6179/J XXV. GP

Eingelangt am 13.07.2015
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ANFRAGE

 

 

 

des Abgeordneten Stefan

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres

betreffend Begriff Völkermord

 

 

In der Tageszeitung „Die Presse“ erschien am 23.04.2015 folgender Artikel:

 

 

„Armenier-Erklärung: Türkei sieht Beziehung zu Wien "dauerhaft beschädigt"

 

Die Regierung in Ankara protestiert gegen die Verwendung des Wortes "Völkermord" in einer Erklärung des österreichischen Nationalrats. Der türkische Botschafter wurde aus Wien zurückberufen.

 

Die Erklärung aller sechs österreichischen Parlamentsparteien zum Völkermord an den Armeniern hat zu einer schweren diplomatischen Krise zwischen Wien und Ankara geführt. Die Erklärung habe für "Empörung" gesorgt und werde die Beziehungen zwischen beiden Ländern "dauerhaft beschädigen", heißt es in einer Stellungnahme des Außenministeriums in Ankara. Außenminister Sebastian Kurz sagte am Donnerstag dagegen, dass die Entscheidung des Parlaments zu "respektieren" sei. Es gelte nun "in die Zukunft zu schauen" und an der Aussöhnung zwischen Türken und Armeniern zu arbeiten.

 

Diese Stellungnahme dürfte die Emotionen in Ankara kaum beruhigen. "Wir lehnen diese voreingenommene Haltung des österreichischen Parlaments ab", heißt es weiter in der türkischen Stellungnahme. Es sei klar, "dass diese Erklärung permanente negative Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Türkei und Österreich haben wird".

 

Botschafter einberufen

 

Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan berief den türkischen Botschafter in Österreich, Mehmet Hasan Gögüs, am Mittwochabend zu Konsultationen in die türkische Hauptstadt ein, wie Gögüs der "Presse“ auf dem Weg zum Flughafen mitteilte. Das türkische Außenministerium bestätigte das in seiner Erklärung.

 

Am Mittwoch gedachte in Wien der Nationalrat der Opfer des Völkermords vor 100 Jahren, bei dem bis zu 1,5 Millionen Armenier aufgrund von Vertreibungen und Gräueltaten ihr Leben ließen. Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) verwies dabei ausdrücklich auf die Erklärung der Parlamentsparteien vom Vortag und betonte, diese solle der Aussöhnung zwischen Armeniern und der Türkei dienen. Eine nachhaltige Versöhnung setze aber das Eingeständnis historischer Schuld voraus. Zur Gedenkminute und der anschließenden Präsentation der Erklärung kamen auch Vertreter der armenischen Gemeinde.

 

"Ehrliche Aufarbeitung"

 

Die Erklärung der Klubobleute bezeichnet die Massaker an den Armeniern explizit als Völkermord. „Aufgrund unserer historischen Verantwortung - die österreichisch-ungarische Monarchie war im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündet - ist es unsere Pflicht, die schrecklichen Geschehnisse als Genozid anzuerkennen und zu verurteilen“, heißt es darin wörtlich. "Ebenso ist es die Pflicht der Türkei, sich der ehrlichen Aufarbeitung dunkler und schmerzhafter Kapitel ihrer Vergangenheit zu stellen und die im Osmanischen Reich begangenen Verbrechen an den Armeniern als Genozid anzuerkennen."

Scharfe Kritik an diesen Worten kam nicht nur von der Regierung in Ankara, sondern auch von Seiten türkischer Verbände in Österreich. In Inseraten in mehreren Tageszeitungen, auch der "Presse", äußerten sie sich enttäuscht und gekränkt über das Statement. Sowohl SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder als auch ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka versicherten dagegen, es gehe nicht um Provokation oder Kränkung. Doch man müsse die Dinge beim Namen nennen.

Das österreichische Außenministerium wollte die Einberufung des türkischen Vertreters nach Ankara nicht kommentieren: „Das ist eine souveräne Entscheidung der Türkei, ob sie einen Botschafter einberuft oder nicht.“

Im Gegensatz zu den Klubobleuten sträubt sich das Außenamt, die Gräueltaten gegen die Armenier als Völkermord zu bezeichnen. Es verschanzt sich hinter einem formalrechtlichen Argument: Es sei schließlich erst 1948 definiert worden, was straf- und völkerrechtlich unter Völkermord zu verstehen sei. Deshalb könne der Begriff nicht rückwirkend angewendet werden. In Wahrheit dürfte die Bundesregierung die ohnehin angespannten diplomatischen Beziehungen zur Türkei nicht noch weiter belasten wollen.

 

Merkel muss sich erklären

 

Obwohl die Türkei inzwischen das Leid der Armenier anerkannt hat, weigert sich die Regierung bis heute, von Völkermord zu sprechen. Eine Erklärung des Papstes vergangene Woche, in der dieser vom „ersten Genozid des 20. Jahrhunderts“ sprach, sorgte tagelang für schwerste Verstimmungen zwischen Ankara und dem Vatikan.

Die Empörung der Türken bekam am Mittwoch auch Deutschland zu spüren. Die deutschen Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD stufen in einem Papier für eine Gedenkstunde am Freitag im Bundestag die Massaker ebenfalls erstmals als Völkermord ein. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel musste dem erbosten türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu persönlich die deutsche Position erläutern. In einer Mitteilung hatte Davutoğlu am Montag gesagt, die Türkei teile den Schmerz der Nachkommen der Opfer und spreche ihnen Mitgefühl aus.“

 

In Bezug auf die neue Strafrechtsnovelle ist dabei die Stellungnahme des Außenamtes Interessant: „Es sei schließlich erst 1948 definiert worden, was straf- und völkerrechtlich unter Völkermord zu verstehen sei. Deshalb könne der Begriff nicht rückwirkend angewendet werden.“

 

 

 

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres folgende

 

 

Anfrage

 

 

  1. Sind sie mit dieser Argumentation vertraut?
  2. Ist das die offizielle Auffassung der Republik Österreich?
  3. Wenn nein, wieso wird dann vom Außenamt so argumentiert?
  4. Wenn ja, wie werden dann derartige Verbrechen, die vor 1948 begangen wurden, offiziell bezeichnet?
  5. Gibt es hier Unterschiede in der strafrechtlichen Bewertung?
  6. Welche Völkermorde wurden überhaupt im Sinne der Paragraphen 321-321f und im Sinne des Par. 283 Abs 1, Zif 3 StGB von einem österreichischen Gericht rechtskräftig festgestellt?
  7. Welche Völkermorde wurden überhaupt im Sinne der Paragraphen 321-321f und im Sinne des Par. 283 Abs 1, Zif 3 StGB von internationalen Gerichten rechtskräftig festgestellt?