6710/J XXV. GP

Eingelangt am 08.10.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundeskanzler

betreffend verschleppte Umsetzung EU-Vergaberecht

BEGRÜNDUNG

 

2014 wurden rund 19-20% des europäischen BIP nach Schätzungen des Städtebundes[1] durch öffentliche Aufträge erwirtschaftet. 10 Jahre nach dem grundlegenden Schnitzen des europäischen Vergaberechts für öffentliche Auftraggeber bleibt die Materie zentral für die effiziente und transparente Mittelverwendung öffentlicher Haushalten. Daher hat der europäische Gesetzgeber die entsprechenden Standards – also Richtlinien – überarbeitet und ergänzt. Die Erfahrungen des letzten Jahrzehnts zeigten den Wert von Transparenzregeln und Rechtsschutz, machten aber auch Schwächen in der Nutzung des Bestbieterprinzips sichtbar. Die nun vorgenommenen Veränderungen beinhalten einige Verbesserungen, da eine verstärkte Berücksichtigung von sozialen und ökologisch nachhaltigen Kriterien über eine Stärkung des Bestbieterprinzips für alle Bereiche vorgesehen ist.

Das zentral angelegte Vollkostenprinzip (Lebenszyklusberechnung) erlaubt es, Auswirkungen von Vergaben auf Umwelt, Geldbeutel und die Gesellschaft über die gesamte Nutzungsdauer zu berücksichtigen. Damit einhergehend ist die „Einpreisung“ von externen Umweltkosten (z.B. CO2-Ausstoss), Recycling Kosten oder aber auch die Berücksichtigung von relevanten sozialen Kriterien möglich.

Daneben wurden in den Richtlinien die Mindestverfahrensdauern für Ausschreibungen verkürzt, so dass die von Auftraggebern und Auftragnehmern geforderte Zeitnähe in Vergabeverfahren umsetzbar wäre. Die Vergabe von Konzessionen wird erstmals als eigene Regelungsmaterie betrachtet und die Normung der elektronischen Rechnung bei öffentlichen Aufträgen angestoßen.

Das Richtlinienpaket der EU enthält folgende Bestandteile:

·        2014 / 24 / EU - "Festlegung klarer Grundregeln" | Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, Umsetzungsfrist: 16.4.2016

·        2014 / 25 / EU -" Öffentliches Beschaffungswesen - Vorschriften für die Bereiche Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Postdienste " | Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG, Umsetzungsfrist: 16.4.2016

·        2014 / 23 / EG: Konzessionsverträge | Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, Umsetzungsfrist: 16.4.2016

·        2014 / 55 / EG: Elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen | Richtlinie 2014/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen, Umsetzungsfrist 27.11.2018.

Auch bietet Richtlinie 2014/24 beispielsweise in Artikel 67 ganz explizit die Möglichkeit, Bestbieterverfahren zum Standard zu machen und Billigstbieterverfahren nur auf bestimmte Auftraggeber oder Arten von Aufträgen zu beschränken.

Vor diesem Hintergrund – einer breit gefächerten Möglichkeit, das Bestbieterprinzip zum Standard zu erheben und das Billigstbieterprinzip nur mehr in definierten Ausnahmefällen zuzulassen – stellt sich die Frage, weshalb das EU-Richtlinienpaket nicht bereits frühzeitiger in das nationale Vergaberecht umgesetzt wurde. Dabei ist davon auszugehen, dass das österreichische Bundesvergabegesetz von Grund auf renoviert und adaptiert wird.

Die Sinnhaftigkeit des kurzfristigen Lohndumping[2] Aktionismus auf Initiative der Bau-Holz Gewerkschaft und der SPÖ (Bundesvergabegesetz 2006, Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012, Änderung: 776 d.B.) erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht. Denn gerade die Baubranche weiß: Ein neuer Anstrich an einem Gebäude, das in einem halben Jahr zur Komplettsanierung ansteht, verursacht doppelte Kosten und Ressourcenbindung.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Bis wann wird eine umfassende Überarbeitung bzw. Neufassung des Bundesvergabegesetzes vorgenommen und allgemein einsehbar (Begutachtung) sein?


2)    Welchen Mehraufwand entstand durch die Ausarbeitung und Organisation der erwähnten Regierungsvorlage 776 d.B.?

3)    Inwiefern ist die Verwendung des Bestbieterverfahrens als Standardverfahren für alle Vergabeverfahren zur Umsetzung geplant?

4)    Welche Maßnahmen sind geplant, um - neben der Kodifizierung der EU-Vergaberechtsrichtlinien - das Vergaberecht für alle öffentlichen Stellen lebbar zu machen (z.B. Kriterienkataloge, Support für kleine Gemeinden, etc.).

5)    Aus welchem Grund sind einzelne, wirklich einfach umzusetzende Neuerungen der EU-Richtlinien (z.B. Verkürzung der Angebotsfrist bei offenen Verfahren im Oberschwellenbereich von 52 auf 35 Tage), nicht auf kurzem Wege umgesetzt (Austausch der Zahlenwerte)?

6)    Wie wird im Vergaberecht 2016 eine größtmögliche Transparenz im Sinne der BürgerInnen und der anbietenden Unternehmen sichergestellt?

7)    In welcher Form ist im Vergaberecht 2016 geplant, die Berücksichtigung von sozialen Aspekten (insbesondere in  Bezug auf das Lebenszyklusprinzip) rechtssicher, verständlich und anwendbar sicherzustellen?

8)    In welcher Form ist im Vergaberecht 2016 geplant, die Berücksichtigung von ökologischen Aspekten (insbesondere in  Bezug auf das Lebenszyklusprinzip) rechtssicher, verständlich und anwendbar sicherzustellen?

9)    In welcher Form ist im Vergaberecht 2016 geplant, die Berücksichtigung von regionalwirtschaftlichen und innovationsfördernden Aspekten (insbesondere in Bezug auf das Lebenszyklusprinzip) rechtssicher, verständlich und anwendbar sicherzustellen?

10) In welcher Form ist im Vergaberecht 2016 geplant, die Berücksichtigung von Menschenrechtsaspekten (auch über die Grenzen Österreichs hinaus) rechtssicher, verständlich und anwendbar sicherzustellen?

 



[1] Kurzleitfaden zum neuen EU-Vergaberecht, Österreichischer Städtebund, 2014

[2] http://www.bau-holz.at/servlet/ContentServer?pagename=D01/Page/Index&n=D01_999_Suche.a&cid=1441247407976