6793/J XXV. GP

Eingelangt am 15.10.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Wissenschaftliche Erkenntnisse über auf Glyphosat basierende Herbizide

BEGRÜNDUNG

 

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Unkrautbekämpfungsmittel. Es ist ein nicht-selektives Blattherbizid mit systemischer Wirkung, das über grüne Pflanzenteile aufgenommen wird. Es wird gegen einkeim- und zweikeimblättrige Unkräuter im Acker-, Wein- und Obstbau, beim Anbau von Zierpflanzen, auf Wiesen, Weiden und Rasenflächen sowie im Forst verwendet.

Nachdem MedizinerInnen, Umweltschutzorganisationen und die Grünen seit Jahren vor einer möglichen krebserregenden Wirkung von Glyphosat warnen, hat nun die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO das weltweit am häufigsten eingesetzte Pestizid als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. In der Fachzeitschrift „The Lancet“[1] begründet die Organisation ihre veränderte Haltung zu Glyphosat jetzt unter anderem mit drei Untersuchungen in Kanada, Schweden und den USA. In allen drei Studien wurde der Gesundheitszustand von Menschen mit und ohne Kontakt zu der Chemikalie verglichen. Diejenigen, die mit dem Pestizid in Berührung gekommen waren, hatten der Veröffentlichung zufolge ein erhöhtes Risiko, am Non-Hodgkin-Lymphom zu erkranken. Zudem gibt es nach Ansicht der WHO "ausreichende" Belege, dass Glyphosat bei Mäusen und Ratten Tumore verursacht. Die Ende Juli 2015 erschienene ausführliche Veröffentlichung untermauert diesen Befund mit zahlreichen wissenschaftlichen Studien. http://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/mono112-02.pdf.

 

In der Zusammenfassung der aktuellen österreichischen Studie „Glyphosate-based herbicides reduce the activity and reproduction of earthworms and lead to increased soil nutrient concentrations” wird dargelegt: “Herbicide use is increasing worldwide both in agriculture and private gardens. However, our knowledge of potential side-effects on non-target soil organisms, even on such eminent ones as earthworms, is still very scarce. In a greenhouse experiment, we assessed the impact of the most widely used glyphosate-based herbicide Roundup on two earthworm species with different feeding strategies. We demonstrate, that the surface casting activity of vertically burrowing earthworms (Lumbricus terrestris) almost ceased three weeks after herbicide application, while the activity of soil dwelling earthworms (Aporrectodea caliginosa) was not affected. Reproduction of the soil dwellers was reduced by 56% within three months after herbicide application. Herbicide application led to increased soil concentrations of nitrate by 1592% and phosphate by 127%, pointing to potential risks for nutrient leaching into streams, lakes, or groundwater aquifers. These sizeable herbicide-induced impacts on agroecosystems are particularly worrisome because these herbicides have been globally used for decades.”[2]

Die dokumentierten Beeinträchtigungen dürften im Grunde genommen gar nicht vorkommen. Denn eigentlich hemmt Glyphosat das Enzym 5-Enolpyruvylshikimat-3-phosphat (EPSP)-Synthetase, das in Pflanzen für die Biosynthese der Aminosäuren Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan essenziell ist. Dieses Enzym kommt bei Tieren und beim Menschen nicht vor.“[3] Deshalb galt Glyphosat lange als unbedenklich für alle nichtpflanzlichen Organismen.

Johann Zaller, Ökologe am Institut für Zoologie und Studienleiter kommentiert die Ergebnisse sehr pointiert: "Diese gravierenden Auswirkungen haben uns sehr überrascht und man fragt sich, wieso derartige Untersuchungen nicht im Zuge der Registrierung der Pestizide durchgeführt werden müssen. Wir müssen auch immer Bedenken, dass diese Befunde nur für einen Wirkstoff gelten, während im Normalfall Dutzende unterschiedliche Pestizidprodukte (Insektizide, Fungizide etc.) verwendet werden. Über die Nebenwirkung dieser Pestizid-Cocktails ist so gut wir gar nichts bekannt."[4]

 

Mit Dezember 2013 verhängte die EU-Kommission Beschränkungen für drei Neonicotinoide (Clothianidin, Thiamethoxam und Imidiacloprid), die überwiegend von Bayer aus Deutschland und Syngenta aus der Schweiz produziert werden. Österreich sprach sich anfangs entschieden gegen dieses EU-Vorhaben aus. Der Nationalrat beschloss dann aber im Sommer 2013 ein über die EU-Vorgaben hinausgehendes Neonicotinoid-Verbot, das vorerst bis Oktober 2016 gilt.

