7716/J XXV. GP

Eingelangt am 27.01.2016
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ANFRAGE

der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein,

und weiterer Abgeordneter 

an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

betreffend Gewährung von Ausgleichszulagen in der Pensionsversicherung (Bund 2015/9)

 

Kurzfassung

Die Ausgleichszulage war im Jahr 2012 mit einem Gebarungsvolumen von rd. 1 Mrd. EUR die bedeutendste einkommensabhängige Geldleistung im Sozialsystem Österreichs. Trotz zahlreicher Änderungen von Rahmenbedingungen — z.B. im Familien– und Geschlechterbild, einer zunehmenden Internationalisierung und Weiterentwicklungen bei anderen Sozialleistungen wie der Bedarfsorientierten Mindestsicherung — fehlte eine Strategie über ihre künftige Weiterentwicklung. Während zahlreiche Verfahren reibungslos vollzogen wurden, waren bei komplexeren Sachverhalten die Einheitlichkeit der Entscheidungen zwischen den Trägern, die Transparenz der Entscheidungen gegenüber der Partei und eine zeitnahe Entscheidung nicht in allen Fällen sichergestellt. Wesentliche Elemente der Steuerung — wie z.B. eine Erledigungsstatistik und eine klare Ressourcenzuordnung — fehlten. Ein Internes Kontrollsystem im Sinne der sich entwickelnden internationalen Standards lag nicht vor, insbesondere fehlten eine Risikoorientierung und eine regelmäßige Evaluierung der Funktionsfähigkeit der Kontrollen. Eine wirksame Prüfung der Vollziehung konnten die Aufsichtsbehörden — auch aufgrund der mit einer halben Vollzeitkraft zu gering bemessenen Ressourcen — nicht sicherstellen, obwohl der Bund den gesamten Aufwand für die Ausgleichszulage trug. Die im Verhältnis zu anderen bedarfsorientierten Geldleistungen (Bedarfsorientierte Mindestsicherung, Notstandshilfe, Leistungen nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz) anders ausgestalteten Regelungen — z.B. bei der Einkommensanrechnung — führten zu vermehrtem Verwaltungsaufwand und schwer nachvollziehbaren Differenzierungen. Die wirkungsorientierte Steuerung war im Hinblick auf die unterschiedlichen Auswirkungen der Ausgleichszulage in wesentlichen Dimensionen (Geschlechterverhältnis, Berufsgruppen, Bezieher inländischer und ausländischer Pensionen) noch nicht ausreichend aussagekräftig. Die aktuelle Rechtslage wies einige Besonderheiten (z.B. bei Zusammentreffen mehrerer Leistungen, bei Heimaufenthalten, bei schwankenden Einkommen und bei der Befreiung von Rezeptgebühren im Zusammenhang mit Aufgabepauschalen für landwirtschaftliche Betriebe) auf, deren sachliche Rechtfertigung zu evaluieren wäre.

 

Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen des RH:

 

(1) Es wäre auf die Verbesserung der Vollziehung der Ausgleichszulage durch die Pensionsversicherungsträger hinzuwirken, insbesondere

 a) Maßnahmen für eine Vereinheitlichung der Vollziehung durch die Pensionsversicherungsträger zu setzen, insbesondere im Hinblick auf die Interpretation des Antragsprinzips, auf die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen, auf Einzelfragen beim anrechenbaren Einkommen und auf die Rechtsfolgen von Auslandsaufenthalten; (TZ 5 bis 10) b) bei vorläufigen Leistungen der Anwendungsbereich und die verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen der vorläufigen Gewährung der Leistungen gesetzlich klarzustellen. (TZ 12)

 c) auf die Schaffung einer Regelung für ein Internes Kontrollsys tem (IKS) in der Pensionsversicherung hinzuwirken; (TZ 17)

d) darauf hinzuwirken, dass die Verwaltungskosten der Ausgleichszulage in den Kostenrechnungen der Pensionsversicherungsträ- ger in vergleichbarer Weise ersichtlich sind. (TZ 16)

