8158/J XXV. GP

Eingelangt am 15.02.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Bildung und Frauen

betreffend detaillierte Ergebnisse der Zentralmatura 2014/15

BEGRÜNDUNG

 

In den vergangenen Wochen berichteten die Medien[1] über die Ergebnisse der Zentralmatura 2014/15 bzw. die überraschend großen Leistungsunterschiede zwischen Bundesländern, Schulformen und Geschlechtern.  Die zugrunde liegenden  Ergebnisse der Zentralmatura wurden allerdings bisher nicht in ausreichend detaillierter Form veröffentlicht, um klar nachvollziehen zu können, ob diese Leistungsunterschiede standortbedingt oder systembedingt sind. Mit den Fragen 1 bis 10 will der Anfragesteller mehr Transparenz und eine klare Datengrundlage in die öffentliche Debatte und wissenschaftliche Untersuchung der Ergebnisse der Zentralmatura bringen.

Auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Frauen (BMBF) wurden bereits im Sommer einige Zwischenergebnisse der schriftlichen Klausuren zum Haupttermin 2014/15 veröffentlicht (wenn auch erst von 95% der Schulen und mit Stand 26. Mai), nach Bundesländern und Geschlecht prozentuell differenziert.[2] 

Diese Zwischenergebnisse werfen Fragen auf, sowohl wegen mehrerer unerwarteter Resultate und negativer Leistungen in erheblichem Ausmaß in bestimmten Gruppen, für die es vor der Durchführung weiterer Reifeprüfungen


 

Auffallend sind die erheblichen und österreichweit auftretenden negativen Gender-Effekte zum Nachteil der Mädchen in der lebenden Fremdsprache („Englisch“ auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Frauen). Entgegen bisheriger nationaler und internationaler Assessments/Erhebungen schneiden AHS-Mädchen erstmals in einem Sprachenfach deutlich schlechter ab als die Buben:  Es gibt laut BMBF-Homepage 60% mehr negative Abschlüsse der Mädchen als der Buben (6,9% vs. 4,3%). Dieser Effekt tritt durchgehend in allen Bundesländern auf und ist in Vorarlberg (7,3% zu 2,4%, d.h. 200% mehr Mädchen mit negativen Abschlüssen) und in Salzburg (9,8% zu 4,0%) am stärksten ausgeprägt.

Ebenfalls auffallend sind die generell schlechten Resultate in Mathematik und die dabei erheblichen und österreichweit auftretenden negativen Gender-Effekte zum Nachteil der Mädchen. Obwohl man aus landesweiten Studien weiß, dass Buben in Mathematik tendenziell etwas besser abschneiden, ist diese Differenz nicht „naturgegeben“ und pädagogisch nicht automatisch zu akzeptieren, insbesondere weil die Größe des Effekts 2014/15 alle diesbezüglichen Erwartungen übertrifft (12,6% zu 7,6%).

Besonders unerwartet sind in diesem - in vieler Hinsicht bundesweit bezüglich Lehrplan und Rahmenbedingungen sehr einheitlichen - Schultyp AHS die in den Klausuren aufgetretenen enormen regionalen Unterschiede. So differieren die negativen Ergebnisse in Mathematik zwischen 4,1% in OÖ bzw. 4,8% in Kärnten und 19,7% in Vorarlberg und 17,6% in Salzburg – also vierfach höhere Misserfolgsraten! Sowohl die Reihenfolge der Bundesländer im Erfolg als auch die aufgetretenen großen regionalen Differenzen blieben bisher unerklärt. Insbesondere widersprechen manche Ergebnisse diametral den Resultaten der drei Jahre zuvor erhobenen Bildungsstandards (wo z.B. Salzburg zu den besten Bundesländern zählte). Auch der Ausschöpfungsgrad der AHS bezüglich eines Jahrgangs liefert offenbar keine befriedigende Erklärung (siehe Vorarlberg oder Wien).

