6484/J XXV. GP

Eingelangt am 17.09.2015
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Kickl

und weiterer Abgeordneter

an den Bundeskanzler

betreffend fragwürdige Reisefreiheit

 

„Der ungebremste Zustrom von Flüchtlingen überfordert zusehends unseren Kontinent, indem er als Völkerwanderung ungeahnten Ausmaßes die Grundfesten unserer europäischen Kultur- und Wertegemeinschaft erschüttert. Statt nach dauerhaften Lösungen zu suchen, ergehen sich selbsternannte politische Eliten, allen voran die Regierungen Deutschlands und Österreichs, in einer mehr als fragwürdigen Symptombekämpfung und verteidigen die ungebremste Zuwanderung als humanitäre Notwendigkeit. Indem sie im Verein mit Medien stets suggerieren, Europa sei zu unbegrenzter Hilfsbereitschaft verpflichtet, huldigen diese Politiker einem „verantwortungslosen moralischen Größenwahn“ (Roger Köppel, Verleger und Chefredakteur der Schweizer Weltwoche).

 

„Spiegel“ Redakteur Jan Fleischhauer konstatiert im Zusammenhang mit dieser maßlosen „Willkommenskultur“ (Spiegel online, 01.09.2015, 18:20 Uhr):

 

„Die Deutschen scheinen fest entschlossen, sich in der Flüchtlingskrise von ihrer besten Seite zu zeigen. Die Medien entsprechen dem Bedürfnis, der Vorstellung von einer weltoffenen Nation gerecht zu werden, indem sie die Flüchtlinge im denkbar besten Licht präsentieren. Wer die Zeitungen aufschlägt, sieht in die hoffnungsfrohen Gesichter von Menschen, die nur die lautersten Absichten haben.“

 

Es sei anrührend zu sehen, „wie viele Menschen in Deutschland tatkräftig mithelfen, um den Flüchtlingen, die um Aufnahme bitten, einen freundlichen Empfang zu bereiten.“ Aber es sei nicht die Aufgabe von Journalisten, in erster Linie gerührt zu sein. Von Politikern solle man erst recht etwas anderes erwarten. Eine Politik, die sich auf Gefühlslagen verlasse, sei schnell verlassen. Es liege auf der Hand, „dass nicht jeder, den wir aufnehmen, Herzchirurg sein kann. Es werden Menschen darunter sein, die nur darauf aus sind, die Gegebenheiten auszunutzen. Einige werden den Nachbarn ermordet haben, bevor sie sich auf den Weg in den Westen machten. Vermutlich wird es unter den Bewerbern sogar IS-Kämpfer geben, die sich bei uns nur ausruhen wollen.“

 

In Wahrheit wüssten wir sehr wenig über die Menschen, die in Deutschland Asyl beantragten, so Fleischhauer weiter. Man kenne den Namen, das Geschlecht und das Herkunftsland, aber zu allem Weiteren sei man auf Vermutungen angewiesen, da es keine verlässlichen Angaben über Beruf oder Bildungsgrad gebe. Man wisse nicht einmal, wie viele der Ankommenden allein reisten oder mit Familie, was für den Bezug von Sozialleistungen einen großen Unterschied mache: „129 Euro Taschengeld klingen wenig, 626 Euro für eine sechsköpfige Familie plus Verpflegung und Unterkunft hingegen ist für jemanden, der aus Albanien stammt, sehr viel.“

 

Trotz dieser bekannten und wohl berechtigten Kritik ließ es die österreichische Bundesregierung in Absprache mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu, dass in der Nacht von Freitag, 04.09.2015, auf Samstag, 05.09.2015, tausende Flüchtlinge ohne behördliche Identitätsfeststellung die ungarisch-österreichische Grenze passieren konnten, um mit dem Zug weiter in ihre Wunschdestination Deutschland zu reisen.

 

Dass die deutsche Kanzlerin gemeinsam mit dem österreichischen Bundeskanzler den festsitzenden Flüchtlingen „ausnahmsweise“ die Weiterreise aus Ungarn gestattet hatte, überraschte selbst die bayerische Regierungspartei, und es ärgerte die CSU-Spitze, dass man sie vorher nicht konsultiert hatte. Bayerns christlichsozialer Innenminister Joachim Herrmann sprach in diesem Zusammenhang von einem „völlig falschen Signal innerhalb Europas“, und sein Parteikollege, CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, ergänzte, jeder Flüchtling auf dem Weg nach Europa denke nun an Deutschland.

