4677/J XXV. GP

Eingelangt am 23.04.2015
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Erwin Preiner

und GenossInnen

 

an den

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Bienenschutz und Pestizideeinsatz

 

Vor kurzem veröffentlichte der österreichische Landesverband für Bienenzucht Oberösterreich, dass 30 000 der 100 000 Bienenvölker Oberösterreichs den Winter nicht überlebt haben. Einzelne Regionen meldeten einen Ausfall bis zu 70 Prozent der Bienenvölker.

 

Österreich ist, wenn auch nicht alle Jahre gleich, mit dem Problem des Bienensterbens konfrontiert. Die Fachwelt ist sich zwar einig, dass dieses Bienensterben multifaktorielle Ursachen hat (wie Varroa u.a. Bienenkrankheiten, Insektizidbelastungen, Klimaerwärmung,  monokultureller und intensiver Anbau, allgemeine Umweltbelastungen, Hochzucht) doch ist man sich auch im Klaren, dass der langjährige Insektizideinsatz allgemein und, vor allem in den letzten Jahren, der steigende Einsatz von so genannten systemischen Insektiziden wie Neonicotinoiden und Fipronil, den Schadensdruck auf Bienen und die Bestäubungsinsekten enorm verstärkt haben und so das Bienensterben wesentlich mitbefördern.

 

Vom BMLFUW wurde angekündigt, dass unter der Leitung von Univ. Prof. Karl Crailsheim von der Universität Graz und seinem Forscherteam gemeinsam mit den WissenschafterInnen des Wegenerzentrums in Graz, und der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) den komplexen Fragestellungen nach Bienenschädigungen und deren Ursachen nachgegangen wird. Es sollen Maßnahmen auf allen Einflussebenen konzipiert werden. Das Forschungsprojekt soll Augenmerk auf die unterschiedlichen Problemfelder legen: Wintersterblichkeit, epidemiologische Untersuchungen zur Wintersterblichkeit, Ursachenforschung zu Völker- und Bienenverlusten, individuelle Schadtoleranz und Trachtpflanzendiversität. Darüber hinaus wird internationale Systemerkundung und internationaler Informationsaustausch betrieben werden. Das Forschungsprojekt, das 2017 abgeschlossen sein soll, wird vom BMLFUW, den Bundesländern und „Biene Österreich“ finanziert und kostet inklusive Eigenleistung der Auftragnehmer rund 2,4 Millionen Euro.

 

Nach einem Ersuchen der Europäischen Kommission wurde die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 2012 beauftragt, eine neue wissenschaftliche Bewertung der Risiken für Bienen im Zusammenhang mit der Anwendung dreier Pestizide aus der Neonicotinoid-Familie (Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid) durchzuführen. Die Erkenntnisse der EFSA wurden im Jänner 2013 publiziert.

Im Mai 2013 führte die EFSA eine Risikobewertung des Insektizids Fipronil durch, bei der die möglichen akuten, chronischen und subletalen Wirkungen auf Bienen eine besondere Beachtung fanden. Im selben Monat kamen über hundert Bienensachverständige anlässlich eines Wissenschaftlichen Kolloquiums der Behörde zusammen, um ganzheitliche Ansätze im Rahmen der Risikobewertung multipler Stressoren bei Bienen zu erörtern.

Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 485/2013 vom 24. Mai 2013 hinsichtlich der Bedingungen für die Genehmigung der Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid sowie des Verbots der Anwendung und des Verkaufs von Saatgut, das mit diese Wirkstoffe enthaltenden Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde, wurde die Anwendung von diesen drei Neonicotinoiden zur Saatgutbehandlung, zur Bodenanwendung (in Form von Granulat) und zur Blattbehandlung bei Pflanzen  und Getreidearten, die für Bienen attraktiv sind, eingeschränkt. Im Juli 2013 erfolgte eine ähnliche Zurücknahme der Zulassung für das Insektizid Fipronil durch die EU-Kommission. Für Österreich gelten die Neonicotinoid-Einschränkungen auf drei Jahre basierend auf Grund einer Novelle des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011 im Jahr 2013.

