6110/J XXV. GP

Eingelangt am 09.07.2015
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend „Finanzgebarung und Expansionsstrategie Verbund International GmbH"

 

 

Der Bericht des Rechnungshofes (Reihe Bund 2014/13) erhebt schwere Vorwürfe gegen den verlustträchtigen Auslandsexpansionskurs der Verbund International GmbH (seit 2014 Verbund AG) im Untersuchungszeitraum 2008 – 2012.

 

Dem zufolge hätte die VIN trotz vorab festgestelltem Risiko und trotz des Fehlens einer detaillierten Markt- und Wirtschaftsanalyse ihr Beteiligungsengagement auf die Länder Frankreich, Italien und Türkei ausgeweitet. Der Rechnungshof kritisierte, dass "[d]er Verbundkonzern vor dem Markteintritt keine tiefergehenden Analysen durch[führte] und […] seine Expansionsstrategien trotz der festgestellten Risiken [verfolgte]" (RH-Bericht 2014/13: S. 7). Und weiter: "Der Verbundkonzern erreicht somit das auf Wertsteigerung seiner Beteiligungen ausgerichtete Ziel nicht" (ebd.: S. 6).

Im Zuge des Berichtes bemängelte der Rechnungshof jedoch nicht nur das fehlende Wachstum trotz Expansionsstrategie, sondern vor allem auch die zahlreichen Fehlentscheidungen hinsichtlich des Frankreich-Engagements des Verbundes. "Bei der Unternehmensbewertung wurden wesentliche Risiken für ein Engagement nicht bzw. nicht ausreichend dargestellt. […] Der Vorstand der Verbundgesellschaft thematisierte diese Risiken […] in seinem Antrag zur Genehmigung der Beteiligungen gegenüber dem Aufsichtsrat nicht bzw. nicht ausreichend" (ebd.: S. 13f.). Ebenfalls hätte es keine konkrete Vorausplanung gegeben, und geplante Gegensteuerungsmaßnahmen seitens der Verbundgesellschaft scheiterten aufgrund des mangelnden Mitspracherechtes durch die Minderheitsbeteiligung. Auch diese Einschränkungen wurden vorab nicht richtig bewertet. Der Rechnungshof schloss damit, dass "[d]ie aufgezählten Versäumnisse und Fehlentwicklungen beim Engagement bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht auftreten [hätten] dürfen […]" (ebd.: S. 20).

In diesem Zusammenhang empfahl der Rechnungshof, dass der Verbund gegebenenfalls Untersuchungen zur Klärung allfälliger Schadensersatzpflichten gegen den Aufsichtsrat bzw. eventuelle Haftungsklagen gegen die verantwortlichen Organmitglieder einleiten soll (s. Empfehlung 13, TZ 30). Im Zuge einer Sitzung des RH-Ausschusses im Juni 2015 erklärte der Aufsichtsratspräsident der nunmehrigen Verbund AG, dass ein seitens des Verbundes in Auftrag gegebenes Gutachten durch die Universitätsprofessorin Susanne Kalss bestätige, dass keine Organverfehlungen festgestellt werden könnten.


In Zahlen ausgedrückt erwirtschaftete die VIN laut RH Verluste aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von rund € 580 Mio. Den drei Kernmärkten – Italien, Frankreich und Türkei – wurden bis Ende 2012 Eigenmittel von € 2,35 Mrd. zugeführt. Die Verluste in Frankreich minderten das Eigenkapital des Konzerns um weitere € 477 Mio.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft nachstehende

 

 

ANFRAGE

 

 

1.     Wie hoch ist der finanzielle Gesamtschaden durch die Auslandsexpansionen in Frankreich, Italien und der Türkei?

2.     Sind Haftungen aktuell noch aufrecht und wenn ja, in welcher Höhe?

3.     Kann noch weiterer Schaden aus den Auslandsexpansionen der VIN entstehen?

4.     Wenn ja, inwiefern?

5.     Welche Personen waren in der Verbund AG bzw. in der Konzernspitze mit der strategischen Ausrichtung der Geschäftsführungsaktivitäten und des Auslands-expansionsengagements betraut?

6.     Wer traf die Entscheidung, die Expansionsstrategie trotz einiger – bereits vorab festgestellter - Risiken weiter zu verfolgen (s. TZ 7)?

7.     Wurde von Vorstandsseite der Aufsichtsrat bzgl. Risiken hinsichtlich geplanter Auslandsexpansionen ausreichend informiert?

8.     Wenn ja, worüber konkret?

9.     Wenn nein, warum nicht?

10.  Welche konkreten Informationen wurden dem Aufsichtsrat seitens des Vorstandes in seinem Antrag zur Genehmigung der Beteiligungen (s.TZ 20) vorenthalten?

11.  Sehen Sie hier eine bewusste Falsch- bzw. Mangelinformation seitens des Vorstandes bzw. der verantwortlichen Organe gegenüber dem Aufsichtsrat (s.TZ 20)?

12.  Wenn ja, inwiefern?

13.   Wenn nein, warum nicht?

14.  Welche Personen zeichneten für den Vorstand der Verbundgesellschaft verantwortlich, als dem Aufsichtsrat 2007 falsche Informationen bzgl. der Kapitalerhöhung bei der POW mit € 60 Mio übermittelt wurden (s. TZ 26)?

15.  Wurden Ihrer Meinung nach hierbei (s. TZ 26) bewusst Fehlinformationen kommuniziert?

16.  Wenn ja, inwiefern?

17.  Wenn nein, warum nicht?

18.  Werden von Seiten des Ministeriums Maßnahmen ergriffen, um den Empfehlungen des Rechnungshofes hinsichtlich des Vorwurfes der Verletzung der Sorgfaltspflicht (s. Empfehlung 13, TZ 30) zu entsprechen?

19.  Wenn ja, welche?

20.  Wenn nein, warum nicht?

21.  Liegt Ihnen das vom Verbund in Auftrag gegebene angeführte Gutachten zur Klärung der Organhaftungen von Fr. Prof. Susanne Kalss vor? Wenn ja, bitten wir um Übermittlung dieses Gutachtens.

22.  Ist Ihrer Meinung nach das gegenständliche Gutachten ausreichend, um die betroffenen Organmitglieder vom Vorwurf der Verletzung der Sorgfaltspflicht zu entlasten?


23.  Wenn ja, inwiefern?

24.  Ist Ihrer Meinung nach das gegenständliche Gutachten ausreichend, um die betroffenen Organmitglieder vom Verdacht einer mangelnden Informationspflicht dem Aufsichtsrat gegenüber zu entlasten?

25.  Wenn ja, inwiefern?

26.  Haben die finanziellen Ausfälle bzw. Haftungen der VIN Auswirkungen auf Investitionen in Österreich?

27.  Wenn ja, inwiefern?

28.  Wenn nein, warum nicht?