4974/J XXV. GP

Eingelangt am 08.05.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Pakt mit der Industrie statt Grenzwerte für Plastikverschmutzung

BEGRÜNDUNG

 

Eine Studie von Forschern der Universität Wien (Lechner, A, et al., The Danube so colourful: A potpourri of plastic litter outnumbers fish larvae in Europe´s second largest river, Environment Pollution (2014), http://dx.doi.org/10.1016/j.envpol.2014.02.006) wies in den Jahren 2010 und 2012 eine höhere Konzentration von Plastikteilen als von Fischlarven in der Donau nach. Die Forscher wollten eigentlich die Verbreitung von Fischlarven untersuchen und stellten fest, dass die Masse an Plastikteilen für den gesamten Untersuchungszeitraum höher war als die Masse von Fischlarven. Eine Hochrechnung in derselben Studie ergab, dass auf diese Weise täglich 4,2 Tonnen Plastikmüll von der Donau in das Schwarze Meer gespült wird. Bei 79,7 Prozent der in der oben genannten Studie gefundenen Plastikteile handelte es sich um industrielle Rohstoffe wie Pellets, Spherules und Flakes. Bei dem Rest der Plastikteile handelt es sich um andere Müllreste in der Größenordnung von 0,5 bis 20 Millimeter.

Eine aktuelle Untersuchung (2014-2015) des Österreichischen Umweltbundesamt im Auftrag des Umweltministers, quantifizierte den täglichen Kunststoffeintrag allein für die Donau auf 25 bis 145 Kilogramm. Laut Umweltbundesamt landen alleine in Österreich jedes Jahr durchschnittlich 40 Tonnen Plastik in der Donau. Der Anteil des industriellen Rohmaterials an der gesamten Plastikfracht in der Donau beträgt laut UBA-Studie in etwa 10 Prozent und somit 4 Tonnen pro Jahr.

Derzeit existiert kein expliziter Grenzwert für den Eintrag von Kunststoffteilchen in Fließgewässer oder in eine Kanalisation durch Industriebetriebe. Kunststoffteilchen werden in Branchenverordnungen, wie zum Beispiel der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Begrenzung von Abwasseremissionen aus der Herstellung und Verarbeitung von Kunststoffen, Gummi und Kautschuk (AEV Kunststoffe), unter dem Sammelparameter für „abfiltrierbare Stoffe“ mitgeregelt. Abfiltrierbare Stoffe sind alle Sink-, Schweb- und Schwimmstoffe, welche durch Filtration vom Abwasser abgetrennt werden können.

Für Betriebsanlagen zu Herstellung oder Verarbeitung von Kunststoffen sieht die entsprechende Branchenverordnung einen Grenzwert von 30 Milligramm pro Liter für die Einleitungen in ein Fließgewässer und 150 Milligramm für die Einleitung in eine öffentliche Kanalisation vor. Die Menge an Plastik, die auf diese Weise pro Tag regulär in ein Fließgewässer eingeleitet werden darf, hängt somit vom Gesamtvolumen des Abwassers der Betriebsanlage ab.

Das Fehlen von spezifischen Grenzwerten für Plastikemissionen wird auch von Seiten der Wissenschaft kritisiert. Im internationalen Fachjournal „Environment Pollution“ wiesen Forscher der Uni Wien darauf hin, dass auch eine tägliche Einleitung von fast 260 Kilogramm Plastikpellets in einen Fluss wie die Donau für einen großen kunststoffproduzierenden Betrieb keine rechtlichen Konsequenzen hätte. Auf diese Weise könnte ein einziger Betrieb vollkommen legal 94,5 Tonnen Plastik in den nächsten Fluss leiten, was – so die Forscher – 2,7 Millionen Plastikflaschen entspricht  (Lechner, A. / Ramler, D. (2015) The discharge of certain amounts of industrial microplastic from a production plant into the River Danube is permitted by the Austrian legislation, Environment Pollution, Volume 200, S. 159-160, http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0269749115000949).

Am 12. März 2015 präsentierte der Umweltminister die Ergebnisse der oben erwähnten Untersuchung des Umweltbundesamts sowie ein „10 Punkte Maßnahmenprogramm für die Qualität der Donau“, das mittlerweile auf der Website des Ministeriums für ein lebenswertes Österreich abrufbar ist.

