5188/J XXV. GP

Eingelangt am 22.05.2015
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Roman Haider

und anderer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend Steuerreform als Dolchstoß

 

T.A.I. Interview mit Steuerexperte Horst Prodinger vom 27.03.2015:

T.A.I.: Viele Wortmeldungen von außerhalb der Branche meinen‚ "die 3 Prozent MWSt-Anhebung werden die Hoteliers wohl unterbringen können". Wie beurteilen Sie das?

 

Lukas Prodinger: „Das staatliche Ausgabenproblem mit höheren MwSt-Sätzen zu kompensieren ist ein klassischer Schuss ins Knie. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Beherbergung von 10 auf 13 Prozent hat für Österreichs Tourismus extrem negative Auswirkungen. Der zunehmende Marktdruck verhindert seit Jahren, vor allem in der Ferienhotellerie, jegliche notwendige Preisanhebung. Markt und Nachfrage sind im Tourismus eng miteinander verzahnt und der Preis ist jeweils der Indikator.Die Steuererhöhung kann daher nicht als ‚Durchläufer‘ weitergegeben werden. Die Hotellerie hat im Sommer seit Jahren eine konstante Bettenauslastung von 40 Prozent, bei steigenden Nächtigungen und einem größeren Bettenangebot. Das Ergebnis: es konnte in den letzten zehn Jahren das Preisniveau nur um 6 Prozent angehoben werden, bei einer Inflation von über 22 Prozent! Die operativen Ergebnisse verschlechterten sich und das durchschnittliche EGT liegt nur noch bei 2 Prozent in einer Niedrigzinsphase.“

 

T.A.I.: Ein weiteres Thema ist die Grunderwerbssteuer: die Freibeträge zu gering, ebenso dürfen die Schulden nicht vom Verkehrswert abgezogen werden. Welche Konsequenzen hat dies für die Branche?

 


 

Prodinger: „Mit der derzeitigen Regelung wird es keine Übergaben mehr geben. Die Hotellerie ist eine besonders anlagen- und kapitalintensive Branche. Die Immobilie ist für den Erfolg ein betriebsnotwendiger Faktor. Die Verkehrswerte sind als Basis für die Besteuerung zu hoch und die Freibetragsgrenzen für die Hotellerie zu niedrig. Es steht zwar ein Freibetrag von 900.000 Euro zur Diskussion, aber dieser reicht nicht. Auch können die Schulden nicht einfach vom Verkehrswert abgezogen werden. Ein Schuldenabzug ist bei der Grunderwerbssteuer nicht vorgesehen, da das Prinzip lautet. dass die Steuer von der Gegenleistung (Verkehrswert) berechnet wird.“

 

T.A.I.: Ab wann werden die negativen Auswirkungen Ihrer Meinung nach in der Praxis spürbar werden?

 

Prodinger: „Nach dem Frankenschock kommt der Steuerschock – die Betriebsergebnisse werden sich verschlechtern. Wird die Steuererhöhung bei einer Buchung 1:1 an den Gast weitergegeben, um das gleiche Ergebnis zu erzielen, dann müsste der Zimmerpreis um 6,68 Prozent erhöht werden. Zu den 3 Prozent MwSt. kommen die Schlechterstellung im Halbpensions-Arrangement, die Inflation und die steigenden Mitarbeiterkosten hinzu.“

 

T.A.I.: Horst Rahe – Chef der A-Rosa Hotels und der A-ja Resorts – bezeichnet die Steuerreform als „größten Fehler den ein Land machen kann, das so vom Tourismus abhängig ist wie Österreich“. Er verweist auf das Beispiel der schweizerischen Hotellerie, die bezüglich Investitionen stark zurückgefallen ist, und im Gegenzug auf die deutsche MWSt.-Senkung. Teilen Sie seine Ansicht?

 

Prodinger: „Ja, ich teile diese Meinung. Die deutsche Regierung hat mit dem ‚Wachstumsbeschleunigungsgesetz‘ von 2010 und der Reduktion der Mehrwertsteuer für Beherbergung von 19 auf 7 (!) Prozent einen anderen, zielführenden Weg beschritten: ‚Steuern senken und damit Wirtschaft und Konsum ankurbeln‘. In diesem Jahr wird Deutschland mit einem Wachstum von 1,5 Prozent stärker zulegen als Österreich. Die Zahl der Beschäftigten ist kräftig gestiegen und die Arbeitslosenquote niedriger als hierzulande. Die Maßnahmen schieben den privaten Konsum an, der für etwa 70 Prozent des BIPs steht. Das ganze kurbelt den Binnentourismus in Deutschland an, der Freistaat Bayern feiert einen Nächtigungsrekord nach dem anderen. Wäre das für Österreichs Politiker nicht ein gutes Erfolgsbeispiel gewesen?“

 

T.A.I.: Wird der Tourismusstandort Österreich an Konkurrenzfähigkeit einbüßen?

 


 

Prodinger: „Von 28 EU Staaten liegen bei der Beherbergung 21 Länder unter 13 Prozent MwSt. Die EU empfiehlt sogar Steuersätze auf Beherbergung von 5,5 Prozent. Unsere Regierung erweist den Betrieben somit einen ‚Bärendienst‘.“

 

T.A.I.: Welche Maßnahmen müssten ergriffen werden, um die negativen Auswirkungen auszugleichen?

