4982/J XXV. GP

Eingelangt am 12.05.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Peter Pilz, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend widersprüchliche Angaben der Innenministerin zu Anzeigen

BEGRÜNDUNG

 

Am 2. Februar 2015 fand in Wien eine Demonstration der rechtsextremen „PEGIDA“ Bewegung statt. Dagegen gab es auch Gegendemonstrationen.

Am Abend wurden hunderte Gegendemonstranten von der Polizei eingekesselt, und es kam zur massenweisen Durchführung von Identitätsfeststellungen.

Der Abgeordnete Mag. Albert Steinhauser brachte zu diesen Vorgängen die parlamentarische Anfrage 3681/J ein, welche die Innenministerin mit der Anfragebeantwortung 3517/AB beantwortete. Darin führte sie an:

Frage 5)  Wie viele Straftaten sind im Zuge der NOPEGIDA Demonstration insgesamt angezeigt worden (aufgeschlüsselt nach Grund, Ort und Zeitpunkt)?

Zu Frage 5:

Im Zeitraum zwischen 20:30 Uhr und 22:30 Uhr sind an der Örtlichkeit Wien Innere Stadt, Freyung/Strauchgasse,  insgesamt  456  Anzeigen  gemäß  § 285  Strafgesetzbuch (Verhinderung  oder  Störung  einer  Versammlung)  sowie  um  20:55  Uhr  bei  der  U2-StationSchottentor  eine  Anzeige  gemäß  §  269  Strafgesetzbuch  (Widerstand  gegen  die  Staatsgewalt) erstattet worden. 

 

Frage 11) Warum wurde dieser Polizeikessel gebildet und laut Schilderung Betroffener niemand das Verlassen des Platzes erlaubt?

Zu den Fragen 9-12:

[…]

Von den Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten war jedoch das Delikt gemäß § 285 Strafgesetzbuch bereits verwirklicht worden, weshalb zur weiteren Strafverfolgung die Identitäten  dieser  Personen  geklärt  werden  mussten,  weshalb  ab  20:20  Uhr  die  noch Versammelten  einer  Identitätsfeststellung  unterzogen  und  folglich  vorübergehend  am Verlassen  der  Örtlichkeit  gehindert  wurden.  Bis  zu  diesem  Zeitpunkt  war  den Gegendemonstrantinnen  und  Gegendemonstranten  allerdings  ein  Verlassen  des  Platzes möglich.  […]

Da sich unter den Personen, die im Polizeikessel festgehalten, deren Identität festgestellt, und die lt. Anfragebeantwortung gem. § 285 StGB angezeigt wurden, auch Journalisten befanden, und da andererseits das Delikt des § 285 StGB nach den Plänen der Bundesregierung auch als sogenannter „verfassungsgefährdender Angriff“ zukünftig verstärkte Überwachungskompetenzen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung begründen soll, wurde die Thematik auch in der Fragestunde mit der Innenministerin am 23.4.2015 thematisiert:

Abgeordneter Peter Pilz, Frage 107/M :

„Wie viele Journalisten und Journalistinnen wurden anlässlich der Gegendemonstration zur PEGIDA-Demonstration in Wien am 2.2.2015 wegen ‚Verhinderung oder Störung einer Versammlung‘ (§ 285 StGB) durch die Polizei angezeigt?“

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Abgeordneter, wie Sie wissen, ist es die Aufgabe der Polizei, sowohl Versammlung als auch Gegenversammlung und Unbeteiligte bestmöglich zu schützen und es werden vorher Lagebilder erstellt und konkrete Maßnahmen festgelegt. Ja, auch dieser Kessel, von dem Sie gesprochen haben, ist gebildet worden. 

Im Zusammenhang mit dieser Demonstration am 2. Februar in Wien wurden der Staatsanwaltschaft keine Personen gemäß § 285 StGB angezeigt, aber von der Polizei wurden bei 456 Personen Identitätsfeststellungen gemacht, ganz nach der gesetzlichen Grundlage, nach § 118 Strafprozeßordnung. Diese Identitätsfeststellung, diese Anzahl der Identitätsfeststellungen wurde der Staatsanwaltschaft zur rechtlichen Prüfung übergeben. (Zwischenruf des Abg. Steinhauser.) Aufgrund unserer Informationen wissen wir, dass sechs Personen mit Presseausweis dabei waren und vier weitere Personen, die aufgrund unserer Information dem Kreis der Journalisten zuzuordnen sind. Bis dato wurden seitens der Staatsanwaltschaft Wien keinerlei Aufträge zur Einvernahme erteilt.


