4730/J XXV. GP

Eingelangt am 23.04.2015
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Erwin Angerer, Dr. Karlsböck

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

 

betreffend englischsprachige Anträge beim FWF

 

 

Der "Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung" (kurz: FWF) ist die wohl wichtigste Einrichtung für Wissenschaftsförderung in Österreich.

 

Zwischen 2009 und 2013 wurde vom FWF eine Gesamtbewilligungssumme von 913,6 Mio EURO ausgeschüttet. Rund 80% davon entfielen auf Bereiche Naturwissenschaft, Technik und Life Sciences (bspw. Biologie, Veterinärmedizin etc.). Die restlichen 20% wurden auf Teilgebiete der Geistes- und Sozialwissenschaften verteilt.

Insgesamt wurde in rund 3.655 Anträgen um die Bereitstellung von Fördermitteln durch den FWF angesucht. Ca. 22% aller Anträge wurden im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften gestellt.

 

Bei der Summe der Antragsstellungen wie auch bei der Bewilligungen verteilen sich demnach jeweils rund 1/5 auf die Geistes- und Sozialwissenschaften.

Für die Vertreter dieser Forschungsdisziplinen stellt der FWF daher eine besonders wichtige Einrichtung zur Wissenschaftsförderung dar, zumal es kaum private Stiftungen gibt, die diesen Zweig finanziell unterstützen.

 

Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (FTE) ist lt. FTFG § 17 (1) mit der strategischen Beratung der Bundesregierung im Bereich der Forschung und Technologieentwicklung betraut. Gleichsam fällt die "Ausarbeitung von Vorschlägen für eine langfristige österreichische Strategie für den Bereich Forschung und Technologieentwicklung" (FTFG §17b (1) v. 21.04.2015) in den Bereich des Rates.  

In seinem Jahresbericht (2013) erklärte der FTE, dass "speziell die Geisteswissenschaften […] auch bei der kompetitiven Mitteleinwerbung nach internationalem Peer-Review überaus erfolgreich [sind]." (Rat FTE 2013: 12).

Trotz der hohen FWF-Projektbewilligungsrate von Anträgen, die aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften stammen, trotz des hohen Anteils österreichischer Forschungsprojekte an internationalen Förderungsprogrammen und trotz der Empfehlungen des FTE, die Rahmenbedingungen der GSK (Geists-, Sozial- und Kulturwissenschaften) zu verbessern, gibt es nun eine immer stärker werdende Zensur für Antragsteller beim FWF.


Seit einiger Zeit gibt es die Verpflichtung, Antragstellungen in englischer Sprache zu verfassen, mitunter mit dem Ziel, den Kreis der Begutachter zu erhöhen.

 

In Hinblick auf die Naturwissenschaften, die sich eines großen gemeinsamen Sprachpools bedienen, mag dies durchaus sinnvoll erscheinen. Der wissenschaftliche Austausch innerhalb der GSK findet jedoch mindestens in englischer, deutscher, französischer wie auch italienischer Sprache statt. Für diese Disziplinen ist es zudem von großer Wichtigkeit, die oftmals 100 Jahre alte aber noch immer gültige Forschungsliteratur in den Originalsprachen zu verstehen. Selbst im amerikanisch-sprachigen Raum gibt es eine Tendenz dahingehend, internationale "editorial boards" einzurichten, um den sprachlich wichtigen Differenzierungen in den GSK Rechnung zu tragen.

 

Noch 2008 sprach sich ebenfalls Christoph Kratky, Präsident des FWF dafür aus, die Wichtigkeit der Nationalsprachen nicht zu negieren, "denn nur ihnen könne es gelingen, die komplexen Resultate der Forschung in Alltagssprache zu übersetzen" (Kratky 2008).

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft die folgende

 

Anfrage

 

1.) Gab bzw. gibt es von Seiten des Rates für Forschung- und Technologieentwicklung eindeutige Empfehlungen, die eine ausschließliche Antragsstellung in englischer Sprache für GSK vorsehen?

2.) Wenn ja, wie lauten diese?

3.) Wenn nein, von welchen Gremien/Institutionen etc. ist die verpflichtende Antragsstellung in englischer Sprache vorgeschlagen worden?

4.) Wie hoch war die Bewilligungsrate von österreichischen Forschungsanträgen bei internationalen Förderstellen vor der verpflichtenden Einführung der englischen Antragsstellungssprache? Wie hoch danach?

5.) Anträge für internationale Förderstellen werden ohnehin meist in englischer Sprache (je nach Förderrichtlinien) gestellt. Warum ist es für eine Antragsstellung in Österreich notwendig, ausschließlich die englische Sprache zu verwenden?

6.) Wie wollen Sie sicherstellen, dass ein Gutachter, der die Qualität eines österreichischen Projektantrages bewerten soll, über die notwendigen Qualifikationen für diese Aufgabe verfügt, wenn er mit den landesspezifischen Gegebenheiten (wie Sprache) nicht vertraut ist?

7.) Wie soll ein Antrag, dem beispielsweise eine deutsche Fachliteratur zu Grund liegt, kompetent beurteilt werden, wenn der damit beauftragte Gutachter diese Fachliteratur nicht lesen bzw. verstehen kann, auch wenn der Antrag auf Englisch geschrieben ist?

8.) Lt. § 4 Abs. 1 FTFG gehört es zu den Aufgaben des FWF, die Öffentlichkeit für die Bedeutung der wissenschaftlichen Forschung zu sensibilisieren (insb. durch neue Formen "partizipativer Kommunikation"). Inwiefern wird diesem Anspruch Rechnung getragen?

9.) Wie kann ein Kommunikationsaustausch mit der Öffentlichkeit zustande kommen, wenn Anträge nicht in der Nationalsprache gestellt werden?

10.) Glauben Sie, dass englisch-sprachige, wissenschaftliche Anträge der Forschung zu mehr "Alltagstauglichkeit" verhelfen? Wenn ja, warum? Wenn nein, inwiefern?


11.) Welche Initiativen werden grundsätzlich gesetzt, um Wissenschaft bzw. Forschung der Öffentlichkeit zugänglicher zu machen?

12.) Inwiefern spielen bei der verpflichtenden englischen Antragsstellungen Überlegungen hinsichtlich einer Aufwertung bei diversen Zitationsindizes eine Rolle?