6191/J XXV. GP

Eingelangt am 13.07.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Leo Steinbichler,

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend „Handelbare Umwelt – Profit aus Naturschutzaktien“

 

Das Weltjournal brachte am 24.06. 2015[1] einen Bericht über Möglichkeiten zur „Spekulation mit der Natur“. Im Beitrag wird erläutert, wie die Funktionsweisen von Angebot und Nachfrage auf die Natur angewendet werden können. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, Flora und Fauna einen monetären Wert beizumessen, quasi eine Quantifizierung von wild lebenden Tieren und Pflanzen vorzunehmen, um sie handelbar zu machen. Als Beispiel wird u.a. die Bestäubung von Pflanzen durch Bienen als „Dienstleistung“ genannt. In den USA mit rund 200 Mrd. US-Dollar bewertet. Kosten, die sich aus einem etwaigen Totalausfall der Bienen als Bestäuber der Pflanzenwelt ergeben würden, wenn der Mensch mit technischem Aufwand diese Aufgabe übernehmen müsste.

In der finanztechnischen Praxis würde dies laut des Berichts im Weltjournal folgendermaßen funktionieren: Ein Unternehmen, etwa eine Bank, kauft Schutzrechte an bestimmten „Naturgütern“ z.B.: das Schutzrecht für eine gefährdete Tierart. Das Unternehmen verkauft dann Anteile an diesem Schutzrecht wie Aktien. Diese „Naturschutzaktien“ bzw. „Naturschutzzertifikate“ können dann von Unternehmen erworben werden, deren Geschäftstätigkeit geeignet ist, die Schutzrechte der gefährdeten Art zu beeinträchtigen. Der Aktienemittent sorgt dafür, dass der Schutz der gefährdeten Art im Ausmaß der Beeinträchtigung an anderer Stelle gewährleistet wird. Artenschutz wird damit handelbar gemacht und gewinnorientiert ausgerichtet. Die Emittenten bezeichnen ihre Aktien daher selbst als Green Investment und betonen, dass der so erworbene Schutz nicht verlorengeht, sondern eben an anderer Stelle sichergestellt werde.

In den USA haben sich bereits in den 1990er Jahren solche „Umweltbanken“ etabliert und Unternehmen, deren Tätigkeit die Umwelt beeinträchtigt, können sich mit dem Erwerb dieser Aktien bzw. Nutzungsberechtigungen von Auflagen und Haftungen quasi freikaufen. Dies ist vor allem für Immobiliengesellschaften, Baufirmen, Grunderschließungsgesellschaften und die Agrarindustrie interessant. In den USA werden von diesen spezialisierten Banken Schutzzertifikate z.B. für Sümpfe, Kakteen, Präriehunde oder Eidechsen verkauft.

Die Wirkungsmechanismen des Marktes entscheiden über Werthaltigkeit und damit über nachhaltigen Schutz von Tieren, Pflanzen und Landschaftsräumen. Dass dabei Gewinnorientierung im Vordergrund steht, liegt in der Natur der eingesetzten kapitalintensiven Instrumente wie eben Aktien und Zertifikate. In den USA gibt’s es bereits über 700 so genannte Umweltbanken, die gemeinsam 2,5 bis 4,5 Mrd. US-Dollar jährlich einnehmen. Die Befürworter der Kapitalisierung von Naturgütern, die „Natur-Kapitalisten“, sind der Meinung, dass man den Wert der Natur sichtbar, d.h. messbar machen müsse. Denn jährlich gingen der Wirtschaft aufgrund der Nicht-Buchführung über den Wert der Natur zwei bis vier Billionen (!) US-Dollar an Naturkapital verloren. Eine Größenordnung die dem Verlust der letzten Finanzkrise von 2008 entspricht. Demgemäß wird etwa der Wert des Regens im Amazonasgebiet von den „Natur-Kapitalisten“ auf 240 Milliarden US-Dollar geschätzt. Dieser Wert errechnet sich aus der Annahme, dass es bei einem Ausbleiben des Regens im Amazonasgebiet in ganz Südamerika keine Landwirtschaft mehr gebe.

