6188/J XXV. GP

Eingelangt am 10.07.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Staudenknöterich

BEGRÜNDUNG

 

Die Ausbreitung von invasiven Pflanzenarten (Neophyten) stellt nicht nur aus ökologischer Sicht ein ernstes Problem dar. Viele eingewanderte Arten sind auch für den Wasserbau und insbesondere für den Hochwasserschutz eine große Herausforderung. Eine der problematischsten und am stärksten vordringenden  Neophyten ist der Flügel-Knöterich (Fallopia japonica, F. bohemica, F. sachalinensis), besser bekannt unter dem Namen Staudenknöterich. Laut Steckbrief des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbands (ÖWAV) ist der Staudenknöterich in der Lage, massive Schäden an Gebäuden, Uferbefestigungen, Rückhaltebecken oder Straßen anzurichten. (ÖWAV-Merkblätter „Neophyten“ (2013)):

„Für den Wasserbau: Alle 3 Arten sind in der Lage, massive Schäden an Gebäuden, Uferbefestigungen, Rückhaltebecken, Straßen und Begleitwegen etc. anzurichten. Die uniformen Bestände an Uferböschungen erhöhen die Gefahr von Uferanbrüchen stark, und da die Pflanzen im Winter oberirdisch absterben, stellen sie keinen Erosionsschutz dar. Die Rhizome und Stängel brechen leicht und ergeben ebenfalls keinen Erosionsschutz gegen Ausschwemmung, Unterspülung und Uferanbruch. Durch das enorme Dickenwachstum der Rhizome und Stängel sprengen sie Mauern, Blockwürfe und Steinschlichtungen. Durch die große abgestorbene und sehr langsam verrottende Stängel- und Blattmasse im Herbst kommt es in Hochwasserrückhaltebecken zu einer erhöhten Verlandungstendenz und zu einem Volumenverlust. Dichte Pflanzenbestände in Rückhaltebecken und in Gerinnen verringern die Fließgeschwindigkeit und erhöhen die Sedimentation bei Hochwasserereignissen. (...)

Für eine wirkungsvolle Bekämpfung von Massenbeständen müssen Knöterichbestände mehrere Jahre hindurch mindestens 6- bis 8-mal/Jahr gemäht werden. Die letzte Mahd im Jahr sollte vor der Einlagerung der Nährstoffe in die Rhizome erfolgen. Es ist dabei auf peinlichst genaue Entsorgung des gesamten abgeschnittenen Materials zu achten. Dieses darf unter keinen Umständen liegenbleiben, da auch kleinste Stängelstücke neu austreiben. Vor der Mahd und dem Abtransport sollte die Pflanze zusätzlich abgeflämmt werden, um die ordnungsgemäße Kompostierung zu unterstützen.“

Auch die AGES warnte in einer Aussendung im Jahr 2011 vor den Knöterichen:

Der Japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica) gilt als eine der problematischsten invasiven Pflanzen in Österreich: Er wächst bis zu einem Meter und mehr im Monat und bildet dichte, undurchdringliche Bestände. Er gedeiht auch unter widrigsten Bedingungen und bricht Beton oder Mauern auf. Hat er sich erst einmal etabliert, ist es nahezu unmöglich, ihn wieder loszuwerden.

Speziell dort, wo Hochwasserschutzbauten durch die Ausbreitung des Knöterichbewuchses in Gefahr kommen ihre Hochwasserschutzwirkung zu verlieren, geht es bei dessen Bekämpfung somit nicht in erster Linie um ökologische Ziele sondern um den Schutz von Siedlungsgebieten.

