6641/J XXV. GP

Eingelangt am 30.09.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Kollegin und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Gefährdung der Speditionsbranche

 

Eine wettbewerbsfähige Logistikindustrie zählt zu den Schlüsselfaktoren für einen erfolgreichen Industrie- und Wirtschaftsstandort, als  Basis für Industrie und Handel, Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Österreich hat dabei im internationalen Vergleich deutlich Aufholbedarf. Der aktuelle Logistik-Performance-Index belegt, dass unser Land in den letzten sieben Jahren von Platz 5 auf Platz 22 abgerutscht ist.

Insbesondere die extrem restriktiven Haftungsbestimmungen für heimische Zollspediteure, welche den heimischen Logistikstandort zur Drehscheibe für Zentral-, Südost- und Osteuropa aufgewertet haben, bringen die Unternehmen zunehmend in Bedrängnis. Dabei kommt es durch das Verzollungsgeschäft (Verfahren 42) hinaus auch zur weiteren logistischen Wertschöpfungen.

Die österreichische Speditionswirtschaft mit mehr als 1.500 Unternehmen und rund 21.000 Beschäftigten leistet einen wichtigen Beitrag für die import- und exportaffine österreichische Wirtschaft. Die international agierenden heimischen Logistikunternehmen erwirtschaften direkt und indirekt einen Bruttoproduktionswert von 17,62 Milliarden Euro. Mehr als 148.000 Jahresbeschäftigte werden direkt und indirekt über diese logistischen Dienstleistungen abgesichert.

Das österreichische Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG) sieht vor, dass die Einfuhr von Waren frei von der Einfuhrumsatzsteuer zu belassen ist, wenn diese Waren unmittelbar an die Abfertigung zum freien Verkehr Gegenstand einer innergemeinschaftlichen Lieferung werden sowie weitere Nebenbedingungen erfüllt sind. Diese Vereinfachung, die auch im EU-Recht in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgesehen ist, ist dann anwendbar, wenn die Verzollung der Drittlandsware in Österreich erfolgt, die Sendung jedoch für einen Empfänger mit Unternehmereigenschaft und Vorsteuerabzugsrecht in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt ist. In diesem Fall müsste entweder der Lieferer oder der Empfänger in Österreich zur Umsatzsteuer erfasst sein, wenn eine Abfertigung zum freien Verkehr mit innergemeinschaftlicher Anschlusslieferung in Österreich vorgenommen werden soll. Überdies kann auf Grund der anschließenden innergemeinschaftlichen Lieferungen gem. Art. 27 Abs. 4 UStG 1994 die Bestellung eines Fiskalvertreters erforderlich sein.

In Österreich wurde kurz nach dem EU-Beitritt die Möglichkeit geschaffen, dass inländischen Spediteuren auf Antrag beim zuständigen Finanzamt eine Sonder-Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zugeteilt werden kann, unter der die Spedition als Anmelder für ihre nicht in Österreich steuerlich erfassten Auftraggeber auftritt, sofern nach der Abfertigung zum freien Verkehr eine innergemeinschaftliche Lieferung durchgeführt werden soll. Der Spediteur ersetzt in diesen Fällen auch den Fiskalvertreter. Mittels dieser Sonder-UID darf der Spediteur nach Verwaltungsvorschriften des Bundesministeriums für Finanzen jedoch nur als indirekter Vertreter (in eigenem Namen und auf fremde Rechnung) agieren. Demnach wird der Spediteur Solidarschuldner für allfällige nachträglich entstehende Abgaben und dementsprechend auch für die Umsatzsteuer, die bei Nichterfüllung der Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung entsteht. Bei Verwendung der Sonder-Umsatzsteuer-Identifikationsnummer übernimmt der Spediteur abgabenrechtlich auch die Pflichten eines Unternehmers, der eine innergemeinschaftliche Lieferung durchführt, obwohl der Spediteur mangels Verfügungsmacht über die Ware diese nicht durchführt und sich demgemäß sehr schwer tut, die auf die innergemeinschaftliche Lieferung bezogenen Sorgfalts- und Nachweispflichten zu erfüllen. Eine Nichterfüllung und ein Verstoß gegen diese Pflichten haben zur Folge, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht gegeben sind und der Spediteur dann die österreichische Einfuhrumsatzsteuer zu entrichten hat, die für ihn keine Vorsteuer darstellt.  Demnach haben die derzeitigen Rahmenbedingungen für den Abfertigungsstandort Österreich oder vielmehr für die heimischen Speditionsunternehmen wettbewerbsschädliche und unternehmensschädliche Konsequenzen.

