5570/J XXV. GP

Eingelangt am 19.06.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Daniela Musiol, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Inneres

betreffend Verbesserung der Europäischen Bürgerinitiative

BEGRÜNDUNG

 

Die Europäische Bürgerinitiative wurde erstmals 2009 mit dem Vertrag von Lissabon verankert und 2012 mit der Verordnung über die Europäische Bürgerinitiative[1] näher ausgestaltet, welche am 1. April 2012 in Kraft getreten ist. Die Verordnung gilt unmittelbar, wird in Österreich aber durch das Europäische Bürgerinitiative-Gesetz[2] begleitet.

 

Obwohl sich der European Data Protection Supervisor dagegen ausgesprochen hatte,[3] reihte sich Österreich von sich aus in die Liste der restriktiven Länder ein, indem es von der Möglichkeit Gebrauch machte, bei der Unterstützungserklärung die Angabe einer persönlichen Identifikationsnummer zu verlangen. Dieses Erfordernis wurde noch weiter dadurch erschwert, dass in Österreich ausschließlich die Pass- oder Personalausweisnummer angegeben werden darf. In einem Land, in dem keine allgemeine Ausweispflicht besteht, schließt dies viele Menschen bereits grundsätzlich von der Unterstützung einer Europäischen Bürgerinitiative aus, da sie gar keinen (gültigen) Pass oder Personalausweis besitzen. Überdies tragen sehr viele BürgerInnen ihren Pass oder Personalausweis nicht immer bei sich, eine Unterstützung auf der Straße ist damit nicht möglich. Einer im Februar 2015 veröffentlichten Studie des Europäischen Parlaments zufolge führt dieses Erfordernis aufgrund von Bedenken über den Schutz der Privatsphäre außerdem zu einer höheren Ausstiegsrate potentieller UnterzeichnerInnen.[4] Auch die Erfahrungen der österr. Bundeswahlbehörde - welche alle Unterstützungsbekundungen auf ihre Gültigkeit überprüft - bestätigen, dass eine fehlende oder mangelhafte ID-Nummer der häufigste Grund ist, warum eine große Zahl bei den Unterstützungsbekundungen in Papierform nicht in die Ergebnisermittlung miteinbezogen werden können.[5] 

 

Nicht zuletzt spricht sich die Europäische Kommission in ihrem am 31. März 2015 veröffentlichten Evaluierungsbericht der Verordnung über die Europäische Bürgerinitiative für eine Harmonisierung dieser in  Anhang  III  der  Verordnung  festgelegten  Anforderungen  aus: „Die Unterschiede bei den Voraussetzungen und personenbezogenen Daten, die die Mitgliedstaaten von den Unterzeichnern verlangen, bereiten weiterhin Anlass zur Sorge, insbesondere wenn Bürger dadurch von ihrem Recht, eine Initiative zu unterstützen, ausgeschlossen sind.“[6] Die Kommission weist weiters darauf hin, dass eine Änderung auf  Antrag  des betreffenden  Mitgliedstaats  durch  einen  delegierten  Rechtsakt  der  Kommission  erfolgen könne,[7] und “begrüßt den konstruktiven Ansatz jener Mitgliedstaaten, die auf die Aufforderung, die Datenanforderungen zu vereinheitlichen und zu vereinfachten, positiv reagiert haben“.[8]

 

Die Kommission sieht gemäß Evaluierungsbericht außerdem Verbesserungsbedarf bei der fehlenden Rechtspersönlichkeit der Bürgerausschüsse, den einzuhaltenden Fristen, der Überprüfung von Übersetzungen, der Online-Sammlung von Unterschriften, den öffentlichen Anhörungen, sowie dem Dialog zwischen Organisatoren und der Kommission. Ein großes Problem sei außerdem, dass viele Initiativen nicht registriert werden könnten, da sie offenkundig außerhalb des Rahmens lagen, in dem die Kommission befugt ist, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union vorzulegen, um Verträge umzusetzen.

