6755/J XXV. GP

Eingelangt am 12.10.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Bruno Rossmann,  Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Unzureichende Antworten Österreichs an den Lux Leaks Sonderausschuss und fauler Kompromiss der EU-Finanzminister zu Informationsaustausch

BEGRÜNDUNG

 

Im November 2014 wurde die sogenannte LuxLeaks-Affäre öffentlich. Ein internationales Journalisten-Netzwerk (ICIJ) hat die Praxis von Luxemburger Behörden Steuervermeidungsmodelle für meist international tätige Konzerne durch das Ausstellen von Steuervorbescheiden (tax rulings) aufgedeckt. Daraufhin versuchte das europäische Parlament einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, um den Skandal aufzuarbeiten. Durch juristische Finessen wurde dieser Ausschuss im europäischen Parlament allerdings verhindert. Stattdessen wurde im Februar 2015 ein Sonderausschuss eingesetzt, der im Gegensatz zu einem Untersuchungsausschuss nur schwächere Instrumente zur Verfügung hat (etwa beim Zugang zu Dokumenten von nationalen Regierungen). Trotz dieser Umstände konnten im Sonderausschuss wichtige Erkenntnisse gewonnen werden. Steuervermeidungsmodelle beschränken sich nicht nur auf Luxemburg. Auch in vielen anderen Mitgliedstaaten gibt es Sonderregeln.

Ende Juli wurde bekannt, dass die EU-Kommission in EU-Ländern Steuervorbescheide für insgesamt 125 Firmen angefordert hat. Laut einem Standard-Bericht[1] sind darunter auch Österreich und Deutschland.

Im Juli 2015 wurde ein Entwurf des Berichts[2] des Sonderausschusses veröffentlicht. In diesem Entwurf ist unter anderem von „schädlichen Steuerpraktiken“ die Rede und an anderer Stelle wird die „mangelnde Transparenz, Wettbewerbsverzerrung und ungleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb und außerhalb des Binnenmarkts, unfairer Wettbewerb zwischen Staaten, Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage, soziale Unzufriedenheit, Misstrauen oder ein Demokratiedefizit“ angeführt. Betont wird, „dass die Steuervermeidung einiger multinationaler Unternehmen dazu führen kann, dass die effektiven Steuersätze für die in europäischen Hoheitsgebieten erzielten Gewinne bei nahezu null liegen, und hebt hervor, dass solche Unternehmen zwar von verschiedenen öffentlichen Gütern und Dienstleistungen am Betriebsort profitieren, aber nicht ihren fairen Anteil dazu beitragen und so zur Aushöhlung der nationalen Steuerbemessungsgrundlage beitragen“. Außerdem wird die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Mitgliedstaaten angesprochen, indem „die Arbeit des Ausschusses teilweise dadurch behindert wurde, dass eine Reihe von Mitgliedstaaten und der Rat nicht rechtzeitig geantwortet haben und letztendlich nicht alle angeforderten Dokumente übermittelt haben“. Bedauert wird im Bericht, „dass der derzeitige Legislativ- und Überwachungsrahmen für den Austausch von Informationen über steuerliche Maßnahmen nicht wirksam ist, da sich gezeigt hat, dass die bestehenden Anforderungen für den spontanen Austausch von Informationen oder den Austausch auf Anfrage nicht eingehalten werden“.

Im April 2015 bat der Ausschuss die Mitgliedstaaten um Informationen bezüglich aggressiver Steuerplanung. Auch an Österreich wurde ein entsprechender Brief[3] gerichtet. Im Detail wurde um folgende Informationen gebeten:

Die Frist für die Beantwortung wurde mit 31.5.2014 festgelegt. Österreich hat mit mehr als drei Monaten Verspätung im September 2015 eine Antwort an den Sonderausschuss übermittelt[4]. Die Antwort ist spärlich. In entscheidenden Punkten – wie bei Informationen über die Steuervorbescheide oder den spontanen Informationsaustausch – wird auf das österreichische Steuergeheimnis (§ 48a BAO) verwiesen. Angeführt wird, dass es lediglich 20 Anfragen zum spontanen Informationsaustausch an andere EU-Mitgliedstaaten (Art 9 D 2011/16[5]) gab. Der Verweis auf das österreichische Steuergeheimnis ist unverständlich, da beim Steuergeheimnis „unbekannte Verhältnisse oder Umstände eines anderen“ verletzt werden müssen. Es wurde vom Sonderausschuss aber nur um einen Überblick über die Steuervorbescheide seit 1991 angefragt. Darüber hinaus gibt es nach § 48a (4) BAO die Möglichkeit der Zustimmung jener, deren Interesse an der Geheimhaltung verletzt worden sein könnte.

Erst Ende August traf sich Finanzminister Schelling mit anderen deutschsprachigen FinanzministerInnen um sich mit der Eindämmung von „aggressiver Steuerplanung“ zu beschäftigen. Es gehe um ein "faires Verhalten für Unternehmen in Sachen Steuergestaltung", sagte Schelling. "Steueroptimierungsmodelle" sollen künftig erschwert werden. (Kurier, 26.8.2015)

Am 6. Oktober 2015 einigten sich die EU-FinanzministerInnen auf einen Kompromiss zum Informationsaustausch von Steuerabsprachen zwischen einzelnen EU-Mitgliedstaaten und Unternehmen (tax rulings). Dieser Kompromiss ist eine starke Verwässerung des EU-Kommissionsvorschlags. Die Informationen sollen nur an die Mitgliedstaaten und nicht an die Europäische Kommission gehen. Aufgrund der Blockade von Großbritannien, Spanien und Slowenien soll die EU-Kommission nur rein statistische Daten erhalten. Inhalt des Bescheids und Name des Unternehmens bleiben ihr verborgen, ein Zentralregister wird es nicht geben.

Ob den Informationen nachgegangen wird, hängt somit allein vom guten Willen der Mitgliedstaaten ab. Wie wenig verlässlich diese sind, haben wir in den vergangenen Jahrzehnten gesehen. Nach EU-Regeln hätten sie seit 1977 Informationen austauschen müssen, haben es aber nicht bzw. völlig unzureichend getan.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Warum haben Sie erst mit monatelanger Verspätung auf den Brief des Sonderausschusses geantwortet vor dem Hintergrund, dass Sie das Eindämmen von „aggressiver Steuerplanung“ laut eigenen Angaben zum prioritären Ziel haben?

2)    Gibt es in Österreich Sondersteuervereinbarungen mit Unternehmen?

3)    Wenn ja, wie viele und was ist deren Inhalt (bitte jeweils separate Auflistung ab dem Jahr 1991)?

4)    Wenn ja, in welchen Branchen sind die Unternehmen mit Sondersteuervereinbarungen tätig?

5)    Wie hoch schätzen Sie den kumulierten Steuerausfall aus Sondersteuervereinbarungen mit Unternehmen (1991 bis heute)?

6)    Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt bzw. werden Sie in Zukunft auf nationaler Ebene setzen, um die Transparenz bei der Körperschaftsteuer zu erhöhen?


7)    Welche Maßnahmen über die Änderung des § 12 (1) Zi 10 KStG hinaus werden Sie in Zukunft auf nationaler Ebene setzen, um eine Aushöhlung der Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftsteuer sowie Gewinnverschiebungen zu verhindern?

8)    Haben Sie sich dafür eingesetzt, die in Österreich bereits beschlossenen Einschränkungen für Gewinnverschiebungen durch ein Abzugsverbot von Zinsen oder Lizenzgebühren (§12 (1) Zi 10 KStG) auf alle Mitgliedstaaten der EU bzw auf die Mitgliedstaaten der OECD auszuweiten?

9)    Wenn ja, wann und wo?

10) Wenn nein, warum nicht?

11) Setzen Sie sich auf europäischer bzw internationaler Ebene für eine einheitliche Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftsteuer in Verbindung mit Mindeststeuersätzen ein?

12) Wenn ja, wann, in welchen Gremien und bei welchen öffentlichen Veranstaltungen und Auftritten?