Im Anhang des Handbuchs „Ufervegetationspflege unter Berücksichtigung schutzwasser- wirtschaftlicher und ökologischer Anforderungen“ des BMLFUW sowie Wasser Niederösterreich wird u.a. auch der Flügel-Knöterich behandelt und Möglichkeiten zur Bekämpfung der Knöteriche aufgezeigt (S. 104ff.):

Bekämpfungsmaßnahmen:
„Große Flügel-Knöterich-Kolonien sind kurzfristig nicht beseitigbar. Die wichtigste Maßnahme um den Flügel-Knöterich einzudämmen ist es, die Einlagerung von Reservestoffen in das Ausläufersytem zu unterbrechen. Die technisch einfachste Möglichkeit ist die Mahd. Ein erster Schnitt sollte daher bereits im Juni erfolgen. Der folgende Aufwuchs ist dann monatlich zu entfernen. Bei bis zu 5 Schnitten im Jahr kann eine merkbare Erschöpfung des Nährstoffspeichers in der Pflanze festgestellt werden. Bei einer Aufgabe des Managements kann die Reservestoffbilanz in einem Jahr allerdings wiederhergestellt werden. Eine merkliche Schwächung tritt nach einer Behandlungszeit von 7 Jahren ein“.

Zu beachten:
Die Hauptausbreitung der neophytischen Flügel-Knötericharten erfolgt über Rhizomstücke, die zusammen mit dem Substrat verschleppt werden. Bereits die längere Lagerung von Schnittgut oder Pflegerückständen kann der Beginn einer neuen Knöterich-Kolonie sein. Entsprechend darf ein Bestand auch nur geschnitten, aber nie geschlägelt oder gemulcht werden. Auch das Fräsen eines abgestockten Knöterich-Bestandes ist unbedingt zu vermeiden, da dadurch die Triebzahl pro m2 noch erhöht wird. Besonderes Augenmerk ist beim Verbringen von Substrat aus Knöterichbeständen notwendig. Wegen der Verschleppung von Rhizomstücken durch Hochwasser (derzeit die Hauptausbreitung an Flussufern) sollten bei der Knöterichbekämpfung solche besonders erosionsgefährdete „Nährbestände“ vorrangig behandelt werden.

Einem Informationsblatt des Departement Bau, Verkehr und Umwelt Aargau (Schweiz) mit dem Titel: Problempflanze Staudenknöterich ist zu entnehmen:

„Schnelle Ausbreitung: Bereits eineinhalb Zentimeter grosse Rhizomfragmente oder fingergrosse Stängelstücke können eine neue Pflanze bilden. Diese kann sich innerhalb eines Jahres in alle Richtungen bis zu einem Meter ausdehnen. In zehn Jahren bildet sie einen Bestand von 15 Metern Durchmesser und bedeckt eine Fläche von rund 180 Quadratmetern. Das entspricht der Fläche eines Schrebergartens. (…)Das kann teuer werden: Erobert der Staudenknöterich Ihren Garten? Reisst ein Fluss immer wieder Triebe aus der Ufervegetation mit? Gedeiht Knöterich auf einem geplanten Fussballfeld? Um Schäden zu vermeiden oder die weitere Ausbreitung zu verhindern, sind oft kostspielige Massnahmen notwendig. Eine Bekämpfung mit Herbiziden kostet inklusive zwei Nachbehandlungen in den Folgejahren rund 200 Franken pro Are (100 m2). Häufige Schnitte schwächen zwar einen Bestand, doch damit wird die weitere Ausbreitung nicht gestoppt. Das Schnittgut muss fachgerecht entsorgt werden (KVA). Die Behandlung einer 100 m2 grossen Fläche über fünf Jahre kostet rund 4000 Franken. Muss der Knöterich im Rahmen eines Bauprojekts ausgegraben und der verseuchte Boden sicher entsorgt werden, ist mit Kosten von 6000 Franken pro Are zu rechnen. Die Kosten steigen mit der Grösse des Bestands. Deshalb zahlt es sich aus, im Anfangsstadium mit der Bekämpfung zu beginnen und bereits die Ansiedlung zu verhindern.“

Der Staudenknöterich ist somit nur durch mehrmaliges Schneiden bekämpfbar. Unsachgemäß und unvollständig durchgeführte Bekämpfungsmaßnahmen, wie zum Beispiel das Leigenlassen des Schnittgutes, können sogar kontraproduktiv sein und zu einer weiteren Verbreitung dieses Neophyten führen. Bei einem Befall von Feldern und Hochwasserschutzdämmen entstehen somit Kosten bei Dritten, die infolge von unsachgemäßen Bekämpfungsmaßnahmen geschädigt werden.

