7605/J XXV. GP

Eingelangt am 14.01.2016
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ANFRAGE

der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein
und weiterer Abgeordneter 
an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
betreffend Europäischer Sozialfonds-Prüfungsbehörde (RH-Bericht Bund 2015/15)

Kurzfassung

Das BMASK reorganisierte im Jahr 2011 mit hohem Aufwand die Prüfbehörde des Programms „Beschäftigung Österreich 2007–2013“ (Volumen 2007 bis 2013: rd. 1 Mrd. EUR, davon rd. 470 Mio. EUR aus dem Europäischen Sozialfonds — ESF). Grund dafür war, dass die Europäische Kommission im Herbst 2010 schwere Mängel in der Verwaltung und Kontrolle des Programms festgestellt hatte — etwa Prüfungsrückstände sowie eine ungenügende Überwachung von delegierten Prüfaufgaben — und in der Folge die ESF–Zahlungen für ein Jahr stoppte. Um einen Programmstillstand und ESF–Mittelverfall zu vermeiden, leisteten programmumsetzende Stellen des Bundes und der Länder Zwischenfinanzierungen von rd. 70 Mio. EUR aus nationalen Budgets. Die Auszahlungen für Zwecke der Prüfbehörde beliefen sich im Zeitraum 2009 bis 2014 auf insgesamt rd. 5,8 Mio. EUR, davon rd. 3 Mio. EUR für Entgelte externer Dienstleister.

Die Organisation der Prüfbehörde beruhte ab 2013 de facto zur Gänze auf extern zugekauften operativen Prüfungsleistungen, deren Qualität — wegen der Letztverantwortung und Haftung des BMASK für die ESF–Mittel — durch verwaltungseigenes Personal überwacht wurde. Der Wettbewerb der Anbieter bewirkte keine Kostenvorteile für das BMASK, weil die Tagsätze externer Dienstleister um bis zu 200 % über jenen vergleichbar qualifizierter Verwaltungsbediensteter lagen. Darüber hinaus bestanden für das BMASK neben hoher Abhängigkeit von externem Know–how– und Kapazitätsaufbau auch Kostenrisiken sowie die Gefahr eines Verlusts an Steuerungskompetenz.

Das BMASK verabsäumte es, die Struktur der ESF–Umsetzung in Österreich — mit 21 zwischengeschalteten Stellen und 19 nachgeordneten bzw. regionalen Einrichtungen sowie externen Dienstleistern — im Hinblick auf Kosten und Fehlerrisiken strategisch neu auszurichten. Für die Programmperiode 2014–2020 hatte das BMASK punktuell zweckmäßige Verbesserungen, z.B. die Anwendung von Pauschalen sowie eine Standardisierung der Verfahren und des Formularwesens geplant. Die beabsichtigte Einführung von Pauschalen scheiterte vorerst an der nicht zeitgerechten Vorbereitung und fehlenden BMAKS–internen Abstimmung. Weitere Maßnahmen zur Vereinfachung der ESF–Umsetzung gerieten u.a. mangels geeigneter Projektorganisation in Verzug.

Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen des RH:

 

(1)  Die Funktionen und Aufgaben der EU–Programmbehörden im Verantwortungsbereich des BMASK wären zu präzisieren und ihre Rechte und Pflichten an der Schnittstelle zwischen dem BMASK und der Europäischen Kommission — etwa in einer Geschäftsordnung — näher zu regeln. (TZ 3)

(2)   Das System der ESF–Umsetzung in Österreich sollte institutionell grundlegend vereinfacht werden, um den Aufwand für die Verwaltung und Kontrolle des Programms sowie das Fehlerrisiko zu reduzieren. (TZ 4)

(3)  Bei den Prüfungen der Prüfbehörde wäre in angemessener Weise sowohl auf die Recht– und Ordnungsmäßigkeit von Ausgaben als auch auf die Erreichung von Vorhabenszielen zu achten. (TZ 9)

(4)   In der Abschlussphase des Programms 2007–2013 wäre verstärkt auf die Einhaltung der programmrelevanten EU– und nationalen Vorschriften zu achten. (TZ 11)

