5047/J XXV. GP

Eingelangt am 20.05.2015
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Anfrage

der Abgeordneten Eva Mückstein, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Gesundheit

betreffend Mangelnde psychiatrische Versorgungsstruktur für Kinder und Jugendliche

BEGRÜNDUNG

Die Gesundheit Österreich GmbH geht auf Grund von epidemiologischen Studien  davon aus, dass 299.946 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre im Jahr 2012 österreichweit  psychisch erkrankt waren (Prävalenz von 17,5 Prozent). 9,7 Prozent, also 166.256 Kinder  und Jugendliche, waren von einer psychiatrischen Störung im engeren Sinn betroffen und damit behandlungsbedürftig.

Für diese große Gruppe besteht allerdings ein bei weitem nicht ausreichendes Behandlungsangebot an FachärztInnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Kinder und Jugendliche werden in Österreich aus Mangel an speziell für sie geeigneten Einrichtungen immer wieder in der Erwachsenenpsychiatrie aufgenommen und teilweise nach dem Unterbringungsgesetz untergebracht.

So fanden z.B.  in Wien 2014 nach Erhebungen von VertretungsNetz-Patientenanwaltschaft etwas mehr als ein Drittel aller Unterbringungen von Minderjährigen auf einer Erwachsenenpsychiatrie statt. 38 minderjährige Personen waren 2014 zumindest einmal auf einer erwachsenenpsychiatrischen Station nach dem Unterbringungsgesetz untergebracht. Insgesamt waren diese Kinder und Jugendlichen 465 Tage lang auf der Erwachsenenpsychiatrie angehalten. In Wien wäre die Bettenanzahl auf kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen erheblich zu erhöhen, um den aktuellen Bedarf zu decken.

Die Konfrontation mit psychisch schwer erkrankten Erwachsenen erleben Kinder und Jugendliche als sehr belastend. Behandlungssetting, Beziehungsangebot, Beschäftigungs- und Beschulungsmöglichkeiten,  Mobiliar und Räumlichkeiten entsprechen nicht den Bedürfnissen von jungen PatientInnen. Dazu kommt, dass aufgrund von Personalmangel oft der begleitete Ausgang ins Freie eingeschränkt wird. Außerdem werden Kinder und Jugendliche ausgerechnet während einer akuten Krise nicht durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt, sondern durch eine/n allgemeine/n PsychiaterIn, der/die auf diesem Gebiet meist nicht spezialisiert ist.

Die Volksanwaltschaft stellt  in ihrem  jüngsten Bericht fest, dass die Behandlung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in der Erwachsenenpsychiatrie eine Verletzung präventiver, menschenrechtlicher und fachlicher Standards darstellt:

„2014 hat auch der OGH in einer aktuellen Grundsatzentscheidung das „Trennungsgebot“ für Jugendliche in psychiatrischen Krankenanstalten betont. Dadurch konkretisiert der OGH erstmals den Persönlichkeitsschutz Minderjähriger in der psychiatrischen Unterbringung. Daraus ergibt sich zwingend eine räumliche Trennung jugendlicher und erwachsener Erkrankter. Auch wenn sich dieses Urteil konkret auf eine forensische Abteilung einer psychiatrischen Krankenanstalt bezieht, lassen sich daraus Wertungen ableiten, die eine generelle Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen in allen psychiatrischen Krankenanstalten zwingend erforderlich machen.“

2014 war in Wien ein 12-jähriges Mädchen auf der Akutstation einer Erwachsenenpsychiatrie untergebracht. Zum Zeitpunkt der Unterbringung war auf derselben Station ein Patient untergebracht, der 2008 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen rechtskräftig verurteilt wurde. Aufgrund der Bettensituation war in ganz Wien kein Bett auf einer Kinderpsychiatrie frei.

Das Bezirksgericht Fünfhaus hat diese Unterbringung auf der Akutstation für Erwachsenenpsychiatrie im Sinne des § 34a Unterbringungsgesetz (Beschränkung sonstiger Rechte) für unzulässig erklärt. Mit der durch die UbG-Novelle 2010 eingefügten Bestimmung wurde der Rechtsschutz der PatientInnen erheblich verbessert. Die Unterbringung  ist lt. Bezirksgericht auch weder mit der UN-Kinderrechtskonvention, die Österreich 1992 ratifiziert hat, noch mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern, noch mit § 138 ABGB, der die Beachtung des Kindeswohls vorschreibt,  im Einklang.