Es ist zu befürchten, dass Bekämpfungsmaßnahmen gegen den Staudenknöterich in Österreich mitunter nicht nach dem Stand des Wissens erfolgen. So stellt etwa die Donauhochwasserschutz-Konkurrenz (DHK) in einem Schreiben vom 16.02.2015 mit dem Betreff „Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen auf Hochwasserschutzdämmen“ an einen betroffenen Anrainer am Hagenbach in der Marktgemeinde St. Andrä-Wördern mit Bezug auf den Staudenknöterich Folgendes fest

In Reinbeständen ist aber häckseln und liegenlassen des Mähgutes eine akzeptable Möglichkeit, da sich dadurch die befallene Fläche nicht vergrößert. Die in der Verwaltung der viadonau stehenden HW-Dämme werden in der Regele 2 mal jährlich gemäht.

Die Praxis von Verpflichteten an vielen Gewässern ist ähnlich – so auch vielfach im Bereich von Gewässern, die in die Kompetenz der Wildbach- und Lawinenverbauung fallen. Auch viele Gemeinde, welche für Gewässerabschnitte und entsprechende Hochwasserschutzdämme zuständig sind, bekämpfen die Ausbreitung des Staudenknöterichs ungenügend bzw. tragen durch geringe Anzahl von Mahn und nicht erfolgende Entsorgung des Schnittgutes zu dessen weiteren Verbreitung bei.

 

Die in diesen Ausführungen beschriebene Praxis steht im krassen Widerspruch zu den weiter oben auszugsweise dargelegten fachlichen Empfehlungen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Welche Schäden kann der Bewuchs von Staudenknöterichen bei der wasserbaulichen Infrastruktur, insbesondere bei Hochwasserschutzdämmen, anrichten? Ab welchen Parametern bzgl. Größe des Bewuchses und Art des Hochwasserschutzdammes sind Schäden im Lastfall zu erwarten?

2)    Wie hoch sind die jährlichen Sanierungs-Kosten durch den Bewuchs von Staudenknöterich an der wasserbaulichen Infrastruktur im Wirkungsbereich von Dienststellen bzw. ausgegliederten Gesellschaften des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT)?

3)    Welche spezifischen Maßnahmen erfolgen durch welche Organisationseinheiten des BMVIT zur Bekämpfung des Staudenknöterichs?

4)    Gibt es eine einheitliche Praxis aller befassten Dienststellen des BMVIT bzgl. Anzahl an Mahn und Entsorgung des Schnittgutes? Wenn ja, durch welche Dienstanweisung von wann datiert wurde dies den Dienststellen übertragen? Finden Kontrollen zur einschlägigen Praxis statt und wenn ja, wer führt diese durch?

5)    Finden Erhebungen zur Ausbreitung des Staudenknöterichs an wasserbaulichen Infrastrukturen statt. Wenn ja, in welchen Intervallen und von wem durchgeführt?

6)    Werden diese Erhebungen veröffentlicht? Wenn ja, ersuchen wir um eine entsprechende Beilage zur Anfragebeantwortung?

7)    Welche Dienststellen des BMVIT haben innerhalb der vergangenen fünf Jahre die Praxis der Bekämpfung des Staudenknöterichs abgeändert und welche Ergebnisse sind hierzu dokumentiert?

8)    Wie hoch sind die jährlichen Kosten für Maßnahmen zur Bekämpfung des Knöterichbewuchses, die zusätzlich zu den ohnehin anfallenden Pflegemaßnahmen durchgeführt werden?

9)    Welche Maßnahmen hat das BMVIT gesetzt, sodass an allen Fließgewässern, an denen bereits der Staudenknöterichbewuchs festgestellt werden muss, gleich in welcher spezifischen Kompetenz der entsprechende Gewässerabschnitt fällt, eine einheitliche dem Stand des Wissens (siehe oben) erfolgende Bekämpfung möglichst bald gewährleistet werden wird können?

10) Welche Maßnahmen haben Dienststellen des BMVIT ergriffen, so sie auf einen Bewuchs von Staudenknöterich aufmerksam wurden, der vorhergehende bzw. nachfolgende Verpflichtete für wasserbauliche Infrastrukturen betraf?

