5279/J XXV. GP

Eingelangt am 03.06.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Werner Kogler, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Haftungstricks vieler Bundesländer vor dem Hintergrund der Verpflichtung zur Budgetwahrheit

BEGRÜNDUNG

 

Bereits bei Beschluss des Stabilitätspaktes 2012 übten die Grünen scharfe Kritik an den fehlenden Kriterien und den intransparenten Vorgangsweisen bei Haftungsfragen und Budgetdarstellungen. Nun beweist der aktuelle Rechnungshofbericht, dass der Stabilitätspakt das Papier nicht wert ist, auf dem er steht, weil in den Haftungsfragen viele Bundesländer den Kurs eines „Minimundus-Kärntens“ eingeschlagen haben, indem sie höhere Haftungen eingehen, als ihre Haushalte erlauben würden.  Der Rechnungshof kritisiert massiv:

Bund, Länder und Gemeinden verpflichteten sich im Österreichischen Stabilitätspakt (ÖStP) 2012, ihre Haftungen zu beschränken. Eine gesamtstaatliche Haftungsober­grenze war nicht festgelegt worden, auch fehlte eine einheitliche Vorgangsweise bei Ermittlung der Haftungsobergrenzen. Die Haftungsobergrenzen sollen lt. dem ÖStP 2012 „zur Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und zu nach­haltig geordneten Haushalten beitragen“. Der ÖStP erhielt damit zwar eine gesamt­staatliche Perspektive, eine nähere Konkretisierung dieser Zielsetzungen — bspw. durch die Festlegung quantifizierbarer Haftungsobergrenzen — nahmen die Ver­tragspartner des ÖStP jedoch nicht vor. Der ÖStP 2012 enthielt dementspre­chend weder gesamtstaatlich noch für die einzelnen staatlichen Ebenen eine Quantifi­zierung bzw. betragsmäßige Festlegung von Haftungsobergrenzen. Weil sohin die Maßstäbe zur Erfüllung der gesamtstaatlichen Perspektive unklar waren, hatten Bund (der Bund bestimmte die Haftungsobergrenzen für die Bundesebene) und Länder (die Länder bestimmten die Haftungsobergrenzen für die Länder– und die Gemeindeebene) einen betragsmäßig unbeschränkten Spielraum bei Festlegung ihrer Haftungsobergrenzen. Dies führte dazu, dass für die Länder und Gemeinden insgesamt 17 Haftungsobergrenzen bestanden, die sich nach der Höhe, den Ermitt­lungsgrundlagen und -methoden sowie dem Geltungsumfang und -zeitraum unter­schieden. Dadurch war eine Vergleichbarkeit der Länder nicht gegeben und die eigentliche Intention der Regelung zur Haftungsbegrenzung im ÖStP 2012, nämlich einen Beitrag zum gesamtstaatlichen Gleichgewicht und zu nachhaltig gesicherten Haushalten zu leisten, nicht verwirklicht worden. Überdies bewirkten die Unterschie­de, dass den Haftungsobergrenzen jegliche Aussagekraft für eine gesamtstaatliche Steuerung fehlte.

Die Haftungsobergrenzen der Länder und der Stadt Wien betrugen für 2012 ins­gesamt 30,614 Mrd. EUR. Ihre Haftungen lagen Ende 2012 insgesamt jedoch bei 70,411 Mrd. EUR und damit mehr als doppelt so hoch wie die Summe aller Haftungsobergrenzen. Um die Haftungsobergrenzen einzuhalten, sahen die meisten Länder vor, Haftungen entweder nicht (bspw. die Bankenhaftungen) oder nicht in ihrer vollen Höhe in die Haftungsobergrenzen einzubeziehen. Diese unter­schiedlichen Vorgangsweisen führten zu einer Intransparenz, die den gesamtstaat­lichen Nutzen der Regelung zur Haftungsbegrenzung in Frage stellte.