 

Anfang des Jahres wurde von der Europäischen Kommission eine vorläufige Liste mit 77 kritischen Pflanzenschutzmittelwirkstoffen veröffentlicht, die in Zukunft durch risikoärmere Alternativen ersetzt werden sollen. Auf Basis dieser Liste sind die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten angehalten, die Möglichkeit einer Zulassungsbeschränkung für diese Stoffe zu erörtern, wobei die von der EU-Kommission vorgeschlagene Liste der Substitutionskandidaten im August 2015 offiziell verabschiedet werden soll.

 

Die sogenannte „§7-Kommission“, die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, gemäß Landwirtschaftsgesetz 1992 eingerichtet ist, beschloss im Zusammenhang der Erstellung des Grünen Berichtes 2014 u.a. folgende Empfehlungen: 

 

•        Empfehlung 2: betreffend Pflanzenschutz 

•        Empfehlung 7:betreffend einen dringenden Phase-out-Planes für Neonicotinoide und Fipronil sowie für ein umfassendes Forschungsprogramm zur biologischen nichtchemischen  Schädlingsbekämpfung

•        Empfehlung 9: betreffend die Erhebung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln im Non-Food-Bereich im Vergleich zum Einsatz in der Landwirtschaft

 

Die „EU-Verordnung über Statistiken zu Pestiziden“  (Verordnung (EG) Nr. 1185/2009 vom 25. November 2009) sieht eine jährliche Erhebung und Meldung der Inverkehr gebrachten Mengen an einzelnen Pestizid-Wirkstoffen sowie zumindest alle fünf Jahre eine Erhebung und Meldung der Anwendungsmengen (Landwirtschaft und Nicht-Landwirtschaft) der einzelnen Pestizidwirkstoffe vor.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

Anfrage:

 

 

1)             Im aktuellen österreichischen Regierungsprogramm ist im Bereich Land- und Forstwirtschaft Nachhaltigkeit als Ziel festgelegt. Welche Maßnahmen im Bereich Bienen setzen Sie in diesem Zusammenhang?

2)             Welche wesentlichen Eckpunkte umfasst ihrer Meinung nach ein nachhaltiger, konsequenter Bienenschutz?

3)             Inwiefern finden in ihrem Ressort die wissenschaftlichen Ergebnisse der internationalen „Task Force für Systemische Pestizide“ und des Wissenschaftsrates der Europäischen Akademien der Wissenschaft  Berücksichtigung?

4)             In dem vom BMLFUW angekündigten Forschungsprojekt über das Bienensterben soll den komplexen Fragestellungen nach Bienenschädigungen und deren Ursachen nachgegangen werden und Augenmerk auf die unterschiedlichen Problemfelder gelegt werden. Gibt es zu diesem Projekt bereits einen Bericht über Zwischenergebnisse – und welcher Art und welchen Inhaltes sind diese Zwischenergebnisse?

5)             Welche Maßnahmen wurden bis jetzt gesetzt, um bienengefährliche Pestizide (wie Neonicotinoide oder ähnliche Stoffe – aber auch andere bienengefährliche Pestizide  (wie Abamectin, Alpha-Cypermethrin, Aluminiumphosphid, Chlorpyrifos, Indoxacarb, Methiocarb, Methoxifenozid, Milbemectin, Spinosad, Tefluthrin, Zeta-Cypermethrin, Deltamethrin) aus dem Verkehr zu ziehen?

6)             Welche Mengen an Glyphosat und anderer Massenherbizide (aufgegliedert nach Wirkstoffen) und welche Mengen an Masseninsektiziden (aufgegliedert nach Wirkstoffen) wurden seit 2000 jährlich in Österreich Inverkehr gebracht?

