6022/J XXV. GP

Eingelangt am 08.07.2015
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ANFRAGE

der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres

 

betreffend Unrechtsgehalt einzelner Benesch-Dekrete im Lichte des Stockholm- Programms und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

 

Im Dekret Nr. 5 des Präsidenten der tschechoslowakischen Republik vom 19. Mai 1945 heißt es:

„Über die Ungültigkeit einiger vermögensrechtlicher Rechtsgeschäfte aus der Zeit der Unfreiheit und über die nationale Verwaltung der Vermögenswerte der Deutschen, der Madjaren, der Verräter und Kollaboraturen und einiger Organisationen und Anstalten. Auf Vorschlag der Regierung bestimme ich:

§ 1

Ausnahmslos alle Vermögensübertragungen und vermögensrechtlichen Rechtsgeschäfte ohne Rücksicht darauf, ob sie bewegliche oder unbewegliches, öffentliches oder privates Vermögen betreffen, sind ungültig, sofern sie nach dem 29. September 1938 unter dem Druck der Okkupation oder der nationalen, rassischen oder politischen Verfolgung vorgenommen wurden.

Die Art und Weise der Geltendmachung der sich aus der Vorschrift des Absatz 1 ergebenden Ansprüche wird durch ein besonderes Dekret des Präsidenten der Republik geregelt, soweit dies nicht bereits durch dieses Dekret geschehen ist.

§ 2

Das im Gebiete der Tschechoslowakischen Republik befindliche Vermögen der staatlich unzuverlässigen Personen wird gemäß den weiteren Bestimmungen dieses Dekretes unter nationale Verwaltung gestellt. Als Vermögen der staatlich unzuverlässigen Personen gilt auch das von diesen Personen nach dem 29. September 1938 übertragene Vermögen, es sei denn, dem Erwerber war nicht bekannt, daß es sich um derartiges Vermögen handelte.  

§ 3

Der nationalen Verwaltung sind alle Unternehmungen (Betriebe) und alle Vermögensmassen zu unterstellen, bei denen dies der stetige Gang der Erzeugung und des Wirtschaftslebens erfordern, insbesondere die verlassenen Unternehmen, Betriebe und Vermögensmassen oder solche, welche staatlich unzuverlässige Personen besitzen, verwalten oder aber gemietet oder gepachtet haben.

 

§ 4

Als staatliche unzuverlässige Personen sind anzusehen:

a)    Personen deutscher oder madjarischer Nationalität.“ […] 

Und weiters im § 6

„Als Personen deutscher oder madjarischer Nationalität sind Personen anzusehen, die sich bei irgendeiner Volkszählung seit dem Jahre 1929 zur deutschen oder madjarischen Nationalität bekannt haben oder Mitglieder nationaler Gruppen, Formationen oder politischer Parteien geworden sind, die sich aus Personen deutscher oder madjarischer Nationalität zusammensetzen.“ […] 

Im Dekret Nr. 12 des Präsidenten der tschechoslowakischen Republik vom 21. Juni 1945 heißt es:

„Über die Konfiskation und beschleunigte Aufteilung des landwirtschaftlichen Vermögens der Deutschen, Madjaren, wie auch der Verräter und Feinde des tschechischen und des slowakischen Volkes. Um dem Rufe der tschechischen und slowakischen Bauern und Landlosen nach einer konsequenten Verwirklichung einer neuen Bodenreform entgegenzukommen und geleitet vor allem von dem Streben, ein für allemal den tschechischen und slowakischen Boden aus den Händen der fremden deutschen und madjarischen Gutsbesitzer wie auch aus den Händen der Verräter der Republik zu nehmen und ihn in die Hände des tschechischen und slowakischen Bauerntums und der Landlosen zu geben, bestimme ich auf Vorschlag der Regierung: 

§ 1

Mit augenblicklicher Wirksamkeit und entschädigungslos wird für die Zwecke der Bodenreform das landwirtschaftliche Vermögen enteignet, das im Eigentum steht: a) aller Personen deutscher und madjarischer Nationalität, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit“ […].  