13) Gibt es dazu Protokolle, schriftliche Aufzeichnungen oder Pressemitteilungen?

14) Wenn ja, was genau ist deren Inhalt?

15) Teilen Sie die Ansicht des Sonderausschusses, dass der derzeitige Legislativ- und Überwachungsrahmen für den Austausch von Informationen über steuerliche Maßnahmen nicht wirksam ist, da sich gezeigt hat, dass die bestehenden Anforderungen für den spontanen Austausch von Informationen oder den Austausch auf Anfrage nicht eingehalten werden“?

16) Wenn ja, welche Maßnahmen hat Österreich bisher gesetzt, um den Austausch von Informationen zu verbessern?

17) Welche konkreten Maßnahmen wird Österreich bis wann setzen, um den Austausch von Informationen zu verbessern?

18) An welche Mitgliedstaaten wurden die 20 Anfragen zum spontanen Informationsaustausch geschickt?

19) Wann genau wurden die 20 Anfragen gestellt (bitte um Angabe des Datums und des jeweiligen Staates)?

20) Wie viele spontane Anfragen wurden an Österreich von anderen Mitgliedstaaten gestellt?

21) Wann wurden diese Spontanauskünfte von welchen Mitgliedstaaten gestellt?

22) Führten die 20 angefragten Spontanauskünfte aus Österreich zu neuen abgabenrechtlichen Erkenntnissen?

23) Halten Sie den am 6. Oktober 2015 erzielten Kompromiss der EU-Finanzminister zum Informationsaustausch zu Steuerabsprachen zwischen Mitgliedstaaten und Unternehmen (tax rulings) für ausreichend, damit die EU-Kommission Steuerdumping entdecken und ahnden kann?

24) Wenn ja, warum?

25) Warum sieht der Kompromiss nicht die Errichtung einer zentralen Datenbank über Steuervorbescheide (tax rulings) vor, obwohl diese die schärfste Waffe der EU-Kommission zur Einleitung von Verfahren wegen illegaler staatlicher Beihilfe ist?

26) Warum verbieten die EU-Mitgliedsländer der EU-Kommission, die Daten zur Ermittlung dubioser Fälle steuerlicher Beihilfe zu nutzen?


27) Warum haben Sie einem Kompromiss ohne Errichtung eines Zentralregisters zugestimmt, der es den Mitgliedstaaten weiter ermöglicht Regeln mit Konzernen auszuhandeln, die den SteuerzahlerInnen in der gesamten EU schaden?

28) Haben Sie sich bei den Verhandlungen zu diesem Kompromiss dafür eingesetzt, Informationen zu Steuerabsprachen öffentlich zu machen?

29) Wenn nein, warum nicht?

30) Können Sie sich der Forderung des Europäischen Parlaments anschließen, das in der Unternehmensbesteuerung volle Transparenz fordert?

31) Befürworten Sie wie der Abgeordnete Othmar Karas eine öffentliche Datenbank, aus der der hervorgeht, welche Unternehmen in welchem Land welche Gewinne erzielen?

32) Wenn nein, warum nicht?

33) Welche weiteren konkreten Maßnahmen zur Herstellung von Transparenz befürworten Sie?

34) Werden Sie diese national umsetzen und auf EU- sowie internationaler Ebene vorantreiben?



[1] http://derstandard.at/2000020075499/LuxLeaks-Steueroasen-sollen-Nachsteuern-abliefern (zugegriffen am 6.10.2015)

[2] http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+COMPARL+PE-564.938+01+DOC+PDF+V0//DE&language=DE (zugegriffen am 6.10.2015)

[3] https://polcms.secure.europarl.europa.eu/cmsdata/upload/3e129b54-fede-4a3c-b5f8-ff28ee6f591c/Draft%20letter%20to%20MS%20representatives%20TAXE%20Austria.pdf (zugegriffen am 6.10.2015)

[4] https://polcms.secure.europarl.europa.eu/cmsdata/upload/060f1ed9-8a7a-4e2e-9654-7622b083a3fa/Austria%20reply.pdf

[5] http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:064:0001:0012:De:PDF