7)             Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um eine umfassende wissenschaftliche Bewertung der gegebenen und potenziellen Schäden der Neonicotinoide bzw. des Fipronil speziell auch für Österreich unter Heranziehung der Bundesanstalten sowie der Universitäten durchzuführen?

8)             Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um alle mit der Zulassung und Inverkehrbringung von Neonicotinoiden und Fipronil befassten Behörden anzuweisen, an einem Phase-out-Plan zu arbeiten und insbesondere im BMLFUW diesen Phase-out-Plan möglichst zeitnahe vorzubereiten?

9)             Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um im Rahmen aller Möglichkeiten der Forschungsförderung zusammen mit anderen RegierungskollegInnen ein umfassendes Forschungsprogramm zur biologischen nichtchemischen Schädlingsbekämpfung aufzulegen?

10)         Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um ein Forschungsprogramm für die ökologische Bekämpfung des Maiswurzelbohrers und des Drahtwurms zu initiieren? Gibt es Aktivitäten in diese Richtung?

11)         Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um die Forschung im Dienste eines ganzheitlichen Pflanzenschutzes bei der Saatzucht, dem mechanischen Pflanzenschutz und der Pflanzengesundheitsentwicklung voranzutreiben?

12)         Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um Warndienste und andere Beratungsaktivitäten mit dem Ziel der Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes auszubauen, sowohl bei der nachhaltig konventionellen als auch der biologischen Landwirtschaft?

13)         Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Österreich noch mehr als bisher die Potenziale der Forschung für eine Modernisierung des Pflanzenschutzes hin zu noch zielgerichteteren, schneller abbaubaren und bienenfreundlicheren Mitteln voranzutreiben?

14)         Die „EU-Verordnung über Statistiken zu Pestiziden“  (Verordnung (EG) Nr. 1185/2009 vom 25. November 2009) sieht ja die jährliche Erhebung und Meldung der Inverkehr gebrachten Mengen an einzelnen Pestizid-Wirkstoffen, als auch zumindest alle 5 Jahre eine Erhebung und Meldung der Anwendungsmengen (Landwirtschaft und Nicht-Landwirtschaft) der einzelnen Pestizidwirkstoffe vor: Welche Maßnahmen wurden diesbezüglich bisher gesetzt um den Anforderungen dieser EU-Verordnung (insbesondere den Anforderungen der Anhänge dieser Verordnung) zu entsprechen?

15)         Welche Maßnahmen wurden gesetzt, damit keine Notfallzulassungen gemäß Artikel 53 der EU-VO 1107/2009/EG von umwelt- und bienengefährlichen Mitteln im Zusammenhang mit der Maiswurzelbohrer-Bekämpfung bzw. zur Bekämpfung anderer bodenbürtiger Schadorganismen erfolgen müssen?

16)         Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um einen Plan auszuarbeiten, damit 2016 möglichst selten auf Flächen, die 2015 mit Mais bebaut werden, wieder Mais angebaut wird und damit ab dem Jahr 2017 kein Maisanbau auf vorjährigen Maisflächen möglich ist (umfassende flächendeckende Maisfruchtfolge ab 2017)? Gibt es einen solchen Plan bzw. welche Inhalte wurden diesbezüglich in ihrem Ressort diskutiert?

17)         Welche Maßnahmen wurden bis jetzt gesetzt, um die notwendigen Voraussetzungen und Auswirkungen einer flächendeckenden Fruchtfolge wissenschaftlich zu untersuchen, insbesondere auch bezüglich der betrieblichen Praxis der unterschiedlichen Agrarbetriebe?

18)         Welche Maßnahmen wurden bis jetzt gesetzt, um eine allgemeine boden- und umweltfreundliche Fruchtfolge sowie einen minimalen Pestizideinsatz auf Basis von zu erarbeitenden oder bereits vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnissen möglichst umfassend zur Anwendung zu bringen?