Und im § 2

„Als Personen deutscher oder madjarischer Nationalität gelten Personen, die sich bei irgendeiner Volkszählung seit 1929 zur deutschen oder madjarischen Nationalität bekannten oder Mitglieder nationaler Gruppen, Formationen oder politischer Parteien wurden, die sich aus Personen deutscher oder madjarischer Nationalität zusammensetzten.“

Im Dekret Nr. 108 des Präsidenten der tschechoslowakischen Republik vom 25. Oktober 1945 heißt es:

„über die Konfiskation des feindlichen Vermögens und die Fonds der nationalen Erneuerung.

Auf Vorschlag der Regierung und im Einvernehmen mit dem Slowakischen Nationalrat bestimme ich:

Teil I, Konfiskation des feindlichen Vermögens.

§ 1

Umfang des konfiszierten Vermögens:

(1) Konfisziert wird ohne Entschädigung – soweit dies noch nicht geschehen ist – für die Tschechoslowakische Republik das unbewegliche und bewegliche Vermögen, namentlich auch die Vermögenswerte (wie Forderungen, Wertpapiere, Einlagen, immaterielle Rechte), das bis zum Tage der tatsächlichen Beendigung der deutschen und madjarischen Okkupation im Eigentum stand oder noch steht:  

1. des deutschen Reiches, des Königreiches Ungarn, von Körperschaften des öffentlichen Rechtes nach deutschem oder ungarischen Recht, der deutschen nazistischen Partei, der madjarischen politischen Parteien und an Personenvereinigungen, Fonds und Zweckvermögen dieser oder der mit deren Formationen, Organisationen, Unternehmungen, Einrichtungen, Personenvereinigungen, Fonds und Zweckvermögen dieser oder der mit ihnen zusammenhängenden Regime, wie auch anderer deutscher oder ungarischer juristischer Personen, oder 

2. physischer Personen deutscher oder madjarischer Nationalität mit Ausnahme der Personen, die nachweisen, daß sie der Tschechoslowakischen Republik treu geblieben sind, sich niemals gegen das tschechische und slowakische Volk vergangen haben und sich entweder aktiv am Kampfe für deren Befreiung beteiligt oder unter dem nazistischen oder faschistischen Terror gelitten haben, oder   

3. physischer Personen, die eine gegen die staatliche Souveränität, die Selbständigkeit, die Integrität, die demokratisch-republikanische Staatsform, die Sicherheit und die Verteidigung der Tschechoslowakischen Republik gerichtete Tätigkeit entfaltet haben, die zu einer solchen Tätigkeit aufreizten oder andere Personen dazu zu verleiten suchten, planmäßig auf welcher Art immer die deutschen oder madjarischen Okkupanten unterstützt oder die in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik (§ 18 des Dekretes des Präsidenten der Republik vom 19. Juni 1945 , Slg. Nr. 16, über die Bestrafung der nazistischen Verbrecher, der Verräter und ihrer Helfershelfer sowie über die außerordentlichen Volksgerichte) der Germanisierung oder Madjarisierung auf dem Gebiete der Tschechoslowakischen Republik Vorschub geleistet oder sich der Tschechoslowakischen Republik oder dem tschechischen oder dem slowakischen Volke gegenüber feindselig verhalten haben, wie auch von Personen, die eine solche Tätigkeit bei Personen, welche ihr Vermögen oder Unternehmen verwaltete, geduldet haben.“ […] 

Im Gesetz Nr. 115 des Präsidenten der tschechoslowakischen Republik vom 8. Mai 1946 heißt es:

„über die Rechtsmäßigkeit von Handlungen, die mit dem Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammenhängen. Die vorläufige Nationalversammlung der Tschechoslowakischen Republik hat folgendes Gesetz beschlossen:

§ 1

Eine Handlung, die in der Zeit vom 30. September 1938 bis zum 28. Oktober 1945 vorgenommen wurde und deren Zweck es war, einen Beitrag zum Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zu leisten, oder die eine gerechte Vergeltung für Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer zum Ziele hatte, ist auch dann nicht widerrechtlich, wenn sie sonst nach den geltenden Vorschriften strafbar gewesen wäre.“ […]