(2) Es wäre im Sinne einer sachlichen Gleichbehandlung der Betroffenen auf eine Änderung der gesetzlichen Regelung folgender Bereiche hinzuwirken:

a) der zeitlichen Wirksamkeit der Anrechnung von weiteren Einkommen, (TZ 8)

 b) der Gewährung der Ausgleichszulage bei gleichzeitigem Bezug von mehreren Pensionsleistungen. (TZ 44)

(3) Es wäre auf Vereinfachungen bzw. im Einvernehmen mit den Ländern auf eine Harmonisierung der einkommensabhängigen Leistungen hinzuwirken (TZ 35), und zwar insbesondere darauf, dass

 a) die Regelungen der einkommensabhängigen Leistungen nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) und der Ausgleichszulage vereinheitlicht und die Vollziehung in einer Hand konzentriert werden; (TZ 29)

b) die Ausgleichszulagenrichtsätze besser mit den Lohnsteuergrenzen und dem Existenzminimum nach der Exekutionsordnung abgestimmt werden; (TZ 33)

c) auf technischer Ebene die Bewertung von Einkommen bzw. Abzugs posten vereinheitlicht wird; (TZ 31, 35)

d) die Berücksichtigung von Familien– und Unterhaltsleistungen harmonisiert wird; (TZ 30)

e) Möglichkeiten zur Vereinfachung der Verwaltungsabläufe weitestgehend genutzt werden, insbesondere idente Sachverhalte möglichst nur an einer Stelle zu erheben sind; (TZ 35)

f) die Auswirkungen der unterschiedlichen Berechnung von Rehabilitationsgeld und Berufsunfähigkeitspension genau zu beobachten sind und zu evaluieren ist, ob diese Berechnungsunterschiede mit der Zielsetzung einer Anhebung des durchschnittlichen Pensionsantrittsalters vereinbar sind; (TZ 32)

g) eine dauerhafte Finanzierungslösung für die Kosten der Ausgleichszulage im Sinne eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs geschaffen wird. (TZ 28)

(4) Es wären die Instrumente und Inhalte der wirkungsorientierten Haushaltsführung weiterzuentwickeln (TZ 36 bis 38) und dabei verstärkt Überlegungen anzustellen

a) zur Begründung der Relevanz der Wirkungsziele und zur sprachlichen Präzision ihrer Formulierung, (TZ 36)

 b) zur Kohärenz zwischen Maßnahmen und Wirkungszielen, (TZ 37)

c) zur Auswahl richtiger, aussagekräftiger Indikatoren, (TZ 38)

d) zur analytischen Ableitung der Indikatorwerte (Zielwerte), (TZ 38)

e) zur Gestaltung des Prozesses zur Entwicklung der Angaben zur Wirkungsorientierung in einer Form, dass die Qualität der Angaben ausreichend sichergestellt ist, (TZ 39)

f) zur auswertungstauglichen Strukturierung der vorhandenen Daten zu Pensionsversicherung und Ausgleichszulage und (TZ 40)

g) zur Entwicklung eines Konzepts zur Nutzung der bei den Pensionsversicherungsträgern gespeicherten Daten. (TZ 40)

(5) Es wäre im Bereich der Wirkungsorientierung klarzustellen,

 a) wie die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern bei den übrigen Pensionsbeziehern verfolgt werden soll, (TZ 36)

b) ob sich das Ziel der Reduktion der Frauenquote auf den Bezug von oder den Bedarf nach Ausgleichszulage bezieht, (TZ 36)

c) in welchem Ausmaß auch ohne Maßnahmen eine Reduktion des Frauenanteils bei der Ausgleichszulage zu erwarten ist und welche Wirkung den Maßnahmen zugeschrieben wird, (TZ 38)

 d) in welchem Ausmaß Maßnahmen der Vollziehung und in welchem Ausmaß Maßnahmen der Gesetzgebung für die Erreichung des Wirkungsziels erforderlich sind. (TZ 37)

