4524/J XXV. GP

Eingelangt am 14.04.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

 

betreffend den Wert eines Studiumabschlusses der Politikwissenschaften an der Universität Wien

 

 

Das Magazin „Biber“ berichtet über das Studium "Politikwissenschaften" an der Universität Wien, dass dort viele türkische Studenten einen Bachelor-Abschluss erwerben können, ohne über ausreichende Deutschkenntnisse zu verfügen.

 

Bachelor auf Türkisch

Kein Deutsch, Kein Problem: In Österreich macht jeder zehnte türkische Student den Bachelor in Politikwissenschaften. Viele von ihnen sprechen kaum Deutsch. Unter Mitstudierenden rumort es.
von Natalija Stojanovic und Kürsat Mutlu


Donnerstag, Nachmittag. 16Uhr. Wir befinden uns im zweiten Stock des Neuen Instituts Gebäudes (NIG), hier ist das Institut der Politikwissenschaften zu Hause. Wie jeden Donnerstag bildet sich vor der StudienServiceStelle eine lange Warteschlange. Als nächstes kommt eine große Gruppe türkischer Studenten an die Reihe. Tatsächlich hört man in den letzten Jahren die türkische Sprache öfter auf den Gängen des Instituts als zuvor. Warum?

HOSGELDINIZ IN VIYANA
Auf Österreichs Universitäten waren letztes Jahr 4114 türkische Studenten inskribiert. Davon war mehr als jeder zehnte (466) zum Studium der Politikwissenschaften zugelassen. (Siehe Infobox)

Ein Auslandsstudium ist sehr begehrt unter türkischen Studenten. Einerseits sind die Aufnahmeverfahren auf den staatlichen Unis daheim sehr anspruchsvoll. Auf der anderen Seite kann man auf privaten Sommerunis rasch zu Zeugnissen kommen, die alle in Österreich angerechnet werden. Die Sommerschulen am Bosporus machen dabei ein gutes Geschäft. Dort lassen sich Kurse wie 'Politisches System der EU' oder 'Theoriegeschichte' ganz leicht in türkischer Sprache ablegen. Alle werden ausnahmslos angerechnet.

Viele Studenten aus Istanbul oder Ankara, die kurz vor dem Abschluss des Bachelors in Wien stehen, sprechen kaum Deutsch. Und Fächer wie Europäisches Recht müssen sie nicht absolvieren, das haben sie ja auf der Sommerschule bereits getan. '
Eigentlich ist es ja unfair. Wenn du dir vorstellst, dass manche Türken ihr komplettes Studium ohne auch nur ein Wort Deutsch zu sprechen, fertig machen', sagt Emre. Der 25-Jährige ist selbst Türke, spricht fließend Deutsch, kennt aber die Sprachenproblematik auf der 'PoWi' bestens. Unter den nicht-türkischen Studenten regt sich Unmut. Nora, die anonym bleiben möchte, erzählt aus ihrem Studentenalltag: 'Vor ein paar Semestern habe ich eine Gruppenarbeit mit türkischen Kollegen machen müssen. Wegen ihrer Sprachdefizite konnten die aber nicht mitarbeiten. Als ich das so angeben wollte, wurde ich von denen unter Druck gesetzt. Ich musste also lügen, um keine Spannungen aufzubauen. Ich habe das als sehr ungerecht empfunden.'

Xavier ist ebenfalls misstrauisch. Der Sechstsemestrige kennt die Geschichte eines Studenten,
'der die Master-Prüfung nicht schaffte, weil angeblich sein Deutsch so schlecht war.'

Wir haben die Uni Wien auf die sprachlichen Defizite und die leicht anrechenbaren Sommerkurs-Fächer angesprochen. Die Studienprogrammleiterin Dr. Regina Köpl weicht unserer Frage zu Studenten mit schlechten Deutschkenntnissen aus und sagt:
'Wir haben in den letzten Jahren beobachtet, dass wir auf die Sprachkenntnisse besonderes Augenmerk legen müssen, um sicherzustellen, dass die Studierenden beim Studienabschluss auch die entsprechenden fachlichen Kenntnisse haben.' Abseits der Öffentlichkeit erzählen Lehrende aber sehr wohl von türkischen Studenten, die selbst bei der Abschlussprüfung eines Masterkurses so gut wie kein Deutsch sprechen: 'Da frag ich mich schon, wie konnte dieser Student überhaupt so weit durchs Studium kommen?', so Nora.

Auf der Uni ist das alles kein Geheimnis. Es wird gemunkelt, dass viele Studenten mit sprachlichen Problemen auf Ghostwriter zurückgreifen, Personen, die gegen ein Honorar wissenschaftliche Arbeiten anbieten. Das nehmen aber bekanntermaßen auch viele österreichische Studenten in Anspruch und ist kein rein türkisches Phänomen. Trotzdem: Bei Examen kam es vor, dass bei vierzig türkischen Studenten vierzig Mal exakt dieselbe Antwort am Prüfungsbogen stand. Auf die Frage ob es eine Benachteiligung der nicht-türkischen Studenten gebe, äußert sich Köpl:
'Nein, darauf achten wir auch. Daher können auch alle Studierenden prinzipiell Kurse an Summer- oder Winterschools besuchen und später um Anerkennung der dort absolvierten Kurse ansuchen.'