 

Die Erarbeitung eines Grenzwerts für Plastikemissionen von Kunststoffverarbeitenden- oder produzierenden Betrieben findet sich nicht im Maßnahmenprogramm, dafür die „Festlegung von Grenzwerten auf EU-Ebene“. Darüber hinaus wurde bei der Präsentation ein „Zero Pellets Loss“ Pakt mit dem Fachverband der chemischen Industrie Österreichs vom Umweltminister unterzeichnet. Der Plan enthält zehn Maßnahmen von Seiten der Industrie (wie z.B. Schulung von MitarbeiterInnen), die Rolle des Umweltministeriums und konkrete Ziele sowie deren Kontrolle werden allerdings nicht erwähnt.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Für welche Grenzwerte auf EU – Ebene wollen Sie sich konkret einsetzen?

2)    In wie vielen Jahren werden diese Grenzwerte frühestens in Österreich umgesetzt werden?

3)    Warum sind Sie gegen Grenzwerte für Kunststoffemissionen für produzierende und verarbeitende Betriebe, so wie Sie sich laut Sitzungsprotokoll des Umweltausschuss am 18. März 2015 geäußert haben? Quelle: http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2015/PK0240/ 

4)    Aus was genau soll die Europäische Kosmetikindustrie freiwillig aussteigen und welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, damit dieser freiwillige Ausstieg erfolgt?

5)    Was sind die konkreten Ziele der „Mikroplastikkonferenz in Brüssel“?

6)    Warum scheint die Konferenz nicht im Veranstaltungskalender der Website des BMLFUW auf? Wie wurde die Konferenz beworben und welche TeilnehmerInnen wurden eingeladen?

7)    Aus welchen Gründen wurde nur eine Vertreterin der Europäischen Volkspartei, nicht aber VertreterInnen anderer Fraktionen des Europäischen Parlaments als Vortragende eingeladen?

8)    Durch welche konkreten Maßnahmen werden Sie die „Plastiksackerl Richtlinie“ umsetzen?

a.    Werden Sie auf freiwillige Maßnahmen setzen?

b.    Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen mit welchen Zielsetzungen werden bis wann umgesetzt werden? Wie werden Sie sicherstellen, dass die freiwilligen Vereinbarungen auch umgesetzt werden?

c.    Wenn nein, welche konkreten Verordnungen oder gesetzlichen Änderungen mit welchen Zielsetzungen werden Sie bis wann erlassen  bzw. dem Parlament vorschlagen?

 

9)    Mit welchen Akteuren wird der „Stakeholder Dialog zur Donaustudie“ geführt? Welche konkreten Ziele hat dieser Dialog, sind im Laufe dieses Jahres noch weitere Aktivitäten geplant und welche öffentlich zugänglichen Informationen zur Dokumentation dieser Aktivitäten gibt es?

10) Was sind die konkreten Ziele des „Zero Pellets Loss“ Paktes?

11) Ist mit „Zero Pellets Loss“ gemeint, dass der Pakt das Ziel verfolgt, den Eintrag von industriellem Rohmaterial wie Pellets in die österreichischen Flüsse komplett zu stoppen, also konkret die Donau frei von Plastikpellets aus heimischen Quellen zu machen?

12) Wenn ja, bis wann soll dieses Ziel erreicht werden, wie soll es überprüft werden und welche Konsequenzen ziehen Sie aus einer möglichen Verfehlung dieses Ziels?

13) Welcher Zusammenhang besteht zwischen Ihrem „Zero Pellets Loss“ Pakt und der „Zero Pellets Loss Initiative“, die von PlasticsEurope Germany und dem Deutschen Verband der Chemischen Industrie gegründet wurde?

14) Welchen Beitrag leistet das Ministerium für ein lebenswertes Österreich im Rahmen der Umsetzung des „Zero Pellets Loss“ Paktes?

15) Wie werden Sie die Umsetzung des einzelnen Maßnahmen des „Zero Pellets Loss“ Paktes kontrollieren?

16) Welche Konsequenzen werden Sie ziehen, wenn einzelne Maßnahmen nicht umgesetzt werden?

17)  Im Umweltausschuss am 18. März 2015 kündigten Sie an, dass es einen jährlichen Bericht zur Umsetzung des „Zero Pellets Loss“ Paktes geben wird.

a.    Welche Informationen werden in diesem Bericht enthalten sein?

b.    Wann wird der erste Bericht veröffentlich werden?

c.    Wird der Bericht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden?

d.    Wird der Bericht dem Parlament zur Verfügung gestellt werden?

e.    Wird der Bericht im Umweltausschuss des Nationalrats von Ihnen vorgestellt und zur Diskussion gestellt werden?