Zahlreiche Studien belegen die Bienengefährlichkeit der Neonicotinoide. Zu dieser Kenntnis kommt beispielsweise eine aktuelle Studie des EU-Wissenschafsnetzwerks Easac[5]. Easac berät EntscheidungsträgerInnen in der EU. Die AutorInnen legen dar, der Einsatz der Neonicotinoide sei deshalb unvereinbar mit den Prinzipien nachhaltigen Pflanzenschutzes und widerspreche auch den Bemühungen um den Erhalt der Artenvielfalt in der Landwirtschaft.

In der EU-Verordnung 1107/2009 ist im Anhang II unter 3.8.3 festgehalten:

Ein Wirkstoff, Safener oder Synergist wird nur genehmigt, wenn auf der Grundlage einer angemessenen Risikobewertung nach gemeinschaftlich oder international akzeptierten Testrichtlinien festgestellt wird, dass seine Verwendung unter den vorgeschlagenen Bedingungen für die Verwendung des Pflanzenschutzmittels, das diesen Wirkstoff, Safener oder Synergisten enthält,

— zu einer vernachlässigbaren Exposition von Honigbienen führt, oder

— unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf Honigbienenlarven und das Verhalten von Honigbienen keine unannehmbaren akuten oder chronischen Auswirkungen auf das Überleben  und die Entwicklung des Bienenvolks hat.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ durch die International Agency for Research on Cancer (IARC)?

 

2)    Durch welche Maßnahmen werden Sie Landwirte und Landwirtinnen schützen, die direkt diesem Mittel ausgesetzt sind?

 

3)    Halten Sie Grenzwerte für Glyphosatrückstände auf Lebensmitteln für geeignet, die KonsumentInnen hinreichend zu schützen?

 

4)    Ist Ihnen die Studie “Glyphosate-based herbicides reduce the activity and reproduction of earthworms and lead to increased soil nutrient concentrations” bekannt?

a.    Wenn ja, welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

 

5)    Werden Sie sich auf Basis des Vorsorgeprinzipes gegen eine Wiederzulassung von Glyphosat aussprechen?

a.    Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

 

6)    Was antworten Sie auf die Frage von Johann Zaller, wieso derartige Untersuchungen nicht im Zuge der Registrierung der Pestizide durchgeführt werden müssen?

 

7)    Erachten Sie es als richtig, dass die Zulassung von sogenannten Pflanzenschutzmitteln im Wesentlichen auf Studien, die die Wirkung von Herbiziden auf Nicht-Zielorganismen im Labor in Petrischalen untersuchen, basiert?

 

8)    Erachten Sie es als notwendig, künftig im Rahmen der Zulassung Studien einzufordern, die die Voraussetzungen im Feld einigermaßen realistisch nachbilden?

a.    Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um dies künftig zu gewährleisten?

b.    Wenn nein, warum nicht?

 

9)    Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das Verbot der drei Neonicotinoide (Clothianidin, Thiamethoxam und Imidiacloprid) verlängert wird?

a.    Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen?

b.    Wenn nein, warum nicht?

 

10) Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel reformiert wird?

a.    Wenn ja, welche konkreten Änderungen streben sie an?

b.    Wenn nein, begründen Sie bitte, weshalb Sie die Gesetzgebung als ausreichend erachten?

 



[1] http://www.thelancet.com/journals/lanonc/article/PIIS1470-2045%2815%2970134-8/abstract

[2] http://www.nature.com/articles/srep12886

 

[3] http://www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zur-gesundheitlichen-bewertung-von-glyphosat.pdf

[4]http://www.boku.ac.at/universitaetsleitung/rektorat/stabsstellen/oeffentlichkeitsarbeit/themen/presseaussendungen/presseaussendungen-2015/06082015-herbizid-mit-dramatischen-nebenwirkungen/

 

[5] http://www.easac.eu/environment/reports-and-statements/detail-view/article/ecosystem-se.html