7387/J XXV. GP

Eingelangt am 10.12.2015
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Anfrage

der Abgeordneten Ing. Lugar,

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend „Daten zur Sekundärmigration und illegal aufhältigen Personen in Österreich“

 

Die EU-Innenminister haben gegen die Stimmen von Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Rumänien die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen in zwei Schritten beschlossen. In einem ersten sollen 50.400 Migranten aus Griechenland und 15.600 aus Italien umverteilt werden. Österreich muss aus diesem Kontingent rund 2000 Flüchtlinge aufnehmen. In einem zweiten Schritt sollen weitere 54.000 Flüchtlinge umverteilt werden, möglicherweise auch aus anderen Staaten, wenn es die dortige Situation erforderlich machen sollte. Um das Weiterziehen der Flüchtlinge innerhalb der EU einzudämmen, sollen die Flüchtlinge nur in jenem Land um Asyl ansuchen können, in das aufgrund der Quote geschickt wurden. Darüber hinaus sollen Asylbewerbern nur Sachleistungen wie Lebensmittel, Wohnraum oder Kleidung zur Verfügung gestellt werden anstelle von Geldleistungen. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit müssen sich künftig alle Flüchtlinge Fingerabdrücke abgeben und sich registrieren lassen. Neben der Hauptfluchtbewegungen (Primärmigration) besteht die Problematik der so genannten „Sekundärmigration“, also jene Fluchtbewegung, die nach Übertritt der EU-Grenzen innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten stattfindet. Diese soll auch intensiver bekämpft werden. Diese Problematik ist ein stetiger Begleiter aller Hauptfluchtbewegungen und daher nicht neu für Europa.

Laut einem Bericht der „Forschungsgruppe INEX Politics of Inclusion and Exclusion“[1] einer vom Österreichischen Zukunftsfonds der Republik geförderten Einrichtung sind die Abschiebungen seit 1997 drastisch zurückgegangen. Darüber hinaus zeigt der Bericht, dass zwischen 2000 und 2013 pro Jahr zwischen 54 und 77 Prozent aller Menschen, deren Aufenthalt behördlich oder gerichtlich beendet wurde, das Land nicht nachweislich[2] verließen. D.h. von den seit dem Jahr 2000 mit aufenthaltsbeendigender Entscheidung belegten Personen sind rund 166.000 nach wie illegal in Österreich aufhältig. Diese Gruppe wächst jährlich an und bewegt sich in einem rechtlichen Graubereich, denn sie ist lediglich faktisch geduldet, nicht aber formell aufenthaltsberechtigt.[3]

Der Bericht kritisiert massiv die Informationspolitik des Innenministeriums:

„Die Informationspolitik des Innenministeriums ist nach wie vor defizitär. Zwar veröffentlicht das BMI seit 2002 auf seiner Homepage Statistiken zum Asyl und Fremdenwesen, diese geben aber nur beschränkt Auskunft. Unterschiedliche Dokumente, allesamt vom BMI veröffentlicht, enthalten mitunter sich widersprechende Daten.“

Auf europäischer Ebene werden bereits seit einigen Jahren zur Eindämmung der Sekundärmigration gemeinsame Operationen der europäischen Polizeien („Joint Police Operations“) auf freiwilliger Basis durchgeführt. Koordiniert werden die Einsätze von der jeweiligen Ratspräsidentschaft. Im Jahr 2008 koordinierte Frankreich eine Operation, an der Deutschland mit 11.000 Beamten der Bundespolizei beteiligt war. 2010 gab es die Operation „Hermes“ (nicht Hermes der Frontex) auf Initiative der belgischen Ratspräsidentschaft. Auf Initiative der ungarischen Ratspräsidentschaft fand vom 28. März 2011 bis 3. April 2011 die Operation „Mitras“ statt. Im Oktober 2011 wurde unter der polnischen Ratspräsidentschaft die Operation „Demeter“ durchgeführt. Vom 16. bis 22. April 2012 fand die Operation „Balder“ unter dänischer Ratspräsidentschaft statt. Vom 30. September bis 13. Oktober 2013 der Operation „Perkūnas“ unter der Ratspräsidentschaft von Litauen statt. Vom13. bis 26. Oktober 2014 wurde die Operation „Mos Maiorum“ unter der Ratspräsidentschaft Italiens durchgeführt. Diese EU-weiten Einsätze sollen die Polizeibehörden der Mitgliedstaaten miteinander vernetzen, um effektiver gegen unerwünschte Migration vorzugehen. Sie werden von der Ratsarbeitsgruppe „Strafverfolgung“ vorbereitet und ausgewertet. Der jeweilige Vorsitz richtet eine „Koordinierungseinheit“ ein, die für Aufgaben und operative Einzelheiten zuständig ist und diese in einem Einsatzplan fixiert.