(5)   Aus systemischen Feststellungen im Rahmen der Vorhabensprü- fungen wären periodisch Schlussfolgerungen zu ziehen und allfällige Verbesserungen der Verfahren bzw. der Systeme zeitnah umzusetzen. (TZ 12)

(6)   Die Verfahrenseffizienz und Gebarungssicherheit wäre durch standardisierte elektronische Antragsformulare zu verbessern. (TZ 13)

(7)  Die Qualität der Anträge wäre — ehe diese integrale Vertragsbestandteile werden — durch ein entsprechendes Antragsprüfungsverfahren zu erhöhen, bei dem insbesondere die Angemessenheit der beantragten Mittel im Verhältnis zu den angestrebten Vorhabenszielen und –ergebnissen zu beurteilen wäre. (TZ 13)

(8)  Im Rahmen der „kleinen Systemprüfungen“ wäre verstärkt auch auf die Behebung mangelhafter, v.a. finanziell relevanter Bestimmungen in den Verträgen bzw. integralen Vertragsbestandteilen hinzuwirken. (TZ 14)

(9) Die ESF–Musterverträge wären im Einklang mit den Vorgaben der Art. 15a–Vereinbarung zu standardisieren und die Bestimmungen für allfällige Rückzahlungen durch den Begünstigten — im Sinne des Verursacherprinzips — zu präzisieren. (TZ 14)

(10) Es wäre sicherzustellen, dass die Förderstellen über geeignete Verfahren zur Gewährleistung der gebotenen Ziel– und Ergebnisorientierung in der ESF–Umsetzung verfügen und dass deren tatsächliche Anwendung in den Vorhabensprüfungen der Prüfbehörde verstärkt kontrolliert wird. (TZ 15)

(11) Die Belegs– bzw. Förderfähigkeitsprüfungen wären etwa durch die Pauschalierung von Personal– bzw. Sachkosten sowie durch die Festlegung von Mindestbeträgen für zuschussfähige Ausgaben zu vereinfachen. (TZ 16)

 (12) Im Einklang mit den EU–Vorgaben für die Periode 2014–2020 wäre ein Mindestbetrag für die Rückforderung von ESF–Mitteln festzulegen. (TZ 17)

(13) In der geplanten ESF–Sonderrichtlinie für die Periode 2014– 2020 wären die EU–spezifischen Rückforderungsgründe näher zu definieren — darunter auch Fälle, in denen Rückzahlungen an den ESF durch die zwischengeschalteten Stellen zu erfolgen hätten —, um verursachergerechte Rückforderungen zu gewährleisten und sachlich nicht begründete Rückerstattungen an den ESF aus nationalen öffentlichen Mitteln auszuschließen. (TZ 17)

 (14) Die Leistungsanforderungen an die Prüfbehörde und die in der ESF–Programmperiode durchschnittlich benötigten Personalressourcen wären zu ermitteln und über das Verhältnis von eigener Leis tungserbringung und Leistungszukauf — nach Abwägung der mittel– und längerfristigen Vor– und Nachteile bzw. Kosten und Risiken — wäre zu entscheiden. Dabei wären mittel– und längerfristig benötigte Prüfungsressourcen — v.a. bei nicht delegierbarer Letztverantwortung und finanziellem Risiko — verstärkt im Wege interner Personalumschichtung und –qualifizierung bereitzustellen; der Einsatz externer Dienstleister wäre vorrangig auf temporäre Kapazitätsmängel, Arbeitsspitzen sowie temporär benötigte Qualifikationen zu beschränken. (TZ 18)

(15) Die Pauschalentgelte wären im Hinblick auf die angestrebte Leis tungsqualität periodisch zu evaluieren, z.B. durch Prüfungen mit eigenem Personal, um zuverlässige Informationen über den Aufwand und allfällige Effizienzpotenziale zu gewinnen. (TZ 19)

(16) Die in der Periode 2007–2013 geleisteten Entgelte an externe Dienstleister der Prüfbehörde wären anteilig auch aus ESF–Mitteln (Technische Hilfe) zu finanzieren. (TZ 20)

 (17) In der Programmperiode 2014–2020 wären für Zwecke der Prüfbehörde ESF–Mittel (Technische Hilfe) in angemessener Höhe zu reservieren. (TZ 20)

