6836/J XXV. GP

Eingelangt am 20.10.2015
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ANFRAGE

der Abgeordneten Schenk

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend „EUROGENDFOR: paramilitärische Spezialeinheit

 

 

Die EUROGENDFOR (European Gendarmerie Force, EGF) ist eine eigenständige überstaatliche Gendarmerietruppe, die 2004 von Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und den Niederlanden gegründet wurde. Mittlerweile noch sind Polen und Rumänien beigetreten. Die EGF ist kein Organ der EU und wird auch nicht von ihr finanziert. Da die EGF unter militärisches Kommando gestellt werden kann, können sich Polizeiorganisationen mit ausschließlich ziviler Funktion nicht beteiligen. EU-Staaten ohne Gendarmarie-Kräfte wie Österreich (Abschaffung der Gendarmarie 2005) oder Deutschland (Trennung von Polizei und Militär in der Verfassung festgeschrieben) können sich der Truppe nicht anschließen.

 

Die EUROGENDFOR hat die Aufgabe, dem Militär in destabilisierten Regionen der Welt zur Seite zu stehen, lokale Polizeieinheiten zu ersetzen oder zu verstärken. Konkret bedeutet dies die Aufrechterhaltung von Sicherheit und öffentlicher Ordnung, Überwachung von öffentlichen Plätzen, Schutz von Besitztümern, Grenzkontrollen, und generelle geheimdienstliche Tätigkeiten. Jeder Einsatz setzt ein Mandat voraus, das von EU, der UNO, NATO oder OSZE (bzw. anderen internationalen Organisationen) kommen kann. Bisher sind Einsätze der EGF in Bosnien, Afghanistan, Haiti, Mali bekannt.

 

In der Gründungs-Urkunde (Vertrag von Velsen) ist geregelt, dass EUROGENDFOR, wenn nötig, nationales Recht und sogar die nationale Souveränität des betroffenen Landes außer Kraft setzen kann. Gebäude und Gebiete, die von EUROGENDFOR im Rahmen eines Mandates beschlagnahmt wurden, sind „immun“ und für Organe des betroffenen Landes nicht mehr zugänglich. Im Grunde kann diese Truppe schalten und walten, wie sie will, denn sie ist, selbst bei Mord, der Strafverfolgung nicht ausgesetzt.

 

„Ein Mitglied des Personals der EUROGENFOR soll bei Angelegenheiten, die mit der Ausübung ihrer offiziellen Pflichten zu tun haben, der Strafverfolgung im Gaststaat nicht unterworfen sein.“ (Artikel 29, 3)

 

Der rechtliche Rahmen für einen europaweiten Einsatz der Polizei und des Militärs wurde mit der Verabschiedung der Solidaritätsklausel (Artikel 222 AEUV) im Juni 2014 geschaffen, so etwa für Einsätze polizeilicher Spezialkräfte des Atlas-Netzwerks und der EUROGENDFOR. Auf die „Solidaritätsklausel“ kann sich ein Staat (laut Stellungnahme des EU-Rats 11198/14 vom 24.06.2014) berufen, wenn eine Krise seine „Bewältigungskapazitäten eindeutig übersteigt.“ Die Bedingungen für ein Inkrafttreten der Klausel sind dabei ebenso vage gehalten wie die möglichen Maßnahmen. Auch die Umstände der Verabschiedung der Klausel waren dubios: Das Thema stand nicht auf der Tagesordnung und die Medien wurden erst danach mit einer nichtssagenden Meldung informiert.

(Quelle: www.eurogendfor.org)


In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Inneres folgende

ANFRAGE:

1.    Ist Ihnen der Vertrag von Velsen bekannt und haben Sie ihn gelesen?

2.    Welche Auswirkungen hat der Vertrag von Velsen bzw. ein Einsatz der Truppen auf die Neutralitätsbestimmungen?

3.    Können Sie bestätigen, dass die EGF nationales Recht bzw. die nationale Souveränität außer Kraft setzen kann?

a) Wenn ja, wo liegt der Unterschied zu einer Besatzung?

b) Wenn nein, auf welche Rechtsgrundlage bzw. Quelle berufen Sie sich?

c) Wenn Sie sich auf mangelnde Kompetenzen seitens Ihres Ressorts berufen: Halten Sie es nicht für notwendig abzuklären, welche Kompetenzen die EGF tatsächlich hat und welche Auswirkungen ein allfälliger Einsatz in Österreich hätte?

4.  Wie würde Österreich reagieren, respektive Ihr Ressort, wenn die Mitglieder der  

Truppe bei einem Einsatz in Österreich gegen die Menschenrechte verstoßen würden?

 

5.    Befinden sich zurzeit Mitglieder der EGF auf österreichischem Gebiet?

 

6.    Welche Auswirkungen hätte es, wenn die EGF bei einem Einsatz in Österreich das

Parlament besetzen würde?  

 

a)    Liegen diesbezügliche Notfallpläne in Ihrem Verantwortungsbereich?

b)    Wenn ja, gibt es für so ein Szenario Notfallpläne? Wenn nein, warum nicht?

   

7.    Haben Sie Kenntnis darüber, mit welchen Waffen die EUROGENFOR ausgerüstet ist?

 

a)    Halten Sie es für notwendig, Kenntnis über die Waffenausrüstung der EGF zu erlangen, da ein Einsatz in Österreich, gerade in Bezug auf die Grenzsicherung zu Deutschland oder auch zu Ungarn, durchaus im Bereich des Möglichen liegt?

 

8.    Wie schaut die Finanzierung der EGF aus? Können Sie es ausschließen, dass ein Einsatz der EGF in Österreich von Österreich selbst finanziert werden müsste?

 

9.    Gibt es aktuell Pläne auf EU-Ebene, die EGF mit einem Einsatz zu betrauen?

 

a)    Wenn ja, welchen Einsatz und von wem werden diese Pläne forciert?