Die Länder Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, Steiermark  und  Vor­arlberg  fassten  die  Haftungen  zu  Risikogruppen zusammen. Diese Länder rech­neten in der Folge die Haftungen nicht mit den Nominalwerten, sondern mit den auf­grund der Risikogruppen gewichteten, zumeist niedrigeren Werten, auf die Haftungs­obergrenzen  an.  Die  Risikogruppen  bildeten  jedoch  das  mit  den Haftungen ver­bundene Risiko für die öffentlichen Haushalte nicht adäquat ab, weil die Länder sie nicht an der finanziellen Situation der  Haftungsempfänger  ausrichteten,  sondern  überwiegend  nach dem Beteiligungsausmaß bzw. ihren Einflussmöglichkeiten. Da­durch waren die auf die Haftungsobergrenzen angerechneten Beträge nicht reprä­sentativ für den Gesamthaftungsstand.

Für die Gemeinden legten die Länder im Jahr 2012 Haftungsobergrenzen  in  Höhe  von  insgesamt  8,442  Mrd.  EUR  fest.  Die  Haftungen aller Gemeinden zusammen­gerechnet betrugen Ende 2012  6,674 Mrd. EUR und waren damit niedriger als die kumulierten Haftungsobergrenzen. Auf Gemeindeebene sahen die Regelungen der Länder Niederösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg vor, Haftungen nicht in voller Höhe, sondern auf Basis von Risikogruppen oder mit einem Pauschalsatz gewichtet in die Haftungsobergrenzen einzubeziehen.

Daher empfiehlt der Rechnungshof:

(1)  Vereinbarungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im Rahmen der Haushaltsführung wären in der erforderlichen Regelungstiefe abzuschließen und mit konkreten Indikatoren zu versehen, so dass die Einheitlichkeit gewahrt und die Zielerreichung überprüft werden kann.

(2)  Um die angestrebte Transparenz im Bereich der „sonstigen Eventualverbind­lichkeiten“ zu erreichen, wäre klar zu definieren, welche Eventualverbindlich­keiten von der Ausweispflicht betroffen sind. Zudem wären für deren Erfas­sung einheitliche Standards im Sinne der Fiskal–Rahmenrichtlinie der EU festzulegen.

(3)  Die Informationen aus dem Ausweis der „sonstigen Eventualverbindlichkeiten“ sollten dazu genutzt werden, ein gesamtstaatliches, gebietskörperschaften­übergreifendes  Risikomanagement auszuarbeiten und zu vereinbaren. Dabei sollten neben Haftungen auch weitere Eventualrisiken für die öffentlichen Haushalte, etwa aus  Beteiligungen  und  Darlehensgewährungen,  einbe­zogen  werden.

(4)  Eine Regelung über die Vorgehensweise bei Überschreiten der Haftungs­obergrenzen sollte getroffen werden.

(5)  Es sollte eine gesamtstaatliche Haftungsobergrenze festgelegt werden, und davon abgeleitet, Haftungsobergrenzen für Bund, Länder  und  Gemeinden.  Jedenfalls  sollten  die  Haftungsobergrenzen gesamtstaatlich nach einer einheitlichen Methodik auf vergleichbaren Grundlagen festgelegt und so ge­staltet werden, dass die Erfüllung der Zielsetzungen des Österreichischen Stabilitätspakts 2012, einen Beitrag zur Sicherstellung des gesamtwirtschaft­lichen Gleichgewichts und zu nachhaltig geordneten Haushalten zu leisten, daraus ableitbar ist.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den fünf oben zitierten Empfehlungen des Rechnungshofes an das BMF nachzukommen?

2)    Werden Sie im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen klare und transparente und vergleichbare Regelungen im Haftungsbereich (Haftungsobergrenzen, Ausweispflicht, Standards, Risikomanagement usw.) als Voraussetzung für zukünftige Transferleistungen des Bundes an andere Gebietskörperschaften verankern?

3)    Aus welchen Gründen wurde 2012 verabsäumt, gesamtstaatliche Haftungsobergrenzen und eine einheitliche Vorgangsweise bei der Ermittlung dieser festzulegen?

4)    Im Mai 2012 haben die Grünen Ihrem Vorgänger und damaligen Vizekanzler Spindelegger die Frage gestellt: „Können Sie zusichern, dass die Haushalte der Bundesländer mit dem innerösterreichischen Stabilitätspakt endlich transparent, nachvollziehbar und vor allem vergleichbar werden - oder bleibt es bei der intransparenten, unvergleichbaren und damit unhaltbaren Situation?“
Wann werden Sie diese Frage mit Ja beantworten können?