(18) Im Hinblick auf die beträchtlichen direkten und indirekten Kosten zur Behebung von Systemmängeln sollten für die Periode 2014–2020 alle kurzfristig möglichen Schritte zur Systemvereinfachung und Verringerung systeminhärenter Risiken geprüft und ausgeschöpft werden. (TZ 21)

(19) Die Gründe für die Beiziehung externer Dienstleister sowie der Leistungsgegenstand wären aktenmäßig nachvollziehbar zu dokumentieren. (TZ 22)

(20) Allfällige Interessenkonflikte wären auszuschließen, bevor das BMASK Beratungsleistungen für die Ausarbeitung horizontaler Verfahrensbestimmungen beauftragt, die potenziell auch den künftigen Auftragsumfang bzw. –inhalt des in Betracht gezogenen Auftragnehmers berühren könnten. (TZ 23)

(21) Um institutionellen oder personellen Interessenkonflikten vorzubeugen — etwa bei Beauftragung bzw. Übernahme von Beratungsleistungen oder bei der Wahrnehmung bzw. Änderung von Rollen und Funktionen —, wäre für alle mit ESF–Agenden befassten Verwaltungsstellen und externen Dienstleister ein Verhaltenskodex zu erstellen und z.B. als Anhang in die geplante ESF–Sonderrichtlinie für die Periode 2014–2020 zu integrieren. (TZ 23)

(22) Im Lichte der veränderten Verteilung der ESF–Mittel nach Institutionen in der Periode 2014–2020 wären Maßnahmen zu setzen, um einem allfällig höheren Fehlerrisikopotenzial in der Periode 2014– 2020 proaktiv entgegenzuwirken. (TZ 26)

(23) Die nationalen Förderfähigkeitsregeln für die Gewährung von ESF–Mitteln wären auf Vereinfachungspotenziale zu überprüfen und freiwillig restriktivere Regelungen, etwa für Vergaben bzw. für die Einholung von Vergleichsangeboten, an übliche nationale Bestimmungen anzupassen. (TZ 27)

(24) Die zeitaufwendigen und fehleranfälligen Personalkostenabrechnungen wären zu vereinfachen bzw. wären Pauschaloptionen für die in Betracht kommenden Vorhabensarten zu entwickeln. (TZ 27)

(25) Die sektionsübergreifende Steuerung der ESF–Umsetzung wäre in der Periode 2014–2020 nachhaltig zu verbessern und v.a. in kritischen Phasen der Programmumsetzung zu intensivieren, um eine Klärung offener Fragen bzw. allfällig unterschiedlicher Positionen der befassten Sektionen herbeizuführen. (TZ 28)

(26) Formelle Anträge an die Europäische Kommission wären zeitgerecht vorzubereiten und der Kommission erst nach BMASK–interner Abstimmung zu übermitteln. (TZ 29)

(27) In kritischen Phasen der Programmvorbereitung und –umsetzung wäre ein geeignetes Projektmanagement mit temporär verstärkten Personalkapazitäten einzurichten. (TZ 30)

(28) Die erforderlichen Schritte für die offizielle Benennung der Verwaltungs– und Bescheinigungsbehörde wären ehestens in die Wege zu leiten und die Prüfstrategie zeitgerecht innerhalb von acht Monaten nach Genehmigung des Programms durch die Europäische Kommission zu erstellen. (TZ 31)

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz folgende  

Anfrage 

1.    Wie stehen Sie als Sozialminister mit Stand 1.Jänner 2016 zu den im RH-Bericht vorgebrachten Kritikpunkten?

2.    Welche der vom Rechnungshof formulierten Empfehlungen wurden aus Sicht des Sozialministeriums bereits umgesetzt?

3.    Welche Empfehlungen werden bis Ende 2016 umgesetzt werden?

4.    Für die Umsetzung welcher Empfehlungen werden bundesgesetzliche Adaptierungen notwendig sein?

5.    Für die Umsetzung welcher Empfehlungen wird der Abschluss von 15a-Verträgen mit den Ländern notwendig sein?

6.    Für die Umsetzung welcher Empfehlungen wird der Abschluss von Vereinbarungen mit der Europäischen Kommission notwendig sein?