(6) Es wäre eine analytische Grundlage zu entwickeln, die eine sachliche Analyse der Unterschiede im öffentlichen Finanzierungsanteil zwischen den einzelnen Pensionsversicherungsträgern ermöglicht. (TZ 42)

(7) Es wäre die Entwicklung der Bezieher von Ausgleichszulagen zu ausländischen Pensionsleistungen (EWR–Ausgleichszulagen) weiter zu beobachten und zu evaluieren, ob die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Behörden bei der Vollziehung dazu führt, dass die maßgeblichen Fälle ausreichend geprüft werden. (TZ 43)

(8) Es wäre eine längerfristige Strategie zur weiteren Entwicklung der Ausgleichszulage zu entwickeln — dies unter Beachtung der relativen Entwicklung von Kaufkraft, Pensionshöhe und Ausgleichszulagenrichtsatz (TZ 27), der Treffsicherheit der Leistungen auch im Hinblick auf die einheitliche Vollziehung (TZ 5 bis 10), des Verhältnisses zu anderen Sozialleistungen (TZ 28 bis 35), der Wirkungsziele (TZ 36, 37), der unterschiedlichen Berufsgruppen (TZ 42) und internationalen Entwicklungen (TZ 43) — und die Auswirkungen auf die Gebarung wären in die Berechnungen der langfristigen Aufwendungen im Pensionsbereich miteinzubeziehen. (TZ 27)

(9) Das BMASK sollte sich angesichts der Höhe und der Entwicklung der zu überweisenden Beträge regelmäßig davon überzeugen, dass die Richtigkeit der an die Pensionsversicherungsträger auszubezahlenden Beträge durch ein wirksames IKS bei den Pensionsversicherungsträgern gewährleistet war. (TZ 24)

(10) Im Sinne der Aufsichtskompetenz des BMASK wäre dafür vorzusorgen, dass der Prüfdienst seinen Aufgaben nachkommen kann. (TZ 24)

(11) Die Regelung zur Rezeptgebührenbefreiung von Ausgleichszulagenbeziehern wäre im Hinblick auf die Sonderregelung zur Aufgabepauschale zu überprüfen. (TZ 46)

(12) Es wären Maßnahmen für eine Vereinheitlichung der Vollziehung durch die Pensionsversicherungsträger zu setzen, insbesondere im Hinblick auf die Interpretation des Antragsprinzips, auf die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen, auf Einzelfragen beim anrechenbaren Einkommen und auf die Rechtsfolgen von Auslandsaufenthalten. (TZ 5 bis 10)

(13) Es wären Maßnahmen zur Verbesserung der Vollziehung gegen- über den Betroffenen vorzunehmen, insbesondere:

a) In regelmäßigen Abständen wäre ein trägerübergreifender Abgleich der Vollzugspraxis durchzuführen und bei Unterschieden bzw. Unklarheiten eine Vereinheitlichung bzw. Klärung herbeizuführen, insbesondere im Hinblick auf die Interpretation des Antragsprinzips, auf die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen, auf Einzelfragen beim anrechenbaren Einkommen und auf die Rechtsfolgen von Auslandsaufenthalten. (TZ 5 bis 10)

 b) Bei Wahrung einer verwaltungsökonomischen Vorgangsweise wäre der Schriftverkehr mit den Betroffenen korrekt, möglichst einheitlich und so aussagekräftig zu gestalten, dass den Betroffenen die Rechtsverfolgung möglich ist. (TZ 13)

c) Es wäre durch ein systematisches Controlling über die Dauer und Notwendigkeit der Gewährung einer vorläufigen Leistung eine konsistente Anwendung der Möglichkeiten der Vorschussgewährung sicherzustellen. (TZ 12)