Die UN-Kinderrechtskonvention, die Österreich 1992 ratifiziert hat, fordert, dass psychiatrische Betreuungseinrichtungen hohen Qualitätsstandards entsprechen, insbesondere was die fachliche Eignung des jeweiligen Personals betrifft. Denn auch das Pflegepersonal der Erwachsenenpsychiatrie ist selten auf die Betreuung von Kindern und Jugendlichen spezialisiert.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

1)    Wie viele Kinder und Jugendliche waren in Österreich in den Jahren 2010 bis 2014 in der Erwachsenenpsychiatrie im Sinne des Unterbringungsgesetzes untergebracht und wie lange war die durchschnittliche Aufenthaltsdauer? (bitte nach Jahren und Bundesländern getrennt angeben)

 

2)    Wie viele Kinder und Jugendliche waren in Österreich in den Jahren 2010 bis 2014 freiwillig in der  Erwachsenenpsychiatrie  aufgenommen und wie lange war die durchschnittliche Aufenthaltsdauer? (bitte nach Jahren und Bundesländern getrennt angeben)

 

3)    Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge waren in Österreich in den Jahren 2010 bis 2014 in  Erwachsenenpsychiatrien im Sinne des Unterbringungsgesetzes  untergebracht? (bitte nach Jahren und Bundesländern getrennt angeben)

 

4)    Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge waren in Österreich in den Jahren 2010 bis 2014 freiwillig in Erwachsenenpsychiatrien aufgenommen? (Bitte nach Jahren und Bundesländern getrennt angeben)

 

5)    Wie viele Fixierungen von Kindern und Jugendlichen in Erwachsenenpsychiatrien wurden in den Jahren 2010 bis 2104 dokumentiert? (Bitte nach Jahren und Bundesländern getrennt angeben)

 

6)    Durch welche Maßnahmen werden Sie eine menschenrechtskonforme stationäre psychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen sicherstellen und bis wann werden diese Maßnahmen wirksam werden?

 

7)    Können Sie zusagen, dass Kinder- und Jugendliche künftig nicht mehr in Erwachsenenpsychiatrien untergebracht werden?

 

8)    Wie viele zusätzliche Betten in Kinder- und Jugendpsychiatrien wären nötig um die Unterbringung in Erwachsenenpsychiatrien generell zu vermeiden? (Bitte nach Bundesländern getrennt antworten)

 

9)    Was werden Sie unternehmen, um einen Ausbau der Bettenkapazität im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie in der erforderlichen Menge zu erreichen?

 

10) In der Anfragebeantwortung 3655/AB berichteten Sie, dass in den letzten Jahren die stationären Kapazitäten der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen beträchtlich erweitert wurden. Wo wurden die Kapazitäten um wie viele Betten erweitert?

 

11) Kinder- und Jugendpsychiatrie ist als Mangelfach definiert. Trotzdem konnten bisher nicht ausreichend ÄrztInnen ausgebildet werden. Durch welche Maßnahmen werden Sie den bestehenden Fachtärztemangel im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie beseitigen?

 

12)  Wie viele zusätzliche FachärztInnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie werden benötigt (bitte nach Bundesländern getrennt angeben)?

 

13) Wie viele Ausbildungsstellen für FachärztInnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie werden bis wann im stationären Bereich geschaffen werden (bitte nach Bundesländern getrennt angeben)?

 

14) Wie viele Ausbildungsstellen für FachärztInnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie werden bis wann im ambulanten Bereich geschaffen werden (bitte nach Bundesländern getrennt angeben)?

 

15) FachärztInnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie sollen auch psychotherapeutische Grundkenntnisse erwerben um den psychosozialen Aspekt abdecken zu können. Durch welche Maßnahmen ist dies gesichert und gibt es dafür eine ausreichende Finanzierung?

 

16) Gibt es auch einen Mangel an anderen Gesundheitsberufen in kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen, die eine Mangelversorgung nach sich ziehen?

 

17) Wenn ja, welche Gesundheitsberufe fehlen, in welcher Zahl, in welchem Bundesland?

 

18) Welche Maßnahmen sind im ambulanten Bereich, bzw. im Bereich der Primärversorgung geplant, um kinder- und jugendpsychiatrische Stationen zu entlasten und gleichzeitig eine adäquate Behandlung von psychisch  kranken Kindern und Jugendlichen sicherzustellen?

 

19) Durch welche Maßnahmen wird eine interdisziplinäre Versorgung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen, welche die Bereiche Krankenhäuser, extramurale Versorgung sowie den heilpädagogischen Bereich (Jugendwohlfahrt) und den Sozialbereich berücksichtigt, sichergestellt?

 

20)  Laut den derzeit bekannten Entwürfen für eine Neuorganisation der Pflegeberufe soll die Ausbildung generalisiert werden. Wie können  künftig Spezialisierungen wie z.B. für Kinder- und Jugendlichenpflege oder psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege erreicht werden?

 

21) Im aktuellen Regierungsübereinkommen ist unter dem Ziel: „Gesundes Aufwachsen – Kinder- und Jugendgesundheit die Erstellung eines Konzeptes „Kinder- und Jugendpsychiatrie“ bis 2015 vorgesehen. Wie weit sind die Arbeiten gediehen und wann wird das Konzept umgesetzt werden?