5926/J XXV. GP

Eingelangt am 08.07.2015
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Anfrage

 

 

des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend Interpretationswillkür und Auslegungstohuwabohu der Bedeutung der Wortfolge: „die Verabreichung von Speisen in einfacher Art“ in der Gewerbeordnung

 

 

Bis zur im Juni 2002 beschlossenen Novelle der Gewerbeordnung standen dem nicht gebundenen freien Gastgewerbe „Würstelstand“ nachstehende taxativ im § 143 Z 7 GewO 1994 aufgelistete Rechte zu:

Die Verabreichung von gebratenen, gegrillten oder gesottenen Würsten, gebratenem oder gegrilltem Fleisch (ausgenommen Innereien) von Rindern und Schweinen, gegrilltem Geflügel und Fisch, Pommes frites, Fleisch und Wurstsalaten, Fleisch und Wurstmayonnaisesalaten, Brotaufstrichen, belegten Brötchen, üblichen kalten Beigaben, wie Essiggemüse, Mayonnaise, Senf, Kren, Brot und Gebäck, in einfacher Art, und von vorverpackt angeliefertem Speiseeis

sowie der Ausschank von Milchmischgetränken, anderen nichtalkoholischen kalten Getränken und Flaschenbier, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuß von Speisen oder Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden.

 

Mit 13. Juni 2002 wurde im Nationalrat in der Folge eine Novellierung des § 111 GewO beschlossen, mit welcher die taxative Aufzählung der o.a. Rechte entfiel und folgende Formulierung des § 111 Abs. 2 Z 3 beschlossen wurde:

„Keines Befähigungsnachweises für das Gastgewerbe bedarf es für (…)

3. die Verabreichung von Speisen in einfacher Art und den Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden.“

 

Wie in den Erläuterungen zur entsprechenden Regierungsvorlage nachzulesen, wurde diese Änderung unter anderem wie folgt begründet:

„Bei den Imbissstuben wurde die bisher überaus kasuistische Aufzählung einzelner Speisen und Getränke durch eine einfache Formulierung ersetzt, die der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit weiten Spielraum lässt.“

 

Als ein Beispiel wurde unter anderem die Ermöglichung des Anbietens von vegetarischen Speisen angeführt, was aufgrund der taxativ aufgelisteten Speisen nicht möglich war.

 

Daraus erschließt sich eindeutig der Wille des Gesetzgebers, weiterhin nur die Verabreichung von einfachen Speisen im Rahmen des freien Gastgewerbes zu ermöglichen und durch die Streichung der taxativen Aufzählung der zu verabreichenden Speisen eine gewisse Flexibilität zu erlangen.

 

Dies unterstreicht auch ein entsprechendes Infoblatt „Freies Gastgewerbe“ der Wirtschaftskammer Niederösterreich, wo zum Berechtigungsumfang des freien Gastgewerbes (Würstelstand) klar festgehalten wird:

 

„2.1. Verabreichung und Ausschank nach § 111 Abs. 2 Z 3 GewO

Der Berechtigungsumfang des freien Gastgewerbes umfasst die

Verabreichung von Speisen in einfacher Art (darunter versteht man u.a. gebratene, gegrillte oder gesottene Würste, gebratenes oder gegrilltes Fleisch (ausgenommen Innereien) von Rindern und Schweinen, gegrilltes Geflügel und Fisch, Pommes frites, Fleisch- und Wurstwaren, Fleisch- und Wurstmayonnaisesalate, Brotaufstriche, belegte Brötchen, übliche kalte Beigaben, wie Essiggemüse, Mayonnaise, Senf, Kren, Brot und Gebäck, in einfacher Art, und von vorverpackt angeliefertem Speiseeis bzw. von Softeis, Kebab, Langos, Donuts, Gemüselaibchen, Pizzaschnitten sowie Gulasch- und Bohnensuppen, wenn diese vorgefertigt angeliefert und lediglich erhitzt werden

sowie der Ausschank von nichtalkoholischen kalten und warmen Getränken und von Bier in handelsüblich verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuß von Speisen oder Getränken bestimmte Plätze, das sind sowohl Steh- als auch Sitzplätze) bereitgestellt werden.“

 

Ungeachtet dieser eindeutigen Regelung kommt es in der Praxis immer wieder zu höchst unverständlichen Entscheidungen der zuständigen Bezirksverwaltungs-behörden, wo die gegenständliche Bestimmung des § 111 Abs. 2 Z 3 GewO höchst unterschiedlich ausgelegt wird:

So kommt in einem konkreten Fall die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf zu dem Ergebnis, dass diese Bestimmung es ermögliche, alle Speisen ohne Einschränkung zubereiten zu dürfen.

In einem anderen Fall interpretiert die Magistratsabteilung 63 des Magistrats der Stadt Wien die Bedeutung der Wortfolge: „die Verabreichung von Speisen in einfacher Art“ wie folgt:

„Mit dem Begriff „in einfacher Art“ ist die Verabreichungsart gemeint, nicht das Speisenangebot. Gerne könne Sie auch Kaviarbrötchen, Steaks etc. zubereiten und verabreichen.“

Und weiter:

„Die Bezeichnung „Speisen in einfacher Art“ bezieht sich nicht auf darauf, WAS SIE kochen, sondern WIE Sie die Speisen verabreichen. Dabei versteht man unter einfacher Art z.B. Plastik- oder Pappteller und Papierservietten.“

 

Diese willkürliche Auslegung steht aus Sicht der unterfertigten Abgeordneten in einem eklatanten Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers und stellt in der Praxis nicht nur eine massive Konkurrenzsituation für jene Wirte dar, die – aus gutem Grund - eine Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe erbringen müssen, um die Berechtigung für die Verabreichung von Speisen jeder Art zu erlangen, sondern auch mit unter eine Gefahr für die Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten dar.

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft nachstehende

 

 

 

ANFRAGE

 

 

1)    Ist aus Sicht des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft die Bestimmung des § 111 Abs. 2 Z 3 GewO dahingehend zu interpretieren, dass damit sämtliche Speisen verabreicht werden dürfen?

2)    Wenn ja, wie begründen Sie dies?

3)    Wenn nein, warum nicht?

 

4)    Teilen Sie die Ansicht bspw. der Magistratsabteilung 63 der Stadt Wien, wonach Kaviarbrötchen, Steaks etc. gem. § 111 Abs. 2 / 3 GewO zubereitet und verabreicht werden dürfen.

 

5)    In wie vielen Fällen führten österreichweit Entscheidungen von den jeweils zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden dazu, dass Ausübende des „freien Gastgewerbes“ jegliche Speisen ohne Einschränkungen“ verabreichen dürfen?

 

6)    Was werden Sie unternehmen, um die unterschiedlichen Auslegungen diverser Bezirksverwaltungsbehörden in Bezug auf die Ausübung des freien Gastgewerbes zu unterbinden?

 

7)    Werden Sie eine Präzisierung der Gewerbeordnung im Hinblick auf die unterschiedliche Auslegung durch diverse Bezirksverwaltungsbehörden in die Wege leiten?

 

8)    Wenn ja, wann?

 

9)    Wenn nein, warum nicht?

 

 

10) Können Sie Gesundheitsrisiken für die Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund der Erlaubnis der Verabreichung sämtlicher Speisen ohne jede Einschränkung und OHNE Gastgewerbeberechtigung ausschließen?