6118/J XXV. GP

Eingelangt am 09.07.2015
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Bilanzierung der Europäischen Zentralbank (EZB)

 

 

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 12. Jänner 2015 haben zwei renommierte Professoren für Wirtschaftswissenschaften – Andreas Scholze und Frank Westermann – aufgezeigt, dass die EZB ein eigenes Rechnungslegungs-system geschaffen hat.

"Wie bilanziert eigentlich die EZB? Welchen Zielen dient diese Bilanz? Und wie informativ ist die Bilanzlänge für die Geldpolitik? Wir argumentieren, dass die EZB den Zielen ihrer Rechnungslegung nur gerecht werden kann, wenn sie zwei getrennte Bilanzen aufstellt.

Die EZB hat mit ihrer Einrichtung ein eigenes Rechnungslegungssystem geschaffen, das nur für das Eurosystem der Notenbanken gilt und das mit zwei Zielsetzungen verbunden ist: Einerseits soll die Bilanz Rechenschaft über den an die Steuerzahler zu verteilenden Gewinn ablegen. Andererseits soll die Bilanz über geldpolitische Maßnahmen informieren.

Zur Umsetzung beider Rechnungszwecke nutzt die EZB im Wesentlichen das Regelwerk der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze (IFRS). Sie nutzt den Spielraum, den dieses Regelwerk bietet, und bilanziert einige Aktiva zu ihrem Zeitwert – also zu Marktpreisen – und andere zu Anschaffungskosten. Ein Unterschied zu den IFRS ergibt sich jedoch aus der besonderen Betonung des Vorsichtsprinzips: unrealisierte Verluste sollen ergebnismindernd erfasst werden, unrealisierte Gewinne beeinflussen das Ergebnis hingegen nicht. […]

Die EZB sollte (..) diesem Beispiel folgen und zumindest zwei Bilanzen erstellen – eine, die nicht dem Vorsichtsprinzip folgt, weil sie über geldpolitische Maßnahmen informieren soll, und eine weitere, die konsequent dem Vorsichtsprinzip verpflichtet ist, damit sie transparent Rechenschaft gegenüber dem Steuerzahler ablegen kann."

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen folgende

 

Anfrage

 

1.     Wie beurteilen Sie das aktuelle Rechnungslegungssystem der EZB?

2.     Was kann man tun, um drohenden Kursverlusten in der Bilanz gerecht zu werden?


3.     Welche Auswirkungen wird die drohende Insolvenz Griechenlands auf die Bilanz der EZB haben?

4.     Was halten Sie davon, dass die EZB zwei Bilanzen erstellt; eine, die konsequent dem Vorsichtsprinzip folgt, damit sie transparent den Steuerzahlern des Euro-Systems Rechenschaft ablegen kann, und eine, die dem Vorsichtsprinzip nicht folgt?

5.     Werden Sie dieses Thema mit Ihren europäischen Kollegen im Sinne der Erstellung von zwei Bilanzen thematisieren?

6.     Wenn nein, warum nicht?