5744/J XXV. GP

Eingelangt am 25.06.2015
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Anfrage

 

des Abgeordneten Lausch

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Justiz

betreffend systembedingte Problemfelder in der Justizanstalt Wien-Josefstadt und AST Wilhelmshöhe

 

Mit Einschreiben vom 05.03.2014 richteten die Bediensteten der Justizanstalt Wien-Josefstadt und AST Wilhelmshöhe nachweislich ein Schreiben mit folgendem Inhalt an den Herrn Bundesminister für Justiz:

 

 

 

An den Herrn

Bundesminister für Justiz

 

Wien, am 05.03.2014

 

Sehr geehrter  Herr Justizminister!

 

Wir, die Exekutivbediensteten der Justizanstalt Wien-Josefstadt und AST Wilhelmshöhe, wenden uns in diesem offenen Brief an Sie, da es uns unerlässlich erscheint, Sie von folgenden Umständen offiziell in Kenntnis zu setzen.

 

Der Beruf des/r Justizwachebeamten/in gilt allgemein als einer der schwierigsten Berufe Österreichs. Der tägliche Umgang mit Schwerstkriminellen – die uns durch den dauernden Kontakt schon nahezu besser kennen, als unsere eigenen Familien, Frauen, Männer und Kinder – stellt generell bereits eine Belastung dar. Kein/e einzige(r) Justizwachebeamte(r) hat sich jedoch bis dato darüber beschwert.

 

Die derzeitige Entwicklung führt nun aber dazu, dass wir auf eine direkte Kontaktaufnahme mit Ihnen in dieser Form zurückgreifen müssen.

 

Wir sind aus unserer Sicht verpflichtet sie über Folgendes zu informieren:

 

Obwohl die Justizanstalt Wien-Josefstadt nur für knapp über 900 Insassen konzipiert ist, beläuft sich der tatsächliche Belag meist auf 1200 bis 1300. Die größte Justizanstalt, mitten in der Wiener Innenstadt platzt aus allen Nähten, während zu wenig Personal für ausreichend Sicherheit und Betreuung zur Verfügung steht.


Die Personalsituation der Justizanstalt wurde bereits zweimal auf Steuerkosten evaluiert. Das Ergebnis ist insofern erschreckend, dass laut Gutachten die JA Wien-Josefstadt einen Personalstand von mind. 485 Justizwachebeamten/innen nötig hätte, während der aktuelle Personalstand (Langzeitkrankenstände noch nicht berücksichtigt) nur 410 Beamte/innen ausweist.

 

Nur einige Fakten aus der JA Wien-Josefstadt:

 

Ø  Wir sehen uns mit allen Vollzugsformen (Jugendliche, Frauen, Männer, geistig abnorme Rechtsbrecher, U-Haft, Delikte vom Diebstahl bis zum mehrfachen Mord) konfrontiert

Ø  Anstaltsintern muss durch jährlich über 40.000 geleistete Überstunden der Personalnotstand kompensiert werden

Ø  Ein Dienstbetrieb ist nur noch deshalb möglich, da Beamte/innen neben ihrer 100%igen Dienstverrichtung (ausgewiesenen Tätigkeit) zu weitern, zusätzlichen Tätigkeiten herangezogen werden und diese außerplanmäßig mitverrichten

Ø   In Härtefällen sehen sich Justizwachebeamte/innen mit nur 2-3 freien Tagen/Monat konfrontiert

Ø  2 Beamte/innen sind z.B. allein mit 130 Häftlingen auf einer Abteilung

Ø  Sicherheitsmaßnahmen wie Visitierungen, Haftraumkontrollen, etc. sind aufgrund des Personalmangels nahezu unmöglich geworden

Ø  Aufgrund der Personalsituation werden Mitglieder der Einsatzgruppe so zugeteilt, dass sie in Notfällen nicht mehr angefordert werden können und nicht mehr zur Verfügung stehen

 

Während diese Liste noch weiter ausführbar wäre, sehen sich die Bediensteten zusätzlich mit Vorverurteilungen und „mobbingähnlichen Verhältnissen“ durch die dienstvorgesetzte Behörde (Vollzugsdirektion aber auch Anstaltsleitung) konfrontiert.

 

Würden wir Justizwachebeamte/innen mit Häftlingen so umgehen, wie wir selbst von der dienstvorgesetzten Behörde behandelt werden, würden wir uns höchstwahrscheinlich mit einem Disziplinarverfahren konfrontiert sehen. Der Grundtenor in der Belegschaft ist, dass Häftlinge bereits teilweise besser behandelt werden, als die Bediensteten selbst.

 

Nach den in den Medien bekannt gewordenen Missständen rund um den Jugendvollzug wurden von Ihrer Vorgängerin und dem Ministerium mehr Personal und eine Lösung des Problems in Aussicht gestellt. Nichts davon wurde eingehalten, die Situation hat sich sogar noch verschlimmert!

 

Wir weisen sie darauf hin, dass die in den Medien bekannt gewordenen Missstände rund um den Jugendstrafvollzug nur die Spitze des Eisberges darstellen, und die reale Situation um ein vielfaches schlimmer ist.

 

Selbst wenn die Lage im Moment noch durch besondere Mehrleistungen einzelner Bediensteter zu bewältigen ist, führt die vorherrschende Situation unter den Bediensteten bereits zu Anzeichen von „Burn-Out“ Erkrankungen und massiver Frustration. Eine automatische Verschlechterung der Lage ist vorprogrammiert. Auch Justizwachebeamte/innen sind Menschen und erreichen irgendwann die Grenzen des Möglichen.