 

In der Entschließung des Nationalrates Nr. 231/E vom 29. Februar 2012 wurde die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Inneres aufgefordert, zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen die Liste der persönlichen Ausweispapiere erweitert werden könnte. Darüber hinaus wurde die Bundesministerin für Inneres aufgefordert, sich für eine Verbesserung der Verordnung auf EU-Ebene einzusetzen, da bereits 2012 Probleme der Verordnung sichtbar waren:

 

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Inneres, wird aufgefordert, sich auf Ebene der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass die Verordnung betreffend die Europäische Bürgerinitiative so bald wie möglich jedoch spätestens anlässlich der Evaluierung in drei Jahren, dahingehend geändert wird, dass

1.    für auf elektronischem Weg abgegebene Unterstützungsbekundungen ein bei der Kommission angesiedeltes zentrales Online-Sammelsystem bereitgestellt wird, mit dem auch eine zentrale Erfassung und ein zentrales Clearing der Unterstützungsbekundungen realisiert wird,

2.    für die Abgabe von Unterstützungsbekundungen einheitliche Regelungen verankert werden, mit denen unter Wahrung eines größten Maßes an Datensicherheit und eines dennoch einfachen Zugangs zu einer Europäischen Bürgerinitiative in sämtlichen Mitgliedstaaten einheitliche Bedingungen für die Unterfertigung von Unterstützungsbekundungen durch Unionsbürgerinnen und Unionsbürger aller Mitgliedstaaten gewährleistet sind,

3.    alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger einheitliche Bedingungen zur Unterstützung einer EBI vorfinden,

4.    Organisatorinnen und Organisatoren europaweit einheitlichen Anspruch auf Kostenersatz erhalten.

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Inneres wird außerdem aufgefordert, zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen die Liste der persönlichen Ausweispapiere (derzeit Reisepass und Personalaus-weis) erweitert werden könnte, um möglichst vielen Personen eine Unterstützung zu erleichtern und gegebenenfalls auf Grund des Ergebnisses dieser Überprüfung gegenüber der Europäischen Kommission für eine entsprechende Änderung einzutreten.“

 

Nach knapp einem Jahr Europäischer Bürgerinitiative, stellten Abgeordnete Daniela Musiol, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Inneres am 30. Jänner 2013 eine Anfrage 13716/J betreffend Verbesserung der Rahmenbedingungen für Europäische Bürgerinitiativen. Auskunft wurde insbesondere darüber verlangt, ob das Innenministerium zwischenzeitig entsprechend dem letzten Absatz der Entschließung überprüft habe, ob die Liste der persönlichen Ausweispapiere, erweitert werden könne, was das Ergebnis der Überprüfung sei, insbesondere welche anderen Nachweise/Dokumente auf ihre Tauglichkeit überprüft wurden und ob Österreich an die Kommission herangetreten sei, um eine entsprechende Änderung der Verordnung zur leichteren Unterstützung in Österreich zu erwirken. Darüber hinaus wurde auch angefragt, in welcher Weise Österreich an die Kommission herangetreten sei, um die in Zif. 1-4 der Entschließung formulierten Verbesserungsanliegen der Verordnung auf EU-Ebene zu befördern.

 

Die Bundesministerin für Inneres antwortete mit Anfragebeantwortung 13547/AB vom 22.3.2013, dass der  Bundeswahlbehörde  Unterstützungsbekundungen  zur  Europäischen Bürgerinitiative bislang weder in Papierform noch in elektronischer Form zur Überprüfung vorgelegt worden seien: „Das  Sammeln  einschlägiger  Erfahrungen  mit  der  Überprüfung  von  Unterstützungsbekundungen  erscheint  mir  als  eine  der  Grundvoraussetzungen,  um  im  Sinn  der  Entschließung des  Nationalrats  vom  29.  Februar  2012  (Nr.  231/E)  tätig  zu  werden.  Erste  Überlegungen betreffend  die  Ausweitung  des  Kataloges  der  zur  Identifikation  zulässigen  Nummern  von Ausweispapieren wurden in meinem Ressort dennoch bereits getroffen; sie werden in nächster Zeit intensiv fortgesetzt. Aufgrund  der  beschriebenen  Gegebenheiten  war  es  bislang  auch  nicht  angezeigt,  an  die Kommission im Zusammenhang mit dem Katalog der Ausweispapiere heranzutreten.“