Der Haussegen auf der PoWi hängt trotzdem schief. Die türkischen Studenten fühlen sich fälschlicherweise unter Generalverdacht gestellt, die anderen verstehen nicht, wie man in Österreich ein Studium ohne gute Deutschkenntnisse absolvieren kann. Orhan sieht die Sache gelassener. Er würde jederzeit wieder die Sommerschule in der Türkei besuchen. Der 24-jährige PoWi-Student findet die Aufregung der Mitstudenten überzogen, denn:
'Bildung ist Bildung. Egal in welcher Sprache.'

TÜRKISCHE STUDENTEN IN ZAHLEN:
Im Wintersemester 2013/2014 studierten
4114 Türken an öffentlichen Universitäten.
Politikwissenschaften 466
Informatik 457
Architektur 382
BWL 163
Rechtswissenschaften 125
(Quelle: Statistik Austria)“

 

Dieser Bericht bietet tiefe Einblicke in die äußerst zweifelhafte Qualität des an der Universität Wien angebotenen Studiums der Politikwissenschaften. Unnötig zu erwähnen, dass an Universitäten mit ausgezeichnetem Ruf Prüfungsbetrug mit Sanktionen bis hin zur Abmeldung vom Studium geahndet wird, scheint sich offenbar das Institut für Politikwissenschaften der Universität Wien eher als Durchschleusestelle für gewisse Personengruppen mit Titelwunsch zu verstehen. Die og Zustände legen zumindest den Schluss nahe, dass am Institut für Politikwissenschaften der Universität Wien Prüfungsleistungen beurteilt werden, über die zu urteilen eigentlich niemand in der Lage ist.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft die folgende

 

Anfrage

 

1.     Wie viele der og 466 türkischen Politikwissenschafts-Studenten studieren an der Universität Wien Politikwissenschaften?

2.     Wie viele der og 466 studieren an einer anderen österreichischen Universität Politikwissenschaften bzw. an welcher?

3.     Von welchen privaten türkischen Sommeruniversitäten werden für das Studium der Politikwissenschaften an der Universität Wien Kurse angerechnet?

4.     Anhand welcher Kriterien wird entschieden, dass von diesen privaten türkischen Sommeruniversitäten Kurse für das Studium der Politikwissenschaften an der Universität Wien angerechnet werden dürfen?

5.     Wer entscheidet dies?

6.     Seit wann ist diese Person dafür zuständig?

7.     Wie viele solcher Fälle hatte diese Person seitdem zu entscheiden?


8.     Welche Kurse privater türkischer Sommeruniversitäten werden für das Studium der Politikwissenschaften an der Universität Wien angerechnet?

9.     Anhand welcher Kriterien wird entschieden, ob diese Kurse privater türkischer Sommeruniversitäten für das Studium der Politikwissenschaften an der Universität Wien angerechnet werden dürfen?

10.  Wer entscheidet dies?

11.  Seit wann ist diese Person dafür zuständig?

12.  Wie viele solcher Fälle hatte diese Person seitdem zu entscheiden?

13.  Was wurde seitens der Studienprogrammleitung Dr. Köpl getan, um sicherzustellen, dass die Studierenden am Institut für Politikwissenschaften der Universität Wien auch für das Studium hinreichende Deutschkenntnisse haben?

14.  Falls die Antwort lauten sollte "nichts", wer am Institut für Politikwissenschaften der Universität Wien kann bei Studenten mit unzureichenden Deutschkenntnissen beurteilen, ob diese für die jeweiligen Prüfungen überhaupt fachliche Kenntnisse vorweisen können?

15.  Falls es eine solche Person am Institut für Politikwissenschaften der Universität Wien geben sollte, an wie vielen Lehrveranstaltungsprüfungen bzw. auch Abschlussprüfungen hat diese bisher als Beurteiler mitgewirkt?

16.  Ist ein Deutsch-Nachweis nicht bereits bei der Anmeldung zum Studium an der Universität Wien zu erbringen?

17.  Falls nein, warum nicht?

18.  Falls ja, wie ist es dann möglich, dass viele Studenten nicht einmal bis zur Abschlussprüfung des Masterstudiums über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen?

19.  Was wurde seitens der Studienprogrammleitung Dr. Köpl getan, um sicherzustellen, dass die „Studierenden beim Studienabschluss auch die entsprechenden fachlichen Kenntnisse haben“?

20.  Wie wurde in dem og Fall vorgegangen, bei dem bei vierzig türkischen Studenten vierzig Mal exakt dieselbe Antwort am Prüfungsbogen stand?

21.  Sind derartige Fälle auch von anderen österreichischen Universitäten bekannt?

22.  Falls ja, von welchen?

23.  Mussten welche dieser vierzig die Prüfung wiederholen?

24.  Falls nein, warum nicht?


25.  Wie wird seitens des Instituts für Politikwissenschaften der Universität Wien vorgegangen bei Studenten, die bei der Abschlussprüfung kaum Deutsch können bzw. wer kann in solchen Fällen am Institut für Politikwissenschaften der Universität Wien überhaupt beurteilen, ob ein Prüfungskandidat mit unzureichenden Deutschkenntnissen genügend fachliche Kenntnisse vorweisen kann?