(vgl. Spiegel online, 05.09.2015, 18:26 Uhr)

 

Unterdessen forderte Ungarns Regierungssprecher Zoltán Kovács in einem Interview mit Christian Ultsch in der Tageszeitung „Die Presse“ Österreich und Deutschland auf, ihre „Doppelzüngigkeit“ zu beenden und beim Bau eines Grenzzauns zu helfen. Eine „Medienhysterie“ beflügle die Flüchtlinge. (Die Presse, Printausgabe vom 06.09.2015):

 

Mit der Frage konfrontiert, warum die ungarische Regierung, die zuerst gemeint habe, sie halte sich an die Dublin-Regeln und wolle alle Flüchtlinge registrieren, diese schließlich nun doch in Bussen an die österreichische Grenze gebracht habe, meinte Kovács: „Erstens sind diese Leute illegale Migranten, bis klargestellt ist, dass sie Flüchtlinge sind. Zweitens ist Ungarn sehr konsistent. Wir halten uns an alle Regeln der EU. Das Problem ist: Die Migranten halten sich nicht daran. Weil deutsche und österreichische Meinungsmacher den Eindruck erweckt haben, dass alle Flüchtlinge willkommen sind, lehnen diese Leute zunehmend die Kooperation mit den Behörden ab. Sie verweigern die Registrierung.“ Damit verletzten die Flüchtlinge die Schengen-Regeln. Und eine Medienhysterie habe dazu geführt, „dass die illegalen Migranten tun, was sie wollen“.

 

Der ungarische Regierungssprecher fand für die Entscheidung der österreichischen Bundesregierung nur Unverständnis: „Ihr Österreicher lasst 4500 Leute rein, ohne sie zu identifizieren. Ich habe das gestern Nacht an der Grenze gesehen. Ihr wisst überhaupt nicht, wen ihr in euer Land gelassen habt. Niemand fragte nach Dokumenten. Und es gab einen 20 Kilometer langen Stau an der Grenze; europäische Bürger saßen vier Stunden lang gestrandet in ihren Autos fest. Es ist Zeit für Österreich und Deutschland, über ihre Inkonsistenz nachzudenken.“

 

Die Entscheidung Ungarns, die Flüchtlinge an Österreichs Grenzen zu bringen, verteidigte Kovács als „Muss“: „Diese Leute gingen auf der Autobahn Richtung Wien. Sie gefährdeten damit sich, das Leben anderer und grundlegende Verkehrsregeln. Diese Leute haben nur eines im Kopf: Sie wollen nach Deutschland, vielleicht nach Österreich. Sie hören in Medien, dass wir grausam sind. Doch das stimmt nicht. Wir versorgen diese Menschen mit Wasser und Lebensmitteln.“


Fakt ist: Während Ungarn gemäß den Vorgaben von Schengen und Dublin III die Identität der Flüchtlinge aufnahm, setzte sich die österreichische Bundesregierung in einer Ad-hoc-Entscheidung über diese Abkommen hinweg und sah nicht nur tatenlos zu, wie sich tausende Fremde unkontrolliert über das österreichische Staatsgebiet in Richtung Deutschland in Bewegung setzten, sondern nahm auch unverantwortlicher Weise in Kauf, dass potentielle IS-Terroristen und/oder andere Kriminelle in Österreich untertauchen konnten.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler folgende

 

 

Anfrage

 

1.     Ist es richtig, dass es die Weisung gab in der Nacht von Freitag auf Samstag (04./05.09.2015) 4.500 Flüchtlinge ohne nähere Identitätskontrollen das österreichische Staatsgebiet passieren zu lassen, damit diese ihr erklärtes Ziel Deutschland erreichen konnten?

 

2.     Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage basiert diese Entscheidung?

 

3.     Wenn ja, wie rechtfertigen Sie diesen offensichtlichen Bruch mit den Abkommen von Schengen bzw. Dublin III?

 

4.     Sind Sie sich bewusst, dass Sie mit diesem vermeintlich humanitären Akt potentiellen IS-Terroristen und/oder anderen Kriminellen die Chance eröffneten, unerkannt in Österreich unterzutauchen?

 

5.     Wie wollen Sie die notwendige Unterscheidung zwischen hilfsbedürftigen Asylwerbern nach der Genfer Konvention und illegalen Wirtschaftsflüchtlingen treffen?

 

6.     Was bewog Sie dazu, den ungarischen Botschafter in das Außenamt zu zitieren und ihm de facto die Einhaltung der geltenden Regeln von Schengen vorzuwerfen?

 

7.     Welche Alternativen zur Grenzsicherung schlagen Sie angesichts der Tatsache vor, dass sich Tausende Flüchtlinge an keinerlei Regeln halten?

 

8.     Haben Sie jemals eine Güterabwägung zwischen humanitärer Pflichterfüllung und Sicherstellung des sozialen Friedens im eigenen Lande getroffen?

 

9.     Wenn ja, wie lautet das Ergebnis und wie begründen Sie es?

 

10.  Wenn nein, warum nicht?

 

11.  Wie stehen Sie zum Vorwurf des ungarischen Regierungssprechers Zoltan Kovács, Sie seien auf dem Höhepunkt der Krise, als Tausende Menschen auf der Autobahn Richtung Wien marschierten, für mehr als sechs Stunden für den ungarischen Premier Victor Orban nicht erreichbar gewesen?

 

12.  Wie stehen Sie zum weiteren Vorwurf des ungarischen Regierungssprechers, „sehr ungehobelt und grob“ gewesen zu sein?


13.  Welche Schritte werden Sie als österreichischer Bundeskanzler unternehmen, um zu einer nachhaltigen Lösung der Flüchtlingsfrage beizutragen?

 

14.  Welche Position(en) werden Sie beim nächsten regulären EU-Gipfel am 15. und 16. Oktober, wo das Thema Migration auf der Tagesordnung stehen wird, beziehen?