Österreich hatte zuletzt 2006 gemeinsam mit Finnland den Ratsvorsitz inne. Der nächste Vorsitz für Österreich ist 2019 gemeinsam mit Rumänien vorgesehen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Frau Bundesminister für Inneres nachstehende

Anfrage:

 

1)     Können Sie die aktuelle Zahl der derzeit in Österreich aufhältigen Flüchtlinge beziffern, die (noch) keinen Asylantrag gestellt haben?

a)     Wie viele davon sind über Ungarn nach Österreich gekommen?

b)     Wie viele davon sind über Kroatien nach Österreich gekommen?

c)     Wie viele davon sind über Slowenien nach Österreich gekommen?

d)     Wie viele davon sind über Italien nach Österreich gekommen?

e)     Wie viele davon sind direkt per Flugzeug nach Österreich gekommen?

2)     Können Sie die Anzahl der Flüchtlinge nennen, die von Österreich nach Deutschland bis dato „durchgewunken“ wurden?

3)     Können Sie die Anzahl der Flüchtlinge nennen, die bis dato von Deutschland zurück nach Österreich geschickt wurden?

4)     Laut den im o.a. Bericht errechneten Zahlen ergibt sich seit 2000 für Österreich ein so genanntes „Deportation Gap“ von rund 166.000 Personen, die sich de facto illegal in Österreich aufhalten. Sind diese Daten aus Ihrer Sicht bzw. aus Sicht Ihres Ressorts plausibel?

5)     Können Sie uns eine verbindliche Anzahl jener Personen nennen, deren Aufenthalt behördlich oder gerichtlich beendet wurde, die aber bis dato Österreich nicht nachweislich verlassen haben?

6)     Wo werden die für Österreich vorgesehenen zusätzlichen Flüchtlinge aus dem o.a. Beschluss der EU-Minister untergebracht?

7)     Wie wird von Ihnen konkret die EU-Vorgabe, anstelle von Geld Sachleistung an die Flüchtlinge auszugeben, umgesetzt werden?

a)     Welche logistischen Vorkehrungen wurden bzw. werden von Ihnen in diesem Zusammenhang getroffen?

b)     Können Sie Angaben zum erwarteten Sachleistungsvolumen für die Flüchtlinge machen?

8)     Hat Österreich 2006 als EU-Ratsvorsitzende eine EU-weite Polizeikooperation zur Eindämmung der illegalen Migration koordiniert?

a)     Wenn ja, wie viele österreichische Beamte waren daran beteiligt?

i)      Welche Schwerpunkte wurden von Seiten Österreichs gesetzt?

ii)     Wie viele Menschen ohne gültige Papiere wurden bei den jeweiligen Aktionen in Österreich aufgegriffen?

iii)    Welche Ergebnisse erbrachten die Einsätze konkret für Österreich?

iv)    Welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?

b)     Wenn nein, warum nicht?

9)     An wie vielen der o.a. EU-Polizeioperationen hat Österreich bis dato teilgenommen? (Auflistung bitte nach Jahr, konkrete Operation und Anzahl der eingesetzten Beamten)

a)     Welche Einsätze waren das konkret? (Auflistung bitte nach Jahr und konkretem Einsatz)

b)     Wie viele Beamte waren dabei im Einsatz? (Auflistung bitte pro Einsatz)

c)     Welche Schwerpunkte wurden von Seiten Österreichs gesetzt?

d)     Wie viele Menschen wurden ohne gültige Papiere bei den jeweiligen Aktionen in Österreich aufgegriffen?

e)     Welche Einsichten bzw. Erkenntnisse konnten aus diesen Einsätzen gewonnen werden?

f)      Welche Maßnahmen wurden von Ihrem Ressort bis dato aufgrund dieser Einsätze veranlasst?

10)  Wie viele gefälschte Reispässe bzw. sonstige gefälschte Ausweispapiere wurden von Ihren Behörden in Österreich in den letzten fünf Jahren im Zuge von Amtshandlungen festgestellt?

a)     Wie viele von diesen gefälschten Reisepässen bzw. Ausweispapieren waren vorgeblich syrischen Ursprungs? (Auflistung bitte nach Jahren)

b)     Welche rechtlichen Schritte sind von Seiten der Behörden bei der Kenntnis von der Verwendung gefälschter Personal-Dokumente zu setzen?

c)     Wie viele solcher Vorgehensweisen wurden von Ihren Behörden in den letzten fünf Jahren eingeleitet? (Auflistung bitte nach Jahren sowie „gefälschten“ Herkunftsländern)

11)  2019 übernimmt Österreich gemeinsam mit Rumänien den EU-Ratsvorsitz. Werden in Ihrem Ressort hinsichtlich der o.a. Thematiken bereit jetzt Vorbereitungsarbeiten für den Vorsitz begonnen?

a)     Wenn ja, welche sind das konkret?

b)     Wenn nein, warum nicht?



[1] Die österreichische Abschiebepolitik in Zahlen.1995 bis 2013 (Wien 2014)

[2] Ebda. S.13

[3] Ebda.

 S.23