 

Ungeachtet der Tatsache, dass die Bundeswahlbehörde seit Herbst 2013 „einschlägige Erfahrungen mit  der Überprüfung  von Unterstützungsbekundungen“ gesammelt hat,[9] hat das Innenministerium nach wie vor keine Ergebnisse der im letzten Absatz der Entschließung des Nationalrates vom 29. Februar 2012 angesprochenen Überprüfung vorgelegt. Nach nunmehr 3 Jahren Europäische Bürgerinitiative hatte gemäß Art 22 der Verordnung die Kommission mit 1.4.2015 einen Bericht über die Anwendung der Verordnung vorzulegen, worin ein „weiter Spielraum für Verbesserungen“ erkannt wird.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    a) Hat das Innenministerium zwischenzeitig entsprechend dem letzten Absatz der Entschließung des Nationalrates Nr. 231/E vom 29. Februar 2012 überprüft, ob die Liste der persönlichen Ausweispapiere (derzeit nur Reisepass und Personalausweis), mit denen die UnterstützerInnen ihre Identität nachweisen müssen, erweitert werden kann, damit die Unterstützung einer Europäischen Bürgerinitiative in Zukunft in Österreich erleichtert wird?

b) Was ist das Ergebnis der Überprüfung, insbesondere welche anderen Nachweise/Dokumente wurden auf ihre Tauglichkeit überprüft?

c) Ist Österreich an die Kommission herangetreten, um eine entsprechende Änderung der in Anhang III der Verordnung festgelegten Datenanforderungen in Österreich zu erwirken?

d) In welcher Weise soll Österreich nach Auffassung der Bundesministerin für Inneres der Aufforderung der Kommission, die in Anhang III der Verordnung festgelegten Datenanforderungen zu vereinheitlichen und zu vereinfachen, nachkommen?

 

2)    a) In welcher Weise ist Österreich bis jetzt an die Kommission herangetreten, um die in Zif. 1-4 der Entschließung formulierten Anliegen zu befördern, nämlich 1.  ein bei der Kommission angesiedeltes zentrales Online-Sammelsystem für auf elektronischem Weg abgegebene Unterstützungsbekundungen, 2.  einheitliche Bedingungen für die Unterfertigung von Unterstützungsbekundungen, 3.  einheitliche Bedingungen für die Unterstützung einer Europäischen Bürgerinitiative sowie 4. einheitlichen Anspruch auf Kostenersatz?

b) Welche Reaktionen auf europäischer Ebene und bei den anderen Mitgliedstaaten hat diese Initiative Österreichs ausgelöst?

 

3)    a) In welcher Weise wurden nach Ansicht des Innenministeriums die in den Zif. 1-4 der Entschließung formulierten Anliegen durch den am 31. März 2015 veröffentlichten Evaluierungsbericht der Kommission zur Anwendung der Verordnung Nr. 211/2011 und die im Februar 2015 veröffentlichte Studie des Europäischen Parlaments bestätigt?

b) Ergibt sich nach Ansicht des Innenministeriums aus dem Evaluierungsbericht der Kommission und der Studie des Parlaments über die Zif. 1-4 der Entschließung hinausgehender Verbesserungsbedarf?

c) Ergibt sich nach Ansicht des Innenministeriums aus dem Evaluierungsbericht der Kommission und der Studie des Europäischen Parlaments Verbesserungsbedarf dahingehend, dass die die notwendige Mindestzahl an einer Million UnterstützerInnen gesenkt werden muss?

d) Ergibt sich nach Ansicht des Innenministeriums aus dem Evaluierungsbericht der Kommission und der Studie des Europäischen Parlaments Verbesserungsbedarf dahingehend, dass die Sammelfrist auf mindestens 18 Monate verlängert werden sollte?

