen ist und was haben Sie dagegen unternommen bzw. werden Sie noch unternehmen?

23) Im Innenausschuss vom 19.3.2015 haben Sie dargestellt, dass jeder Hinweis auf strafrechtlich relevantes Fehlverhalten von PolizeibeamtInnen von Seiten des BMI sofort zur Anzeige gebracht würde. Im Fall „Silvester an der Tankstelle“ (s.o.) ist durch das aufgefundene Video bewiesen, dass die in der ursprünglichen Anzeige der Polizisten enthaltene Schilderung, wonach die Betroffene zwei Polizistinnen attackiert und „mit ihrer rechten Faust mit voller Wucht in Richtung des Gesichts von Inspektor R.“ gezielt habe, nicht den Tatsachen bespricht. Es besteht daher der Verdacht, dass die Betroffene durch diese Anzeige verleumdet wurde, was im Fall von PolizeibeamtInnen als TäterInnen auch einen Amtsmissbrauch darstellen kann. Haben Sie diesen Verdacht auf ein Fehlverhalten der die Anzeige erstattenden PolizistInnen der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht, und falls ja wann genau?

24)  Welche dienstrechtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Schritte wurden gegen die handelnden PolizeibeamtInnen im Fall „Silvester an der Tankstelle“ (s.o.) bisher von Ihrer Seite gesetzt?  

25) Im Fall „Silvesterpfad in Wien“  gesteht einer der handelnden Polizeibeamten in einer Sachverhaltsdarstellung vom 5.1.2015 selbst ein, dass er versucht habe „mittels Fauststöße  in dessen Oberkörperbereich  den [Betroffenen] dahin zu bewegen,  seinen massiven Widerstand gegen die Staatsgewalt einzustellen“. (Die geschilderten angeblichen Widerstandshandlungen sind widersprüchlich und werden vom Betroffenen bestritten).  Entspricht es den Richtlinien für polizeiliche Gewaltausübung, Fauststöße gegen Personen zu richten, um sie zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen?

26) Welche dienstrechtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Schritte wurden gegen die handelnden PolizeibeamtInnen im diesem Fall bisher von Ihrer Seite gesetzt?  

27) Im Fall „Partyschiff “ wurde vor Gericht den Aussagen der PolizeibeamtInnen vor Gericht mehr Glauben geschenkt, als den von Polizeigewalt betroffenen Personen, welche in erster Instanz verurteilt wurden. Das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig, so dass noch theoretische Chancen auf eine Korrektur dieser Entscheidung bestehen. Unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung des Verhaltens der beiden angeklagten Personen, wurden jedoch auch in diesem Fall schwere Vorwürfe gegen die einschreitenden PolizeibeamtInnen, nicht nur hinsichtlich der Anwendung von Gewalt sondern auch bezüglich vulgärer Beschimpfungen und der Verweigerung des Klogangs eines Betroffenen über viele Stunden erhoben. Welche dienstrechtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Schritte wurden von Ihnen gegen die handelnden PolizeibeamtInnen in diesem Fall gesetzt?

28)  Im Fall „Austria-Meisterschaftsfeier“ (s.o.) berichtete der Betroffene über wüste Beschimpfungen durch PolizeibeamtInnen und ebenfalls über die Verweigerung des Klogangs trotz einer schmerzhaften Erkrankung. Welche dienstrechtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Schritte wurden von Ihnen gegen die handelnden PolizeibeamtInnen in diesem Fall gesetzt?

29) Welche dienstrechtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Schritte wurden gegen die handelnden PolizeibeamtInnen im Fall „Amtshandlung am Praterstern“ (s.o.) bisher von Ihrer Seite gesetzt? 

30) Im Fall „Knochenbrüche nach Führerscheinkontrolle“ hat am 20.3.2014 das Verwaltungsgericht Wien eine „überschießende Gewaltanwendung“ durch die Polizei festgestellt. Welche dienstrechtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Schritte wurden gegen die handelnden PolizeibeamtInnen in diesem Fall bisher von Ihrer Seite gesetzt?  

31) Hat das Innenministerium dem Opfer dieser Gewaltanwendung, das in Obhut der Polizei schwerste Verletzungen erlitt, Schadenersatz geleistet oder anerkannt, und falls nein wieso nicht?