 

Prodinger: „In der parlamentarischen Arbeit und in den Ausschüssen müssen viele Fragen abgeklärt werden. Ein zentraler Punkt ist die Aufteilung in den Arrangements zwischen Verpflegung und Beherbergung. Eine Ausrichtung auf den 13-prozentigen Steuersatz wäre der nächste grobe Fehler. Der „All Inclusive Erlass“ gehört erweitert und die AFA müsste nach einer funktionalen Gliederung (betriebsübliche Nutzungsdauer) aufgeteilt werden. Weiters gehören Investitionen gefördert: Die wenigen verbleibenden Gewinnbetriebe durch die Einführung eines Investitionsfreibetrags und Verlustbetriebe mit einer Investitionsprämie. Auch die Betriebsaufgabe gehört neu geregelt. Am meisten Kopfzerbrechen müsste die Regierung aber mit der Grunderwerbssteuer haben, denn die derzeitige Regelung würde das „Aus“ von Familienbetrieben bedeuten.“

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft nachfolgende

Anfrage

1.    Wie stehen Sie als Wirtschaftsminister zu der Aussage des Steuerexperten Prodinger, dass es sich bei der Vorgehensweise, das staatliche Ausgabenproblem mit höheren MwSt-Sätzen zu kompensieren um einen klassischen Schuss ins Knie handle?

 

2.    Stimmen Sie der Aussage Prodingers zu, dass eine Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Beherbergung von 10 auf 13 Prozent für Österreichs Tourismus extrem negative Auswirkungen haben wird?

 

3.    Wenn ja, was werden Sie seitens Ihres Ministeriums dagegen unternehmen?

 

4.    Wenn nein, warum stimmen Sie dieser Aussage nicht zu?

 

5.    Laut Prodinger würde es mit der derzeitigen Regelung bei der Grunderwerbssteuer keine Übergaben mehr geben, was können Sie dieser Aussage in Ihrer Funktion als Wirtschaftsminister entgegnen?

 

6.    Können Sie der Kritik, dass die Verkehrswerte als Basis für die Besteuerung zu hoch und die Freibetragsgrenzen für die Hotellerie zu niedrig seien, als auch kein Schuldenabzug bei der Grunderwerbssteuer vorgesehen sei, etwas abgewinnen?

 

7.    Wenn ja, was werden Sie seitens Ihres Ministeriums dagegen unternehmen? Wenn nein , warum nicht?

 

8.    Gemäß Prodinger würde die derzeitige Grunderwerbssteuerregelung das „Aus“ von Familienbetrieben bedeuten, was können Sie dieser Aussage als Wirtschaftsminister entgegnen?

 

9.    Um in der Hotelbranche bei derzeitigem Stand auch in Zukunft das gleiche Ergebnis einzufahren, müsste die Steuererhöhung 1:1 an den Gast weitergegeben werden, was zu einer Zimmerpreiserhöhung von 6,68 Prozent führen würde. Zu den 3 Prozent MwSt würden noch die Schlechterstellung im Halbpensions-Arrangement, die Inflation und die steigenden Mitarbeiterkosten hinzukommen. Würde eine derartige Entwicklung seitens Ihres Ministeriums als unzumutbare Belastung für die Hotellerie erkannt werden?

 

10. Wenn ja, was gedenken Sie seitens Ihres Ministeriums dagegen zu unternehmen?

 

11. Wenn nein, warum nicht?

 

12. Horst Rahe – Chef der A-Rosa Hotels und der A-ja Resorts – bezeichnet die Steuerreform als größten Fehler, den ein Land machen kann, das so vom Tourismus abhängig ist. Als positives Gegenbeispiel würde Deutschland mit seiner MwSt Senkung fungieren. Teilen Sie seitens Ihres Ministeriums diese Ansicht?

 

13. Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie dementsprechend setzen? Wenn nein, warum nicht?

 

14. Deutschland hat mit dem ‚Wachstumsbeschleunigungsgesetz‘ von 2010 und der Reduktion der Mehrwertsteuer für Beherbergung von 19 auf 7 (!) Prozent einen anderen, zielführenden Weg beschritten: ‚Steuern senken und damit Wirtschaft und Konsum ankurbeln‘. In diesem Jahr wird Deutschland mit einem Wachstum von 1,5 Prozent stärker zulegen als Österreich. Die Zahl der Beschäftigten ist kräftig gestiegen und die Arbeitslosenquote niedriger als hierzulande. Die Maßnahmen schieben den privaten Konsum an, der für etwa 70 Prozent des BIPs steht. Das ganze kurbelt den Binnentourismus in Deutschland an, der Freistaat Bayern feiert einen Nächtigungsrekord nach dem anderen. Hätte sich Österreich nicht daran ein Beispiel nehmen sollen?

 

15. Wenn ja, was werden Sie seitens Ihres Ministeriums tun, um dem Positivbeispiel unserer deutschen Nachbarn zu folgen?

 

16. Wenn nein, warum nicht?

 

17. Von 28 EU Staaten liegen bei der Beherbergung 21 Länder unter 13 Prozent MwSt. Die EU empfiehlt sogar Steuersätze auf Beherbergung von 5,5 Prozent, Sie wollen den Steuersatz auf 13 Prozent anheben. Wird der Tourismusstandort Österreich dadurch weiter an Konkurrenzfähigkeit einbüßen?

 

18. Wenn ja, welche weiteren Schritte werden Sie zukünftig seitens Ihres Ministeriums setzen, um dies zu verhindern? Wenn nein, warum nicht?