e) Ergibt sich nach Ansicht des Innenministeriums aus dem Evaluierungsbericht der Kommission und der Studie des Europäischen Parlaments Verbesserungsbedarf dahingehend, dass das Mindestalter für die Unterstützung einheitlich auf 16 Jahre gesenkt werden sollte?

f) Ergibt sich nach Ansicht des Innenministeriums aus dem Evaluierungsbericht der Kommission und der Studie des Europäischen Parlaments Verbesserungsbedarf dahingehend, dass Ablehnungsentscheidungen der Kommission begründet werden müssen?

g) Ergibt sich nach Ansicht des Innenministeriums aus dem Evaluierungsbericht der Kommission und der Studie des Europäischen Parlaments Verbesserungsbedarf hinsichtlich der fehlenden Rechtspersönlichkeit der Bürgerausschüsse, um die Haftung der Mitglieder zu minimieren?

h) Ergibt sich nach Ansicht des Innenministerium aus dem Evaluierungsbericht der Kommission und der Studie des Europäischen Parlaments Verbesserungsbedarf dahingehend, dass die Organisatoren von Bürgerinitiativen bei der Übersetzung der Bürgerbegehren durch die Kommission unterstützt werden?

i) Ergibt sich nach Ansicht des Innenministeriums aus dem Evaluierungsbericht der Kommission und der Studie des Europäischen Parlaments Verbesserungsbedarf dahingehend, dass eine von der Europäischen Kommission getrennte Informations- und (rechtliche) Beratungsstelle für Europäische Bürgerinitiativen eingerichtet werden sollte?

j) In welcher Weise hat Österreich auf Ebene der Europäischen Union angeregt, die über Zif. 1-4 der Entschließung hinausgehenden Anliegen, insbesondere die unter Punkt 3 b)-i) dieser Anfrage, zu erwirken?

k) Welche Reaktionen auf Ebene der Europäischen Union und bei den anderen Mitgliedstaaten hat diese Initiative Österreichs ausgelöst?

k) Sieht das Innenministerium noch weiteren Änderungsbedarf, der noch nicht genannt wurde?

 

 

4)    a) Hat Österreich auf Ebene der Europäischen Union angeregt, im Zuge der laufenden Überlegungen über die Verbesserung der Europäischen Bürgerinitiative auch Fragen von Primärrechtsänderungen zu behandeln?

b) Welche Reaktionen auf europäischer Ebene und bei den anderen Mitgliedstaaten hat diese Initiative Österreichs ausgelöst?

 

5)    Wie ist der Prozess zur Verbesserung der Europäischen Bürgerinitiative auf Ebene der Europäischen Union mit welchem zeitlichen Fahrplan aufgesetzt und ich welchen Gremien soll was beraten werden?

 



[1] Verordnung (EU) Nr. 211/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Bürgerinitiative, ABl. Nr. L 65 vom 11. März 2011 S. 1 (iwF EBI-VO).

[2] Bundesgesetz über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen, BGBl. I Nr. 12/2012.

[3] Opinion of the European Data Protection Supervisor on the proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the citizens‘ initiative, point 10. OJ 2010/c 323/01. – FN 38.

[4] European Parliamentary Research Service, Implementation of the European Citizens‘ Initiative, The experience of the first three years, February 2015, 17f.

[5] Stein, Europäische Bürgerinitiative – endlich erste praktische Erfahrungen, in Jusletter IT 20. Februar 2014, RZ 15; vgl auch European Parliamentary Research Service, Implementation of the European Citizens‘ Initiative, The experience of the first three years, February 2015, 18.

[6] Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 211/2011 über die Bürgerinitiative, 31.3.2015, 16.

[7] Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 211/2011 über die Bürgerinitiative, 31.3.2015, 7.

[8] Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 211/2011 über die Bürgerinitiative, 31.3.2015, 16.

[9] Siehe zB Stein, Europäische Bürgerinitiative – endlich erste praktische Erfahrungen in Jusletter IT 20. Februar 2014, RZ 15.