6524/J XXV. GP

Eingelangt am 23.09.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kollegin und Kollegen

an den Bundesminster für Finanzen

betreffend Auswirkungen der Niedrigzinsphase und Folgen eines potentiellen Zinsanstiegs

 

Die seit einigen Jahren andauernde Niedrigzinsphase bringt verschiedene Auswirkungen auf die Finanzbranche, die öffentlichen Haushalte und die Realwirtschaft mit sich. Neben der Situation der im historischen Vergleich niedrigen Zinsen, gilt es auch das Risiko zu berücksichtigen, dass die Zinsen wieder auf ein höheres Niveau ansteigen könnten.

Für die Bunderepublik Deutschland etwa hat die Deutsche Bundesbank im Rahmen des Finanzstabilitätsberichtes 2014 (abrufbar unter: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Finanzstabilitaetsberichte/2014_finanzstabilitaetsbericht.pdf?__blob=publicationFile) in einem der dargestellten Szenarios die Auswirkungen im Fall des Eintretens eines abrupten Anstiegs der kurzfristigen Zinsen um 3,5 Prozent im Jahr 2017 untersucht.

Einerseits profitiert Österreich im Bereich der öffentlichen Verschuldung vom niedrigen Zinsniveau, andererseits gibt es Berechnungen, wonach die Österreicher_innen seit 2010 durch negative Realzinsen in Summe über elf Milliarden Euro verloren haben.

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage:

 

1.    Welches sind nach Ansicht Ihres Ressorts die zentralen Gründe für die niedrigen Zinsen im Euroraum?

2.    Teilt Ihr Ressort die Einschätzung, dass eine globale „Ersparnisschwemme“ bei gleichzeitig rückläufiger Investitionstätigkeit niedrigere langfristige Zinsen verursacht?

3.    Ist die Ursache der Niedrigzinssituation nach Ansicht Ihres Ressorts eine seit Ausbruch der Finanzkrise bestehende so genannte „Bilanzrezession“? (Ein von Richard Koo geprägter Begriff, der einen Zustand beschreibt, in dem, insbesondere nach einer Finanzkrise, nicht nur die privaten Haushalte, sondern auch der Sektor der Unternehmen spart bzw. einen Finanzierungssaldo größer null erzielt.)

4.    Ist Ihr Ressort der Auffassung, dass die Niedrigzinssituation vor allem auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückzuführen ist?

a.    Welche Möglichkeiten der Gestaltung und der Beeinflussung der EZB-Politik verfügt Österreich in diesem Zusammenhang?

5.    Welche Maßnahmen – ausgehend von den Fragen 3 und 4, wie etwa die Stärkung der privaten und öffentlichen Investitionstätigkeit, den Abbau der Verschuldung der Banken über Aufsichtsmaßnahmen, die Erhöhung oder den Abbau der staatlichen Verschuldung – hält Ihr Ressort für geeignet, um zu einer Normalisierung der Zinssituation, also zu einer Annäherung an historische Durchschnittswerte, beizutragen?

6.    Hält Ihr Ressort derzeit eine Normalisierung der Marktzinsen für wirtschaftspolitisch wünschenswert? Wie begründet Ihr Ressort diese Auffassung?

7.    Welche Anpassungen im Steuer-, Bilanzierungs- und Aufsichtsrecht hält Ihr Ressort angesichts des niedrigen Zinsniveaus für erforderlich, und in welcher Form gedenkt Ihr Ressort, diese umzusetzen?

8.    Wie hoch ist nach Kenntnis Ihres Ressorts die Zinsersparnis aller öffentlichen Haushalte (aufgegliedert nach Bund, Ländern und Gemeinden) pro Jahr seit dem Jahr 2009 (aufgegliedert nach Jahren einschließlich der Prognose für das Jahr 2016), wenn als Vergleichszinssatz der Durchschnittszins der Jahre 1999 bis 2008 (Bitte um Angabe des Werts) genutzt wird?

9.    Wie hoch wäre nach Kenntnis Ihres Ressorts die Zinsersparnis, wenn alle Kredite der öffentlichen Haushalte zum aktuellen Zinssatz refinanziert werden könnten?

10. Teilt Ihr Ressort die Auffassung, dass sich die Niedrigzinsphase positiv auf Unternehmensgewinne auswirkt und somit auch positiv auf die Steuereinnahmen?

11. Wie schätzt Ihr Ressort die Auswirkungen der niedrigen Zinsen auf das gesamte Steueraufkommen ein?

12. Teilt Ihr Ressort die Einschätzung, dass durch die anhaltende Niedrigzinsphase eine neue Blasenbildung an den Finanzmärkten droht, und wenn ja, in welchen Bereichen?

13. Welche Instrumente stehen der Finanzmarktaufsicht zur Verfügung drohende Finanzmarktblasen frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls zurückzuführen?

14. Wie hoch schätzt Ihr Ressort die Wirkung des niedrigeren Zinsniveaus auf die Gewinnsituation der Banken kurz- und langfristig ein, und erwartet Ihr Ressort bei andauernder Niedrigzinsphase wirtschaftliche Probleme bei den heimischen Banken?

15. Wie schätzt Ihr Ressort den Effekt der niedrigen Zinsen auf die Konjunktur ein, und wie sehr und in welcher Form war bzw. ist nach Einschätzung Ihres Ressorts das Wachstum in den letzten Jahren, also 2009 bis 2015 durch die Zinsen beeinflusst?

16. Wie schätzt Ihr Ressort die Auswirkungen der Niedrigzinsen auf die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen in Österreich ein?

17. Wie schätzt Ihr Ressort die Auswirkungen der Niedrigzinsen auf die aggregierten Konsumausgaben der privaten Haushalte ein?

18. Geht Ihr Ressort mittelfristig von wieder ansteigenden Zinsen aus und wird deshalb versucht sich möglichst langfristig zu verschulden? Wenn nein, warum nicht?

19. Geht Ihr Ressort mittelfristig von wieder ansteigenden Zinsen aus und versucht deshalb öffentliche Investitionen vorzuziehen? Wenn nein, warum nicht?

20. Zu welchen Laufzeiten ist die Refinanzierung der öffentlichen Haushalte nach Kenntnis Ihres Ressorts in den vergangenen 36 Monaten erfolgt (bitte Prozentwerte für die Laufzeiten bis ein Jahr, ein bis fünf Jahre, fünf bis zehn Jahre und länger angeben)?

21. Wie ist die derzeitige Fristigkeit der österreichischen Bundesanleihen im Bestand (bitte Prozentwerte für die Laufzeiten bis ein Jahr, ein bis fünf Jahre, fünf bis zehn Jahre und länger angeben)?

22. Hat Ihr Ressort verschiedene Szenarien zur Entwicklung der Zinsen gerechnet bzw. berechnen lassen, um die Fristigkeit derzeit begebener Staatsanleihen zu begründen?

a.    Von wem wurden diese Szenarien berechnet?

23. Wie groß wäre nach Einschätzung Ihres Ressorts die Auswirkung eines plötzlichen Zinsanstiegs auf die öffentlichen Haushalte pro Jahr, wenn der durchschnittliche Zinssatz auf das Niveau der Jahre 1999 bis 2008 (vgl. Frage 8) sprunghaft ansteigen würde?

24. Wie wären nach Einschätzung Ihres Ressorts die Auswirkungen eines plötzlichen Anstiegs des Zinsniveaus auf Lebensversicherungen?