Zusammenfassend möchten wir sie deshalb offiziell über folgende Umstände in Kenntnis setzen:

 

Ø  Die Justizwachebeamten/innen der JA Wien-Josefstadt & AST Wilhelmshöhe setzen Sie offiziell darüber in Kenntnis, dass die Sicherheit in der Justizanstalt aus Sicht der Belegschaft nicht mehr gegeben ist.

 

Ø  Die Justizwachebeamten/innen der JA Wien-Josefstadt & AST Wilhelmshöhe setzen Sie offiziell darüber in Kenntnis, dass das Strafvollzugsgesetz (etwa der § 102 – Sicherung der Ordnung in der Anstalt) nicht mehr aufrecht zu erhalten ist.

 

Ø  Die Justizwachebeamten/innen der JA Wien-Josefstadt & AST Wilhelmshöhe setzen Sie offiziell darüber in Kenntnis, dass davon auszugehen ist, dass neben TBC-Missständen und ähnlichem mehrere Beamte/innen bereits jetzt Anzeichen von gesundheitlichen Folgeschäden („Burn-Out Erkrankung) zeigen, und sich die gesundheitliche Situation rapide verschlechtert.

 

Ø  Die Justizwachebeamten/innen der JA Wien-Josefstadt & AST Wilhelmshöhe setzen Sie offiziell darüber in Kenntnis, dass nur durch ein Wunder bis dato schwerwiegendere Sicherheitszwischenfälle ausgeblieben sind, sich die Sicherheitslage jedoch täglich zuspitzt.

 

Sehr geehrter Herr Justizminister!

 

Wir bitten Sie, besuchen sie die Justizanstalt Wien-Josefstadt und die dazugehörige Außenstelle Wilhelmshöhe und machen sie sich vor Ort selbst ein Bild von den untragbaren Zuständen!

 

Hochachtungsvoll

 

Die Exekutivbediensteten

der JA Wien-Josefstadt &  AST Wilhelmshöhe

 

Obwohl die Justizwachebeamten, vor allem im Zusammenhang mit dem eklatanten Personalmangel darauf hingewiesen haben, dass die Sicherheit in der Justizanstalt nicht mehr gegeben ist, das Strafvollzugsgesetz nicht mehr vollzogen werden kann, und mehrere Beamte bereits Anzeichen von gesundheitlichen Folgeschäden zeigen, haben Sie bis heute weder die Einladung der Beamtenschaft angenommen und sich ein Bild der Lage vor Ort gemacht bzw. das Problem direkt mit den Betroffenen besprochen. Gleichzeitig sind aus Sicht der Bediensteten noch keine Maßnahmen zur Lösung der systembedingten Probleme getroffen worden.

 

Weiters wurden offiziell im Jahr 2014 18 Justizwachebeamte in der besagten Justizanstalt bei Übergriffen verletzt.

 

 

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bundesminister für Justiz folgende


Anfrage

 

1.    Ist Ihnen die aktuelle Problematik der Justizanstalt Wien-Josefstadt und AST Wilhelmshöhe bekannt?

2.    Warum haben Sie auf dieses Schreiben und den "Hilferuf" von über 430 Beamten aus ihrem Ressort nicht reagiert?

3.    Warum haben Sie die Einladung zum persönlichen Gespräch mit den betroffenen Beamten nicht angenommen?

4.    Wie rechtfertigen Sie, dass obwohl Ihnen bekannt war, dass die Sicherheit nicht mehr gegeben ist, 18 Justizwachebeamte (deutlich mehr als in jeder anderen Justizanstalt) im Jahr 2014 verletzt wurden?

5.    Können Sie ausschließen, dass im Zusammenhang mit den 18 verletzten Beamten, trotz nachweislicher Inkentnissetzung kein Verstoß gegen die Obsorgepflicht bzw. diverse Dienstpflichten seitens des Dienstgebers gegenüber der ihm anvertrauten Beamten vorliegt und wie rechtfertigen Sie diese Haltung?

6.    Wie sehen Sie die Obsorgepflicht bzw. diverse Dienstpflichten des Dienstgebers im Hinblick auf die Gesundheit der Beamten in Zusammenhang mit "Burn-Out-Erkrankungen" o.ä.?

7.    Wie rechtfertigen Sie den eklatanten Platzmangel und die damit einhergehenden Missstände in der Unterbringung der Insassen durch den akuten Überbelag (rd. 230 über Plan)?

8.    Wie rechtfertigen Sie, dass sich aktuell bereits bauliche Maßnahmen (fachspezifische Sanierungsmaßnahmen) in der Justizanstalt in Umsetzung befinden sollten, diese sich jedoch laufend zeitlich verschleppen?

9.    Wie rechtfertigen Sie, dass sie obwohl sie darüber in Kenntnis waren, dass das Strafvollzugsgesetz nicht mehr einwandfrei vollzogen werden kann, diesen Umstand nun seit über einem Jahr nicht gelöst haben?

10. Wie begründen Sie in diesem Zusammenhang die systembedingten Problemfelder, die die Volksanwaltschaft auch in der JA Wien-Josefstadt aufzeigt?

11. Welche kurz- und langfristigen konkreten Konzepte haben Sie, um den hohen Insassenstand zu minimieren?

12. Welche kurz- und langfristigen konkreten Konzepte haben Sie, um generell die Problemfelder in der Justizanstalt Wien-Josefstadt und AST Wilhelmshöhe zu lösen?

13. Wann werden endlich auch in dieser Justizanstalt die mehrmals zugesagten zusätzlichen Planstellen der Exekutive zugeteilt?

14. Warum wurde das bisher noch nicht sichergestellt, obwohl sie vor über einem Jahr über die eklatanten Missstände informiert wurden?

15. Ist geplant sich nun endlich mit den Betroffenen auseinanderzusetzen, und wenn ja, in welcher Form?