Im Dekret Nr. 122 des Präsidenten der tschechoslowakischen Republik vom 18. Oktober 1945 heißt es:

„über die Auflösung der Deutschen Universität Prag. [1]

Um die seit langem andauernden historischen Bemühungen des ganzen tschechischen Volkes in der Frage der Prager Universität zum Abschluß zu bringen und die Früchte der nationalen Revolution und des Kampfes um die Befreiung der Tschechoslowakischen Republik rechtlich zu sichern, bestimme ich auf Vorschlag der Regierung: 

§ 1

Die Deutsche Universität Prag, die am 5. Mai 1945, dem ersten Tage des Aufstandes der Prager Bevölkerung, zu bestehen aufgehört hat, wird als ein dem tschechischen Volk feindliches Institut für immer aufgelöst. 

§ 2

Die wissenschaftlichen Institute und ihre Einrichtungen, wie auch das gesamte Vermögen der Deutschen Universität Prag fallen an die Karlsuniversität.“ […]

 

Während es im Artikel 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000) zum Eigentumsrecht heißt:

„(1) Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.“

 

Und in einer Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, dem Programm von Stockholm (14449/09) – „Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und der Gerechtigkeit des Rechts im Dienste der Bürger“, heißt es:

„2.1. Ein Europa der Rechte […] Im Interesse der Wiedergutmachung muss die Erinnerung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit eine kollektive Erinnerung sein, die von uns allen geteilt wird.“ […]

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres folgende

Anfrage

1.     Welche Möglichkeiten der Wiedergutmachung von Völkermord und Vertreibung bieten sich auf bilateraler Ebene an?

2.     Welche der Möglichkeiten der Wiedergutmachung von Völkermord und Vertreibung hat Ihr Ministerium auf bilateraler Ebene bereits genutzt?

3.     Falls noch keine der vorgesehenen Möglichkeiten auf bilateraler Ebene genutzt wurden, warum nicht?

4.     Falls ja, gibt es bereits erste Ergebnisse?

5.     Falls ja, wo genau können die Ergebnisse nachgesehen werden?

6.     In welcher Art und Weise haben Sie hierbei die Vertriebenengeneration und die Nachfahren der Vertriebenengeneration eingebunden?

7.     Falls ja, welche Personen genau wurden eingebunden?

8.     Falls nein, warum wurde die Erlebnisgeneration und deren Nachfahren nicht eingebunden?

9.     Falls nein, wird eine Einbindung der Erlebnisgeneration und deren Nachfahren angedacht?

10.  Falls ja, wann genau soll dies geschehen?

11.  Falls nein, warum ist dies nicht angedacht?

12.  Streben Sie die Verabschiedung einer UN-Resolution an, die den Völkermord, wie auch die Vertreibung, an den Altösterreichern und Ungarn durch die damaligen tschechoslowakischen Kommunisten verurteilt?

13.  Falls ja, wann genau soll dies sein?

14.  Falls ja, haben Sie bereits erste Schritte für eine Verabschiedung der UN-Resolution gesetzt?

15.  Falls nein, warum nicht?

16.  Falls ja, wann genau wurden diese gesetzt?

17.  Falls ja, wo genau kann man die ersten Entwürfe einsehen?

18.  Wie beurteilen Sie die Aussicht auf eine Verabschiedung einer solchen Resolution?

19.  Welche Möglichkeiten sehen Sie für die aus der ehemaligen Tschechoslowakei Vertriebenen Altösterreicher und Ungarn bzw. deren Nachfahren, im Zuge eines Gerichtsverfahrens wenigstens einen Teil Ihres geraubten Vermögens restituiert zu bekommen?

20.  Strebt Ihr Ministerium eine Sammelklage gegen die Tschechische Republik bezüglich einer gerechten Restituierung für die Vertriebenen Altösterreicher an?

