5765/J XXV. GP

Eingelangt am 29.06.2015
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Anfrage

des Abgeordneten Johann Rädler
Kolleginnen und Kollegen
an den Bundeskanzler

betreffend:          Besuch des österreichischen Bundeskanzlers beim griechischen Ministerpräsidenten am 17. Juni 2015, Auswirkungen der Flüchtlingskrise in Griechenland auf Österreich

In den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind in Griechenland ca. 48.000 Asylwerber angekommen. Aufgrund mangelnder Aufnahmekapazitäten Griechenlands werden ein Großteil der Flüchtlinge nach ihrer Ankunft entgegen der völker- und unionsrechtlichen Verpflichtungen weder registriert noch ausreichend versorgt bzw. untergebracht. Insbesondere auf den griechischen Inseln ist keine adäquate Versorgung der Flüchtlinge gegeben.

Die Route über die Ägäis nach Griechenland hat sich zu einem zu einem Hauptfluchtweg nach Europa entwickelt. Insgesamt sind auf Lesbos in diesem Jahr bereits über 20.000 Bootsflüchtlinge angekommen. Auch auf anderen Inseln stranden tausende Flüchtlinge, ohne dort registriert oder angemessen versorgt zu werden.

Diese von den griechischen Behörden im Stich gelassenen Flüchtlinge suchen ihr Heil in der Weiterreise in andere europäische Staaten. Eine große Zahl flüchtet nach Österreich.

In Österreich werden diese Personen selbstverständlich ordnungsgemäß und entsprechend unserem eigenen humanitären Anspruch sowie der völker- und unionsrechtlichen Vorschriften untergebracht und versorgt. Da aber die Rückführung der über Griechenland in die EU bzw. nach Österreich gelangten Flüchtlinge aufgrund der menschenrechtswidrigen Versorgungssituation von Flüchtlingen in Griechenland nicht möglich ist, müssen diese Personen in Österreich verbleiben und auf Kosten Österreichs versorgt werden, obwohl nach dem Dublin-System Griechenland dafür zuständig wäre.

1.         In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigen Abgeordneten an Sie folgende Anfragen. Haben Sie anlässlich Ihres Besuchs beim griechischen Ministerpräsidenten am 17. Juni 2015 die Versorgungssituation von Flüchtlingen in Griechenland angesprochen und darauf hingewiesen, dass

a.         durch das rechtswidrige Verhalten des griechischen Staats hinsichtlich Registrierung und Versorgung von Flüchtlingen diese tatsächlich dazu gezwungen sind, in andere Mitgliedstaaten der EU weiter zu reisen;

b.         sich Griechenland seinen menschen- und unionsrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt und somit die europäischen Partner Griechenlands gezwungen sind, die Verfehlungen Griechenlands in der Asylpolitik ihrerseits auszugleichen;

c.         das unionsrechtlich verankerte Dublin-System durch das rechtswidrige Verhalten Griechenlands ausgehebelt wird, weil eine Rückführung von Flüchtlingen nach Griechenland aufgrund der menschenrechtswidrigen Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland rechtlich nicht möglich ist;

d.         durch das rechtswidrige Verhalten Griechenlands die aufgrund nationaler und internationaler Konflikte ohnehin angespannte Versorgungssituation von Flüchtlingen in anderen Mitgliedstaaten der EU und Österreich weiter verschärft wird;

e.         Griechenland durch sein Verhalten in der Flüchtlingsfrage den für die EU so wichtigen Solidaritätsgedanken negiert;

f.           in Österreich wenig Verständnis dafür besteht, dass einerseits Griechenland über die Bedingungen für die finanzielle Hilfe zur Bewältigung seiner Staatsschuldenkrise neu verhandeln will und andererseits seinen menschen- und unionsrechtlichen Verpflichtungen hinsichtlich der Registrierung und Versorgung von Flüchtlingen zu Lasten Österreichs nicht nachkommt und somit droht, dass das österreichische Budget doppelt belastet werden könnte?

2.         Sollten Sie die vorhin dargestellten Problemfelder nicht mit dem griechischen Ministerpräsidenten besprochen haben, stellen die unterfertigten Abgeordneten vor dem Hintergrund, dass Sie sich eben der Bewältigung der angespannten Unterbringungssituation von Flüchtlingen in Österreich persönlich angenommen haben, an Sie die Frage, aus welchen Gründen Sie es für nicht notwendig erachtet haben, diese für Österreich derzeit so wichtige Angelegenheit mit ihrem griechischen Amtskollegen zu besprechen?