Diese an den Marktmechanismen orientierte Auffassung von Arten- und Naturschutz ist fatal. Die Anwendung der Regeln der Marktwirtschaft auf die Natur, nämlich den Wert von Flora, Fauna und Landschaftsräumen nach Angebot und Nachfrage auszurichten, impliziert, dass der Markt und damit die Marktmacher bestimmen was schützenswert ist und was nicht. Letztlich läuft dies auf eine totalitäre Marktwirtschaft hinaus, wo nur Überlebensberechtigung hat, was einen für den Markt messbar monetären Wert besitzt.

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Halten sie die o.a. US-amerikanischen Vorgehensweisen analog zum Emissionsrechtehandel auch für auf Europa bzw. Österreich übertragbar?

a.    Wenn ja, wie könnte eine diesbezügliche Umsetzung aussehen?

b.    Wenn nein, warum nicht?

 

2.    Unterhalten Sie bzw. Ihr Ressort Informationsaustausch mit US-amerikanischen Stellen oder Einrichtungen, die sich mit der o.a. Thematik auseinandersetzen?

a.    Wenn ja, welche Stellen sind das konkret und welche Informationen wurden bis dato ausgetauscht bzw. konnten gewonnen werden?

3.    Sind Ihnen bzw. Ihrem Ressort Bewertungen bezüglich der tatsächlichen Wirksamkeit für den Naturschutz der o.a. Green Investments bekannt?

a.    Wenn ja, welche Ergebnisse erbrachten diese und wo sind sie einsehbar?

4.    Ist Ihnen bekannt, ob das o.a. US-amerikanische Modell auf Ebene europäischer Gremien besprochen bzw. diskutiert wurde?

a.    Wenn ja, welche Ergebnisse brachten diese Erörterungen?

                                          i.    Waren Sie oder Vertreter Ihres Ressorts an diesen Gesprächen beteiligt?

                                         ii.    Wenn ja, welcher diesbezügliche Input kam dabei von österreichischer Seite?

5.    Sind oder waren die so genannten Green Investments Thema bei den Verhandlungen um TTIP?

a.    Wenn ja, welche Ergebnisse brachten die Verhandlungen?

                                          i.    Welche Konsequenzen sind für Österreich zu erwarten?

                                         ii.    Welche diesbezügliche Position haben die österreichischen Vertreter bezogen?

                                        iii.    Wer waren die österreichischen Vertreter bei den Verhandlungen?

b.    Wenn nein, können Sie ausschließen, dass Modelle für Green Investments über TTIP oder Nachfolgevereinbarungen für Österreich wirksam werden?

6.    Sind Ihnen bzw. Ihrem Ressort Überlegungen, Expertisen, Studien oder Entwicklungsszenarien bekannt, die eine Kapitalisierung der österreichischen Natur im oben beschrieben Sinne zum Inhalt haben?

a.    Wenn ja, welche sind das und wo können diese eingesehen werden?

                                          i.    Von welchen Parametern wird ausgegangen?

                                         ii.    Welche Werte wurden für Österreich errechnet?

                                        iii.    Inwieweit erachten Sie die errechneten Ergebnisse für die österreichische Umweltpolitik als relevant?

7.    Sind Ihnen österreichische Unternehmen oder andere österreichische Kapitaleinrichtungen (z.B.: Pensionsfonds, Versicherungen) bekannt, die Aktien bzw. Zertifikate im Sinne der o.a. Green Investments halten?

8.    Wie beurteilen Sie Palmölaktien, die auch am österreichischen Markt verkauft werden?

a.    Sehen Sie diese Art der Kapitalisierung als eine vorteilhafte Investition für die Umwelt?

                                          i.    Wenn ja, wie begründen Sie diese Annahme?

                                         ii.    Wenn nein, was werden Sie als österreichische Umweltminister dagegen unternehmen?



[1] http://tvthek.orf.at/program/Weltjournal/5298609/WELTjournal-Profit-Planet-Spekulation-mit-der-Natur/10059480