21.  Falls ja, wie weit sind die Vorbereitungen für diese Sammelklage gereift?

22.  Falls nein, warum wird keine Sammelklage gegen die Tschechische Republik angedacht?

23.  Falls ja, stehen Sie mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Kontakt bezüglich einer Koordinierung der Sammelklage gegen die Tschechische Republik?

24.  Falls ja, gibt es bereits erste Ergebnisse bezüglich Koordinierung der Sammelklage gegen die Tschechische Republik?

25.  Falls ja, welche Ergebnisse gibt es genau?

26.  Falls ja, gibt es einer Chronologie, welcher allfällige Fortschritte der Koordinierung erkennen lässt?

27.  Falls nein, warum nicht?

28.  Falls ja, wo genau kann man diese „Zeitleiste“ einsehen?

29.  Falls nein, wird sich Ihr Ministerium mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Verbindung setzten, um eine Koordinierung der Sammelklage gegen die Tschechische Republik zu gewährleisten?

30.  Falls nein, warum nicht?

31.  Falls ja, wann genau werden Sie sich mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Verbindung setzen?

32.  Falls nein, warum nicht?

33.  Wird bei der Realisierung des Projektes auch der Dachverband der Vertriebenenorganisationen, der VLÖ (Verband der Landsmannschaften Österreichs) mit einbezogen?

34.  Falls nein, warum nicht?

35.  Falls ja, hat Ihr Ministerium bereits mit dem VLÖ Kontakt aufgenommen?

36.  Falls nein, warum nicht?

37.  Falls ja, wann genau hat Ihr Ministerium mit dem VLÖ Kontakt aufgenommen?

38.  Welche anderen Vereine, Institutionen, universitären Einrichtungen usw. werden an dem Projekt der Sammelklage gegen die Tschechische Republik noch beteiligt?

39.  Ist im Falle einer Abschließung des Projektes eine gemeinsame Veranstaltung mit den Vertriebenenorganisationen der Sudetendeutschen geplant?

40.  Falls nein, warum nicht?

41.  Falls ja, wo genau in Österreich soll diese stattfinden?

42.  Falls ja, wie hoch wird diese seitens Ihres Ministeriums budgetiert?

43.  Falls ja, wann genau wird diese stattfinden?

44.  Falls ja, wird die Sudetendeutsche Landsmannschaft in die Planung der Veranstaltung mit einbezogen?

45.  Falls nein, warum nicht?

46.  Falls ja, welche Vertriebenenorganisationen, Dachverbände, universitären Einrichtungen usw. genau werden in die Planung mit einbezogen?

47.  Sind seitens Ihres Ministeriums Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der Vertreibung angedacht?

48.  Falls nein, warum nicht?

49.  Falls ja, wann genau sind diese Veranstaltungen?

50.  Falls ja, wird die Sudetendeutsche Landsmannschaft in die Organisation der Veranstaltung eingebunden?

51.  Falls nein, warum nicht?

52.  Falls ja hat Ihr Ministerium bereits Kontakt mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft aufgenommen?

53.  Falls nein, warum nicht?

54.  Falls ja, gab es bereits eine Rückmeldung seitens der Sudetendeutschen Landsmannschaft?

55.  Falls ja, wann genau erfolgte die Rückmeldung?

56.  Falls nein, wird Ihr Ministerium Kontakt mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft aufnehmen?

57.  Falls nein, warum nicht?

58.  Falls ja, wann genau wird Ihr Ministerium mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft Kontakt aufnehmen?

59.  Ist die Publikation eines wissenschaftlichen Werkes bezüglich der rechtlichen Problematik der Benes Dekrete angedacht?

60.  Falls nein, warum nicht?

61.  Falls ja, welche universitäre Einrichtungen, Vereine usw. werden in die Erstellung des wissenschaftlichen Werkes eingebunden?

62.  Falls ja, wie hoch wird die Auflage des Werkes voraussichtlich sein?

63.  Falls ja, wie hoch wird der Verkaufspreis des Werkes voraussichtlich sein?

64.  Falls ja, ab wann wird das Werk im Handel erhältlich sein?