7463/J XXV. GP

Eingelangt am 16.12.2015
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Dr. Johannes Hübner

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Wien als Drehscheibe der organisierten Kriminalität

 

Die Tageszeitung "Kurier" bzw. deren Internet-Ausgabe "kurier.at" berichten am 06. Dezember 2015:

"Ins Visier der Behörden geriet er [der ukrainische Parlamentsabgeordnete Nikolai Martynenko; Anm. J.H.] durch eine Geldwäsche-Anzeige einer Schweizer Bank. Die Bundesanwaltschaft führt nun ein Verfahren wegen Korruptionsverdachts. Auf einem Martynenko-Konto sollen Schmiergelder in Höhe von 30 Millionen Euro entdeckt worden sein, die im Zusammenhang mit der Stellung des Mannes im ukrainischen Nuklearsektor stehen könnten.

Martynenko gilt als enger Vertrauter des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und von Premier Arseni Jazenjuk. Der Oligarch ist seit 2006 Vorsitzender der Kommission für Energie, Nuklearpolitik und nukleare Sicherheit, und kontrolliert damit auch die 15 Atommeiler des Landes. Martynenko war bereits ein enger Freund des Moskau-treuen Präsidenten Viktor Janukowitsch, die folgenden Machtwechsel konnten ihm nichts anhaben.

Woher Nikolai Martynenko das viele Geld auf dem Schweizer Konto hat, glauben ukrainische Staatsanwälte, Geheimdienst und einige Parlamentsabgeordnete zu wissen: Aus Vermittler-Geschäften, die er mithilfe zweier Niederlassungen in Wien erwirtschaftet.

Den Großteil des für ihre Atommeiler benötigten Urans kauft die Ukraine beim kasachischen 'Stepnogorskii Kombinat'. Laut einem Vertrag vom Februar dieses Jahres tritt aber als Einkäufer nicht die Ukraine auf, sondern die Firma 'Steuermann Investitions' in der Wiener Goldschmiedgasse. Der österreichische Einkäufer, der das Uran gar nicht zu Gesicht bekommt, verrechnet die Ware wesentlich teurer an die Ukraine weiter. Bei einem Lieferumfang von 1000 Tonnen Urankonzentrat errechneten Ermittler einen angeblichen Schaden von jährlich 34 Millionen Euro. Geld, das nach Meinung der Ermittler dem Präsidenten-Freund Martynenko zufällt.

Die Ukraine ist aber auch in der glücklichen Lage, Güter exportieren zu können. Beispielsweise Titan. Dieses Metall, das für die Luftfahrt- und die Rüstungsindustrie unentbehrlich ist, liefert die ukrainische 'United Mining and Chemical Company' an russische Firma 'VSMPO-Avisma'. Diese ist ein Tochterunternehmen des russischen Rüstungskonzerns 'Rostec'. Nachdem aber die Ukraine und Russland Krieg führen, würde es in der Öffentlichkeit nicht gut ankommen, wenn die Ukraine Titan für Kalaschnikows liefert, mit denen dann in der Ostukraine auf ukrainische Soldaten und Bürger geschossen wird.

Die Methode soll dieselbe sein wie beim Uran: Während die Waggons auf Gleisen Richtung Moskau mit Titan beladen werden, geht die Rechnung an die österreichische Firma 'Bollwerk Finanzierungs- und Industriemanagement AG'. Sie hat dieselbe Adresse in der Goldschmiedgasse wie die 'Steuermann Investitions' vom Uran-Geschäft. Natürlich verrechnet die österreichische Firma den russischen Abnehmern das Metall erheblich teurer weiter. Auch hier vermuten ukrainische Kreise denselben Hintermann wie beim Uran: Nikolai Martynenko.

Auch die Firma 'Antra GmbH' in der Habsburgergasse in der Wiener City – nur wenige Meter von der Niederlassung des Uran- und Titan-Vermittlers entfernt – weckt den Argwohn der ukrainischen Ermittler und den bereits erwähnten, höchst offiziellen Zorn von Gouverneur Saakaschwili. Antra liefert Gas an das 'Odessa Hafenwerk'. Diese Chemiefirma ist der größte Gasverbraucher der Ukraine, der sich aber derzeit schwertut, beim russischen 'Feind' einzukaufen. Im Gegenzug verwertet die Wiener Antra anschließend die dort produzierten Chemikalien und Flüssiggase.

Der zuständige ukrainische Staatsanwalt, Davyd Sakvarelidze, vermutet, dass die Chemiefirma 'zum Objekt verbrecherischer Angriffe geworden' sei – gemeint ist Korruption ganz nach dem Muster der Titan- und Uran-Causen – und führte eine Hausdurchsuchung durch.

Diese sensiblen Geschäfte laufen in einem hochbrisanten Umfeld ab: Wegen der Krise in der Ostukraine wurden von der EU gegen Russland Wirtschaftssanktionen verhängt. Exportverbote betreffen vor allem Militär- und sogenannte Dual-Use-Güter. Gegen die Verantwortlichen des Rüstungskonzerns 'Rostec' gibt es sogar Kontensperren und Einreiseverbote.

[Quelle:http://kurier.at/chronik/wien/geheime-atom-geschaefte-in-der-wiener-city/168.013.377; abgerufen am 10. Dezember 2015]

Diese Berichte – die sich mit ähnlich lautenden Informationen aus anderen Medien decken – weisen auf ein hochentwickeltes "Korruptionsnetzwerk" auf österreichischem Boden hin, mit dessen Hilfe der ohnehin vor dem Zusammenbruch stehende ukrainische Staat ausgeraubt wird. Dies indem das Firmengeflecht von Martynenko unter Ausnutzung seiner monopolartigen Alleinstellung Gelder in zweistelliger Millionenhöhe aus dem ukrainischen Wirtschaftskreislauf abzweigt und über Wien ins Ausland verschiebt.

Die Zugehörigkeit des Abgeordneten Martynenko zum engsten Kreis der ukrainischen Regierung bzw. des Staatspräsidenten Poroschenko ist unzweifelhaft. Eine Duldung derartiger "Raubzüge" durch die österreichischen Behörden scheint schwer vorstellbar.

 

In diesem Zusammenhang richten die nachstehend unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende


Anfrage:

 

1.    Gibt es seitens der österreichischen Staatsanwaltschaft Ermittlungen, wo der ukrainische Parlamentsabgeordnete Herr Nikolai Martynenko und oder die Organe der involvierten österreichischen "Briefkastenfirmen" als Beschuldigte geführt werden?

2.    Wird in diesen Strafverfahren – falls es solche gibt – wegen "Organisierter Kriminalität", "Geldwäsche" oder "Untreue" ermittelt?

3.    Haben sich Schweizer Ermittlungsbehörden in den vorstehend genannten Belangen an das BMJ oder eine nachgeordnete Staatsanwaltschaft gewandt? Wenn ja, mit welchem Begehren und bzgl. Welcher Personen?

4.    Wenn nein, werden Sie Ihrerseits mit den Schweizer Behörden Kontakt aufzunehmen, um zu klären, ob Herr Martynenko über seine österreichischen Konten "Geldwäsche" betreibt bzw. ob diese Konten in Zusammenhang mit "organisierter Kriminalität" zu sehen sind?

5.    Sind ukrainische Behörden bezüglich des Firmengeflechts des Nikolai Martynenko an österreichische Strafverfolgungsbehörden bzw. Ihr Ministerium mit Rechtshilfeansuchen herangetreten?