In anderen Mitgliedstaaten mit hoher Abfertigungszahl, z.B. Niederlande, Belgien, Frankreich und Deutschland, kann dieses Verfahren auch in direkter Vertretung des Spediteurs angemeldet werden. Zollschuldner wird dann in solchen Fällen ausschließlich der durch ihn Vertretene. Rechtsgrundlage dafür sind die Art. 143 Abs. 1 lit. d), Abs. 2, 201 MwStSystRL, die anordnen, dass die Mitgliedsstaaten bestimmen, wer Steuerschuldner im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung (= Verfahren 42) wird. Österreich hat (übrigens wie Deutschland) in § 26 Abs. 1 UStG bestimmt, dass insoweit Zollrecht und damit auch das Vertretungswahlrecht nach Art. 5 Zollkodex gilt.  Mit einer Änderung der Verwaltungsvorschriften des Bundesministeriums für Finanzen könnten die für die Speditionsbranche wichtigen Verzollungsdienstleistungen durch heimische Unternehmen weitergeführt werden und würden nicht zunehmend an ausländische Anbieter abwandern, respektive Spediteure von überbordenden und unnötigen Risiken belasten.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage:

 

1.    Ist Ihr Ressort der Auffassung, dass der Spediteur die Verantwortung für die Durchführung der innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung übernehmen muss, die sein Auftraggeber oder ein Dritter tätigt?

a.    Wenn ja, wie beurteilt Ihr Ressort die Auffassung, dass als Ausgleich für die mangelnden Einwirkungsmöglichkeiten Vertrauensschutz gem. UStG eingeräumt werden muss für den Fall, dass das Speditionsunternehmen über die Steuerbefreiungsvoraussetzungen getäuscht wird?

2.    Ist Ihr Ressort der Auffassung, dass das steuerschuldauslösende Verhalten regelmäßig beim Spediteur zu suchen ist?

a.    Wenn nein, warum wird nicht aufgrund der EU-Beitreibungsrichtlinie (2010/24/EU) der in der Europäischen Union ansässige Lieferer oder Abnehmer, die die innergemeinschaftliche Anschlusslieferung durchführen,

zuallererst in Anspruch genommen?


3.    Ist Ihr Ressort der Ansicht, dass eine Umsetzung des Wahlrechts zum Zweck der Ermöglichung einer direkten Fiskalvertretung etwaige Zielsetzungen der Steuerbetrugsbekämpfung konterkarieren würde?

a.    Wenn ja, aus welchen Gründen?

b.    Wenn nein, weshalb wird in den Verwaltungsvorschriften des Bundesministeriums für Finanzen vom o.g. Wahlrecht nicht Gebrauch gemacht?

4.    In welchen EU-Mitgliedsstaaten ist nach Kenntnis Ihres Ressorts die Möglichkeit der direkten Vertretung gesetzlich möglich?

5.    Inwieweit teilt Ihr Ressort die Auffassung, dass durch die geltende Rechtslage für Speditionsunternehmen ein höheres Haftungsrisiko im Vergleich zu beispielsweise deutschen oder niederländischen Speditionsunternehmen besteht?

6.    Inwieweit teilt Ihr Ressort die Auffassung, dass durch die geltende Rechtslage im Hinblick auf die Möglichkeiten der Fiskalvertretung österreichische Speditionsunternehmen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Speditionsunternehmen aus anderen europäischen Ländern haben, in welchen ein derartiges Wahlrecht zwischen direkter und indirekter Fiskalvertretung umgesetzt ist?

7.    Inwieweit hat Ihr Ressort darüber Kenntnis, dass die aktuellen Modalitäten und die damit einhergehenden Steuer- und Haftungsrisiken, insbesondere die fehlende Möglichkeit einer direkten Fiskalvertretung im Verfahren 42, finanzielle Schäden für heimische Speditionsunternehmen mit sich bringen?

8.    Inwieweit hat Ihr Ressort Kenntnis über Verfahren und Entscheidungen, welche in Fragen des VC 42 im Zeitraum 2010 bis 2015 an Gerichten anhängig waren? (Bitte um Aufgliederung nach Bundesland, Instanz, Verfahrensstatus.)

9.    In welcher Höhe kam es zur Verhängung von Strafen und Bußgeldern im Zuge von Verstößen im Rahmen des Verfahrens 42 im Zeitraum 2010 bis 2015 (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren, Anzahl der Fälle, Angabe der Höhe der Strafzahlung.)

10. Ist Ihrem Ressort bekannt, dass die Speditionswirtschaft ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des unzulässigen Zwangs zur indirekten Vertretung im Zollverfahren VC 42 bei der Europäischen Kommission (GD TAXUD) beantragt hat, in dessen Rahmen ein erster Meinungsaustausch im Frühjahr dieses Jahres stattgefunden hat?

11. Gedenkt Ihr Ressort, zeitnah den (Vertrauens-)Schutz des Spediteurs im UStG zu stärken - analog der Rechtsprechung des EuGH zur innergemeinschaftlichen Lieferung (vom 06.09.2012, C-273/11, Mecsek-Gabona; vom 09.10.2014, C-492/13, Traum) und zum Vorsteuerabzugsrecht (vom  21.6.2012, C-80/11 und C-142/11, Mahagében und Péter Dávid)?

a.    Wenn nein, warum nicht?

12. Gedenkt Ihr Ressort, zeitnah gesetzliche Änderungen zum Vorsteuerabzugsrecht von Speditionsunternehmen zu veranlassen, um das Steuer- und Haftungsrisiko der österreichischen Speditionsunternehmen zu verringern? Insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach der Rechtsprechung des EuGH (vom 25.06.2015, C-187/14, DSV Road, Rn. 51) eine solche Regelung dem Unionsrecht nicht entgegen steht.

a.    Wenn nein, warum nicht?