7938/J XXV. GP

Eingelangt am 29.01.2016
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Dr. Andreas F. Karlsböck

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Gesundheit

betreffend unlauterer Wettbewerb der NÖGKK durch kostenlose Narkosebehandlungen im Zahnambulatorium St. Pölten

 

Wie schon an anderer Stelle betont, hatten die Zahnambulatorien der neun österreichischen Gebietskrankenkassen ursprünglich die zahnärztliche Behandlung in unterversorgten Gebieten sicherzustellen und damit eine soziale Aufgabe zu erfüllen. Sie sollten und sollen die niedergelassenen Zahnärzte unterstützen, aber nicht aufgrund nur ihnen gewährter Privilegien und Wettbewerbsvorteile auf unlautere Weise konkurrenzieren. Genau das aber geschieht zurzeit in einem Zahnambulatorium der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK), wo kostenlose Narkosebehandlungen angeboten werden.

 

Zwar war es der NÖGKK vom Obersten Gerichtshof (OGH) aufgrund einer Unterlassungsklage eines Zahnarztes in Pöchlarn, Niederösterreich, zwischenzeitlich verboten worden, in ihrem Zahnambulatorium in St. Pölten Vollnarkosen zur Zahnbehandlung anzubieten und/oder zu verabreichen, ohne dafür kostendeckende Beiträge zu veröffentlichen und vom Patienten einzufordern.

 

Zwischenzeitlich wurde allerdings die vom Landesgericht St. Pölten und vom OGH bestätigte einstweilige Verfügung zum Verbot der kostenlosen Narkosebehandlung im NÖGKK-Ambulatorium wieder aufgehoben und die Klage des Zahnarztes abgewiesen, weil in der Zwischenzeit die NÖKKK ihre Satzung geändert und damit die Tür zur kostenlosen Behandlungserlaubnis geöffnet hat. Obwohl im Landesgerichtsspruch dem klagenden Zahnarzt und Narkosearzt bestätigt wurde, dass bis zur Zustellung des Beschlusses des OGH das Handeln der NÖGKK wettbewerbswidrig war.

 

In Vorbereitung des Hauptverfahrens vor dem Landesgericht St. Pölten hat nun die NÖGKK, offensichtlich in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium, die
Ambulatoriumssatzung so angepasst, dass kostenlose Vollnarkosen als
Ambulatoriumsleistung geöffnet sind, und damit die Entscheidungsgründe des OGH wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens der NÖGKK konterkariert.

 

Der OGH hatte nämlich u.a. festgestellt, dass mit dem kostenlosen Vollnarkose-Angebot die NÖGKK auch ohne Gewinnabsicht wettbewerbswidrig handelt und die NÖGKK

·      mit dem Betrieb eines Zahnambulatoriums im geschäftlichen Verkehr und damit im Wettbewerb steht;

·      Zahnmedizin in Ambulatorien der Sozialversicherungsträger nach § 153 Abs 3 ASVG nur eingeschränkt anbieten darf und

·      offenkundig gegen § 153 Abs 3 ASVG verstößt.

 

Im OGH-Spruch wird ausdrücklich betont, dass erweiterte Befugnisse von Ambulatorien Umsatzverluste für niedergelassener Ärzte und Zahnärzte bewirken, wenn in Ambulatorien Leistungen kostenlos erbracht werden, die von Patienten bei niedergelassenen Ärzten zu zahlen wären.

 

Mit ihrer Vorgangsweise der Satzungsänderung hat die NÖGKK seit März 2015, offensichtlich im Zusammenwirken mit der Gesundheitsministerin und prozessentscheidend, die gesamte Zahnärzteschaft, Ärzteschaft und ihre jeweiligen Kammern „ausgeschaltet“.

 

Mit dieser in jeder Hinsicht zu kritisierenden Entscheidung ist somit über den Anlassfall Vollnarkose hinausgehend für alle niedergelassenen Ärzte und Anästhesisten ein kritisches Stadium in der Gesundheitspolitik erreicht, das so nicht hingenommen werden darf.

 

Das Vorgehen im Zahnambulatorium St. Pölten und das Verabreichen von kostenlosen Vollnarkosen für Zahnbehandlung scheint Teil eines inhaltlich und örtlich viel umfassenderen Strategie zu sein, nämlich die Gesundheitsversorgung der Ambulatorien auszudehnen, statt – wie es ökonomisch geboten wäre – weitgehend in den „extramuralen Bereich“ auszulagern.

 

Das Zusammenwirken von NÖGKK und Gesundheitsministerium beim „Reparieren“ der Satzungen ist zudem rechtsethisch höchst bedenklich und lässt weitere gesetzwidrige Vorgangsweisen seitens eines Sozialversicherungsträgers vermuten.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Gesundheit folgende

 

 

Anfrage

 

 

1.    Wie stehen Sie zur offensichtlichen Tendenz, die ärztliche Versorgung in die Ambulatorien der Gebietskrankenkassen zu verlagern, statt sie in den niedergelassenen Bereich auszulagern?

 

2.    Werden Sie Maßnahmen setzen, um den Wettbewerbsnachteil für niedergelassene Zahnärzte zu beseitigen, die, um kostendeckend arbeiten zu können, keine Gratisnarkose anbieten können?

3.    Wenn ja, welche und ab wann?

4.    Wenn nein, warum nicht?

 

5.    Wie beurteilen Sie die Vorgangsweise der NÖGKK, die Satzungen noch während eines laufenden Verfahrens im Sinne der Ambulatorien zu ändern, um so die Wettbewerbsnachteile für niedergelassene Zahnärzte rechtlich abzusichern und damit festzuschreiben?

 

6.    Wurde diese Vorgangsweise mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger abgestimmt?

7.    Wenn ja, wann und auf welcher gesetzlichen Grundlage?

 

8.    Wurde diese Vorgangsweise mit dem Gesundheitsministerium abgestimmt?

9.    Wenn ja, wann und auf welcher gesetzlichen Grundlage?

 

10. Steht diese Vorgangsweise im Zusammenhang mit einer geplanten Etablierung von medizinischen Erstversorgungszentren (PHCs) auch im Bereich der zahn-medizinischen Versorgung?

11. Wenn ja, auf welcher gesetzlichen Grundlage?

 

12. Sind Ihnen solche Vorgangsweisen auch aus anderen GGKs bekannt?

13. Wenn ja, bei welchen?