11) Welche spezifischen Vorgaben gelten für die Dienststellen im Wirkungsbereich des BMVIT, insbesondere Zahl der Mahn pro Jahr und die Entsorgung von Schnittgut betreffend zur Bekämpfung der Neophyten wie dem Japanischen Staudenknöterich ?

12) Sind diese Vorgaben freiwillig oder verpflichtend?

13) Wie wird die sachgemäße Bekämpfung von Neophyten überprüft und welche Sanktionen sind bei unsachgemäßen Bekämpfungsmaßnahmen vorgesehen?

14) Welche negativen externen Effekte kann eine mangelhafte Bekämpfung des Japanischen Staudenknöterich haben? Haften die für Erhaltung und Instandsetzung Verpflichteten im Schadensfall, sofern infolge eines Staudenknöterichbewuchses ein Hochwasserschutzbau im Lastfall versagt und Dritte zu Schaden kommen?

15) Erfolgt eine Verbreitung des Schnittgutes des Staudenknöterichs an bislang nicht bewachsene Stellen, so stellt sich die Frage ob die Verursacher der Verbreitung zur Bekämpfung eines neuen Bewuchspunktes angehalten werden können?

16) Welche Maßnahmen sind insbesondere an jenen Fließgewässern geltend, die in Natura 2000 Gebiete, Biosphärenparks bzw. Nationalparks münden bzw. durch selbige durchfließen und bereits einen Bewuchs an Staudenknöterich außerhalb bzw. innerhalb des Schutzgebietes aufweisen.

17) Welche spezifischen Vorkehrungen haben wasserrechtlich Verpflichtete verpflichtend einzuhalten um eine Ausbreitung des Staudenknöterichbewuches in ein nachfolgendes Schutzgebiet zu verhindern?

18) Sind Ihnen gerichtlich entschiedene Fälle bekannt, in denen es um Schadensersatz, Bekämpfungsanspruch, Bewuchsunterbindung in Zusammenhang mit dem Bewuchs von Staudenknöterich gekommen ist. Hier wäre eine tabellarische Auflistung erbeten, die auch jeweils des Ergebnis des Verfahrens darzustellen hat.

19) Haben Dienststellen des BMVIT Rechtsmittel gegen andere wasserrechtlich Verpflichtete eingeleitet, sofern eine nicht dem Stand des Wissens entsprechende Dammpflege zu einer weiteren Ausbreitung von Staudenknöterich geführt hat, durch welche der entsprechenden Dienststelle erhöhte Kosten zur Staudenknöterichbekämpfung erwachsen sind?

20) Welche Möglichkeiten haben Anrainer von Hochwasserschutzanlagen darauf zu drängen, sodass wasserrechtlich Verpflichtete gemäß dem Stand des Wissens die entsprechenden Hochwasserschutzbauten pflegen, insbesondere die Bekämpfung des Staudenknöterichbewuchses gemäß dem Stand des Wissens durchzuführen haben?

21) An welche Vorgaben zur Bekämpfung des Japanischen Staudenknöterichs muss sich die Donauhochwasserschutz Konkurrenz (DHK)halten?

22) Weshalb für die DHK eigenen Aussagen zufolge die Bekämpfung des Japanischen Staudenknöterichs nicht gemäß den oben angeführten Empfehlungen von BMLFUW, AGES und ÖWAV durch?

23) Welche Maßnahmen werden seitens des BMVIT ergriffen, um die DHK zu veranlassen, dass die einschlägige Praxis der Dammpflege, insbesondere dort wo bereits ein Staudenknöterichbewuchs festgestellt wurde, dem auch von Ihnen veröffentlichten Stand des Wissens entspricht?

24) Welche Projekte wurden bzw. werden seitens des BMVIT in den vergangenen Jahren gefördert um neuartige Bekämpfungsmethoden des Staudenknöterichs zu entwickeln?

25) Seit wann erfolgt innerhalb des BMVIT eine Abstimmung der dem Stand des Wissens entsprechenden Maßnahmen zur Bekämpfung des Staudenknöterichbewuchses zwischen den mit Naturschutz und den mit wasserrechtlichen bzw. wasserbaulichen Zuständigkeiten betrauten Abteilungen und Dienststellen?