32) Welche dienstrechtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Schritte wurden gegen die handelnden PolizeibeamtInnen im von der ORF-Sendung „Thema“ im Herbst 2013 geschilderten Studenten-Fall (s.o.) bisher von Ihrer Seite gesetzt?  

33) Hat das Innenministerium dem Opfer dieser Gewaltanwendung Schadenersatz für die erlittene Schädigung geleistet oder anerkannt, und falls nein wieso nicht?

34) Welche dienstrechtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Schritte wurden gegen die handelnden PolizeibeamtInnen im von der ORF-Sendung „Thema“ im Herbst 2013 geschilderten Taxi-Fall (s.o.) bisher von Ihrer Seite gesetzt?  

35)  Welche dienstrechtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Schritte wurden gegen die handelnden PolizeibeamtInnen im Fall des Bregenzer Studenten (s.o.) bisher von Ihrer Seite gesetzt?  

36) Welche dienstrechtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Schritte wurden gegen die handelnden PolizeibeamtInnen im Fall jenes Akademikerball-Demonstranten 2014, der am 18.2.2015 von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen wurde,  bisher von Ihrer Seite gesetzt?  

37) Hat das Innenministerium dem Opfer dieser Gewaltanwendung, das durch den Polizeieinsatz Verletzungen erlitt, Schadenersatz geleistet oder anerkannt, und falls nein wieso nicht?

38) Hat das Innenministerium an Bakary J., der im Jahr 2006 von vier Polizisten in einer Lagerhalle nachweislich gefoltert wurde, mittlerweile Schadenersatz geleistet oder anerkannt, und falls nein wieso nicht?

39) Im Zuge der Gegendemonstration zur Demonstration der „Identitären“ am 17.5.2014 kam es zu mehreren Festnahmen. Im Internet wurden Videos veröffentlicht, auf denen eindeutig zu erkennen war, wie ein Festgenommener während der Festnahme und auch als er bereits überwältigt am Boden lag mehrmals von zwei Polizeibeamten mit den Rückennummern U310 und U240 mit Faustschlägen gegen Gesicht und Oberkörper sowie von U310 mit einem Tritt gegen den Rumpfbereich misshandelt wurde. Was haben Sie unternommen, um diesen Vorfall aufzuklären, wurde Anzeige an die Staatsanwaltschaft gegen die beiden Polizeibeamten erhoben, mit welchem Ergebnis, und welche dienstrechtlichen bzw. disziplinarrechtlichen Schritte gegen diese Beamten wurden von Ihrer Seite bisher in diesem Fall gesetzt?

40)  In der Sitzung des Innenausschusses am 2. April 2014 wurde zwischen Abgeordneten und der Bundesministerin für Inneres vereinbart, die Vorkommnisse an der PI Deutschmeisterplatz zu untersuchen. Verfügen Sie über Hinweise darauf, dass es seit diesem Zeitpunkt zu weiteren derartigen Vorkommnissen in der PI Deutschmeisterplatz gekommen ist?

41)  Um welche einzelnen Fälle handelt es sich dabei?

42) Was empfehlen Sie als Innenministerin einer Person, die Opfer von unangemessener Polizeigewalt wurde, jedoch über keine objektiven Beweismittel wie zB Videoaufnahmen verfügt, und die befürchten muss, bei Anzeige dieser Vorwürfe ihrerseits wegen Verleumdung und möglicherweise anderer erfundener Delikte (wie zB Widerstand gegen die Staatsgewalt oder Körperverletzung von Beamten) verfolgt zu werden?

43) Der zuständige Sektionschef im Justizministerium und die Leiterin der StA Wien haben im Silvester-Fall Fehler eingestanden. Der Fall ist inzwischen der StA Wien abgenommen worden. Weshalb war es Ihnen als Innenministerin und den verantwortlichen Führungspersonen innerhalb der Bundespolizei im Gegensatz zum BMJ bisher nicht möglich, jenen Personen, die genau das erlebt haben und die dabei teilweise auch noch schwer verletzt und psychisch traumatisiert wurden, ihr Bedauern auszusprechen und Fehler der Polizei einzugestehen?

44)  Warum ist im Gegensatz zum BMJ und zur StA Wien niemand im BMI bereit, in diesem Fall einen Fehler einzugestehen?

45) Was muss noch geschehen, bevor es endlich zu einem Umdenken im Innenministerium und zu einem konsequenten Vorgehen gegen gewalttätige ExekutivbeamtInnen kommt?

 

 

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs.1 GOG verlangt.