(14) Es wären Maßnahmen zur Verbesserung der Verwaltungseffizienz vorzunehmen, insbesondere:

a) Die Möglichkeiten des elektronischen Datenaustausches innerhalb der Sozialversicherung und mit anderen Stellen wären so weit als möglich zu nutzen. (TZ 34)

b) Die Verwaltungsdaten wären so zu strukturieren, dass sie auch über den in den statistischen Weisungen vorgesehenen Umfang hinaus für Auswertungen im Rahmen der Wirkungsorientierung geeignet sind. (TZ 40)

c) Es wäre ein Konzept zur Nutzung der bei den Pensionsversicherungsträgern gespeicherten Daten zur Unterstützung der Wirkungsorientierung zu entwickeln. (TZ 40)

d) Es wäre eine Antrags– und Erledigungsstatistik für die Ausgleichszulage einzuführen. (TZ 15)

 e) Es wären aussagekräftige Statistiken über die Dauer der Erledigung von Anträgen auf Ausgleichszulage zu entwickeln und diese zeitnah zu erstellen. (TZ 11)

 f) Es wäre kritisch zu hinterfragen, ob die Datengrundlagen der Ressourcenzuordnung (Zählung und Gewichtung der Fälle) ausreichend verlässlich sind und ob die den Mitarbeitern für die Bearbeitung bzw. Prüfung der Ausgleichszulage zur Verfügung stehende Zeit ihren Aufgaben angemessen ist. (TZ 16)

 g) Es wären geeignete Datengrundlagen zur Ermittlung des Aufwands für die Vollziehung der Ausgleichszulage festzulegen. (TZ 16)

 (15) Es wäre ein IKS im Sinne der sich entwickelnden internationalen Standards einzuführen (TZ 17), insbesondere:

a) Ziele und Risiken im Zusammenhang mit der Ausgleichszulage wären auszuarbeiten und deren Erreichung bzw. Vermeidung wäre zu kontrollieren. (TZ 20)

b) Maßgebliche, aber schwer überprüfbare Sachverhalte (z.B. Vermögenseinkünfte, Auslandsaufenthalte, Lebensgemeinschaften) wären besonders zu berücksichtigen und Vorgaben zum Umgang mit diesen Risiken zu entwickeln. (TZ 34)

c) Maßnahmen der internen Kontrolle bei der Vollziehung der Ausgleichszulage, insbesondere die Definition der strategischen Risiken und Effektivität der Kontrollmaßnahmen, wären verstärkt auch in den Selbstverwaltungsgremien zu besprechen. (TZ 18)

 d) Es wäre eine Fehlerbewertung hinsichtlich der finanziellen Risiken der Fehler einzuführen. (TZ 21)

e) Durch eine regelmäßige Evaluierung wäre sicherzustellen, ob das bestehende Prüf– und Freigabewesen die Risiken effektiv adressiert. (TZ 22)

(16) Die Ursachen für die hohe Anzahl von Fallcodes bei der Ausgleichszulage wären näher zu analysieren. (TZ 15)

 (17) Mehrbezüge wären zu dokumentieren und auszuwerten. (TZ 22)

(18) Die festgelegte Vorgehensweise zur Prüfung der Anspruchsberechtigung von Beziehern ausländischer Pensionen wäre auch tatsächlich zeitnah umzusetzen. (TZ 43)

 (19) Es wäre zu überprüfen, warum die Fehlerquote der Sozialversicherungsanstalt der Bauern rund doppelt so hoch lag wie jene der Pensionsversicherungsanstalt. (TZ 21)


Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz folgende 

 

Anfrage 

1.    Wie stehen Sie als Sozialminister mit Stand 1.Jänner 2016 zu den im RH-Bericht vorgebrachten Kritikpunkten?

2.    Welche der vom Rechnungshof formulierten Empfehlungen wurden aus Sicht des Sozialministeriums bereits umgesetzt?

3.    Welche Empfehlungen werden bis Ende 2016 umgesetzt werden?

4.    Für die Umsetzung welcher Empfehlungen werden bundesgesetzliche Adaptierungen notwendig sein?

5.    Für die Umsetzung welcher Empfehlungen werden Beschlussfassungen der Organe der Sozialversicherungsträger notwendig sein?