Und weiter nach Zusatzfrage:

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Kurz noch zu dieser PEGIDA-Versammlung und der Gegenversammlung: Wir wissen, dass die diesbezügliche Rechtslage unklar ist, und vor allem deswegen hat die Polizei die Staatsanwaltschaft gebeten, eine entsprechende Prüfung vorzunehmen, weil eben die Rechtslage unklar ist. Ich bitte um Verständnis und das Ergebnis abzuwarten.[…]

Die Innenministerin verstrickte sich somit bei Vergleich der Angaben in der Anfragebeantwortung 3517/AB sowie in der Beantwortung in der Fragestunde in Widersprüche. Da damit nicht klar ist, ob Mikl oder Leitner Recht hat, soll mit dieser Anfrage versucht werden, die tatsächliche Sach- und Rechtslage aus Sicht der zuständigen Staatsanwaltschaft zu klären.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wurden der Staatsanwaltschaft Wien durch die Polizei die Identitätsdaten von Personen aufgrund der Vorkommnisse bei der PEGIDA-Demonstration und Gegendemonstration am 2. Februar 2015 in Wien übermittelt?

2)    Zu wie vielen Personen wurden die Personendaten übermittelt?

3)    Welche Überschrift hatte das entsprechende Schreiben an die Staatsanwaltschaft?

4)    Auf welche Rechtsgrundlage in der StPO stützte sich die einschreitende Polizeidienststelle bei der Übermittlung?

5)    An welchem Tag erfolgte diese Übermittlung?

6)    Um welche Polizeidienststelle handelte es sich?

7)    Wurden der Staatsanwaltschaft Informationen über durchgeführte Identitätsfeststellungen nach § 118 StPO  übermittelt?

8)    Falls ja: erfolgten die Identitätsfeststellungen iSd § 118 StPO wegen des Verdachts der Beteiligung an einer Straftat, wegen einer möglichen Zeugeneigenschaft, oder weil Spuren hinterlassen worden sein könnten?

9)    Welche mögliche Straftat diente als Grundlage für die Identitätsfeststellungen nach § 118 StGB?

10) Wurde der Staatsanwaltschaft im Zuge der Übermittlung der Personendaten mitgeteilt, dass diese Personen im Verdacht stehen, die Straftat nach § 285 StGB begangen zu haben?

11) Stellt die Übermittlung von Identitätsdaten einer Person an die Staatsanwaltschaft samt dem Hinweis, dass diese Person im Verdacht steht, eine strafbare Handlung begangen zu haben, eine Anzeige dar?

12) Ist die Staatsanwaltschaft aufgrund einer solchen Übermittlung verpflichtet, den Verdacht zu überprüfen?

13) In der Fragestunde erklärte die Innenministerin, die Polizei habe die Staatsanwaltschaft um eine Prüfung ersucht, weil die Rechtslage unklar ist. Ist diese Darstellung zutreffend?

14) Auf welche Rechtsgrundlage kann sich eine derartige Vorgehensweise stützen?

15) Wie lautete die Rechtsauskunft der Staatsanwaltschaft Wien an die Polizei?

16) Gegen wie viele Personen wurde wegen des Verdachts nach § 285 StGB im Zusammenhang mit den Demonstrationen am 2.2.2015 in Wien durch die Staatsanwaltschaft  ein Strafverfahren eingeleitet?

17) Hinsichtlich wie vieler Personen wurden Ermittlungen wegen des Verdachts nach § 285 StGB im Zusammenhang mit den Demonstrationen am 2.2.2015 in Wien durch die Staatsanwaltschaft beauftragt?

18) Welche Ermittlungsaufträge wurden erteilt?

19) Hinsichtlich wie vieler Personen wurden Verfahren wegen des Verdachts nach § 285 StGB im Zusammenhang mit den Demonstrationen am 2.2.2015 in Wien durch die Staatsanwaltschaft eingestellt?

20) Können Ihrer Erfahrung nach 456 Anzeigen zur gleichen Zeit bei der Staatsanwaltschaft vorliegen und nicht vorliegen?

21) Sind die Angaben der Innenministerin in der Anfragebeantwortung 3517/AB oder jene in der Beantwortung der Frage 107/M in der Fragestunde am 23.4.2015 unrichtig?