4649/J XXV. GP

Eingelangt am 22.04.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Stefan

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Zwangsverheiratung in Österreich

 

 

 

Im Onlinemagazin news.at erschien bereits 2011 folgender Artikel:

 

 

Zwangsheirat passiert auch in Österreich:

"Die Dunkelziffer ist bei uns sehr, sehr hoch"

 

Expertin: "Zwangsheirat ist kein Tabuthema mehr" "Es ist nicht leicht, sich gegen die Eltern zu stellen"

Zwangsheirat passiert auch in Österreich: "Die Dunkelziffer ist bei uns sehr, sehr hoch"

 

Zwangsheirat ist längst auch bei uns ein zentrales Thema. In Österreich kämpfen jedes Jahr zahlreiche Frauen und Mädchen unterschiedlichster Herkunft gegen eine ungewollte Eheschließung an. Jüngster Fall: In Tirol steht ein 40-jähriger Serbe vor Gericht, der versucht haben soll, seine damals 13-jährige Tochter mit Gewalt zur Heirat zu zwingen. "Man kann nicht genau sagen, wie viele betroffene Frauen es gibt. Die Dunkelziffer ist bei uns sehr, sehr hoch", erklärt Gül Ayse Basari von der Wiener Beratungsstelle "Orient Express" gegenüber NEWS.at.

 

"Orient Express" ist österreichweit die einzige Frauenberatungsstelle, die auch eine intensive Krisenbetreuung für von Zwangsheirat Betroffene anbietet. "Seit zehn Jahren arbeiten wir gegen Zwangsheirat. Wir haben ständig Klientinnen, nicht nur aus der Türkei. Zwangsheirat ist in vielen Ländern ein Thema: Wir betreuen unter anderem Frauen aus arabischen Ländern, aus Ex-Jugoslawien, aus Tschetschenien oder dem Kosovo", sagt Basari. Die Religionszugehörigkeit spiele dabei keine Rolle, wie Basari versicherte. Selbst Buddhistinnen aus Indien und Pakistan oder römisch-katholische Familien würden beim "Orient Express" um Hilfe ansuchen.

 

"Zwangsheirat ist kein Tabuthema mehr"

 Im Durchschnitt sind die Betroffenen zwischen 15 und 24 Jahre alt. Insgesamt sind laut Organisation rund 80 Prozent der Klientinnen akut gefährdet. Und von Jahr zu Jahr wenden sich mehr Opfer an die Krisenberatungsstelle. Während es im Jahr 2004 noch 26 Klientinnen waren, wurden 2010 bereits 79 Schützlinge betreut. Eigentlich eine positive Entwicklung, denn nicht die Zahl der Zwangsverheiratungen ist gestiegen, sondern die Zahl der Frauen und Mädchen, die ihr Schweigen brechen und Unterstützung suchen. "Die Zahlen bedeuten nicht, dass wir jedes Jahr mehr Fälle haben. Durch unsere starke Präventionsarbeit haben wir Klientinnen dazubekommen. Zudem hat infolge der medialen Aufmerksamkeit eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit stattgefunden. Zwangsheirat ist kein Tabuthema mehr", erklärt die Expertin.

 

Kein Schutz für Minderjährige

 Dennoch gibt es genügend Probleme, die es noch zu lösen gilt: Es gibt in Österreich noch keine eigene Einrichtung für von Zwangsheirat betroffene Mädchen. "Das ist ein großes Problem. Wir können nur schwer Schutz bieten", sagt Basari. Ab dem Alter von 17 Jahren sind die anonymen Frauenhäuser eine Möglichkeit der Unterkunft, Minderjährige kommen jedoch ins Krisenzentrum. Dort können die Mädchen von den Eltern leicht aufgespürt werden, denn die Adressen sind für jedermann zugänglich. Einziger Ausweg: Das Jugendamt entzieht den Eltern die Obsorge. Andernfalls ist ein Schutz nicht mehr möglich: "Wenn die Kinder zu ihren Eltern zurückkommen, besteht die Gefahr, dass die Mädchen ins Heimatland geschickt, verheiratet werden und dort für einige Zeit bleiben müssen", so die Betreuerin.

 

Die Angst gegen die Eltern auszusagen

 Eine weitere Schwierigkeit stellt der Kampf gegen die eigenen Eltern dar. Die Bedrohung ist meistens massiv, dennoch "ist es nicht leicht für junge Mädchen, sich gegen ihre Eltern und den ganzen Familienverband zu stellen", betont die Mitarbeiterin von "Orient Express". Viele Betroffene fürchten sich vor Gericht gegen ihre Eltern auszusagen und diese somit ins Gefängnis zu schicken. Auch wenn die Aussage bei Minderjährigen per Videoübertragung erfolgt, ist es daher keine Seltenheit, dass die Anzeige wieder zurückgezogen wird. Seit 2006 ist die Zwangsheirat auch in Österreich ein Offizialdelikt, das die Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgen muss. Zuvor konnten die betroffenen Frauen nur selbst Klage einbringen.

 

Noch kein Mordfall in Österreich

 Einen Mord hat es aufgrund von Zwangsheirat in Österreich bisher noch nicht gegeben. Physische Gewalt spielt jedoch eine große Rolle. Auch jener Vater, der sich in Tirol wegen der geplanten Zwangsheirat seiner minderjährigen Tochter vor Gericht verantworten muss, wollte seine Tochter angeblich mit Schlägen einschüchtern. Er soll ihr einen Teil ihres Zahnes ausgeschlagen haben. Der 40-Jährige streitet die Vorwürfe ab. Die Mutter soll bei der Verhandlung gegen ihn aussagen. Der Fall ist auch Gül Ayse Basari bekannt: "In diesem Fall ist es dringend erforderlich, dass den Eltern die Obsorge entzogen wird. Und ich glaube auch, dass das Gericht so entscheiden wird."

 

Neben der Aufklärungsarbeit sei auch der Schutz, gerade für minderjährige Mädchen, wichtig. Einmal mehr plädierte die Expertin deshalb für eine spezielle Einrichtung, wie es sie in Deutschland bereits gibt: "Seit zehn Jahren kämpfen wir bereits für eine eigene Unterkunftsmöglichkeit und bisher hat sich nichts getan."

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

 

 

Anfrage

 

 

  1. Sind sie über dieses Problem informiert?
  2. Wie wird in Österreich rechtlich gegen Zwangsverheiratung vorgegangen?
  3. Welche Aktionen werden von behördlicher Seite gegen Zwangsverheiratungen gesetzt?
  4. Wie viele Frauen aus Österreich werden schätzungsweise in ihrem Heimatland oder in einem Drittland zwangsverheiratet?
  5. Wie geht man von behördlicher Seite dagegen vor?
  6. Wie viele Frauen werden schätzungsweise in Österreich zwangsverheiratet?
  7. Wie geht man von behördlicher Seite dagegen vor?