Obwohl das Bundesministerium für Bildung und Frauen  bisher keine differenzierenden Zahlen zu den ORGs vorgelegt hat, so sind doch einige Detailergebnisse bekannt geworden, u.a. aus Kärnten und Salzburg.  Aus diesen kann geschlossen werden, dass die Klausurergebnisse in den ORG ganz erheblich schlechter als in den Langformen ausgefallen sind. So sind beispielsweise in Salzburger ORGs allein in Mathematik rund ein Viertel der Schüler/innen durchgefallen (Buben 20%, bei Mädchen sogar 27%) – wogegen in AHS-Langformen nur rund 8% negative Ergebnisse verzeichnet wurden. Die ORGs hatten also die dreifache Anzahl an „Nicht genügend“.  In Kärnten waren die „Nicht Genügend“ in ORGs ähnlich, 28% in Mathematik und 23% in Englisch (gegenüber Langformen von 9% bzw. 7%). Rechnet man diese Statistiken hoch, so sind in den ORGs in vielen Bundesländern vermutlich zwischen 35 und 40% der ORG-SchülerInnen in den schriftlichen Prüfungen durchgefallen, ein pädagogisch untragbarer Zustand.

Den Mitgliedern der gesetzlich eingerichteten und zur begleitenden Auswertung, Begutachtung und Evaluation der Reifeprüfung berufenen Bundesreifeprüfungskommission lagen diese (und hoffentlich weitere) empirische Ergebnisse zur Reifeprüfung 2014/15 vor. Diese tagte zum Thema auch im November 2015.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 


Bitte bei jeder der nachfolgenden Fragen 1) bis 10) nach konkreten SchülerInnenzahlen diese Zahlen gesamt für alle AHS in Österreich berichten und dann jeweils (a) nach Bundesland, (b) Geschlecht und (c) Schulform (AHS-Langform, ORGs, andere) aufgeschlüsselt - nach folgendem Muster:

 

1) Zulassung zur Reifeprüfung (Haupttermin 2014/15)

a)    Wie viele SchülerInnen haben im Schuljahr 2014/15 die Abschlussklasse der AHS (12. bzw. 13. Schulstufe) besucht?

 

b)    Wie viele dieser SchülerInnen wurden zum Haupttermin wegen „Nicht genügend“ im Jahreszeugnis nicht zugelassen?

 

c)    Wie viele SchülerInnen wurden zum Haupttermin 2015 zugelassen?
(= haben die Abschlussklasse positiv absolviert – ggf. mit Wiederholungsprüfung vor der Klausur )

 2) Vorwissenschaftliche Arbeit

a)    Wie viele SchülerInnen, die zum Haupttermin 2015 zugelassen waren, haben zeitgerecht eine Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) eingereicht?

 

b)    Welche Beurteilungen erbrachten die Vorwissenschaftlichen Arbeiten (VWA)?

 

c)    Wie viele SchülerInnen traten trotz negativer Beurteilung der VWA zur schriftlichen Reifeprüfung im Haupttermin an?


3) Schriftliche Reifeprüfung/Klausuren  (im Haupttermin 2014/2015)

a)    Wie viele der zugelassenen SchülerInnen sind zum Haupttermin 2015 zur schriftlichen Reifeprüfung angetreten (getrennt nach M, Lebende Fremdsprachen, D und optionale weitere Fächer)?

 

b)    Wie verteilen sich die Ergebnisse dieser SchülerInnen auf die Notenstufen in Mathematik (von 1 – 5)?

 

c)    Wie verteilen sich die Ergebnisse auf die Notenstufen in den Lebenden Fremdsprachen (E, F, I, Sp)?

 

d)    Wie verteilen sich die Ergebnisse auf die Notenstufen in Deutsch?

 

e)    Wie lautete die Notenverteilung in den optionalen weiteren schriftlichen Fächern?

4) Kompensationsprüfungen (Juni 2015)

a)    Wie viele SchülerInnen haben sich zu mündlichen Kompensationsprüfungen im Haupttermin 2015 angemeldet (getrennt nach M, Lebende Fremdsprachen, D etc.)?

 

b)    Wie viele SchülerInnen haben die mündliche Kompensationsprüfung zum Haupttermin 2015 abgelegt angemeldet (getrennt nach M, Lebende Fremdsprachen, D etc.)?

 

c)    Wie lautete das Ergebnis der mündlichen Kompensationsprüfungen (Notenverteilung  3 oder 4 oder 5)?

5) Mündliche Prüfungen

a)    Wie viele SchülerInnen haben eine oder mehrere mündliche Prüfungen im Haupttermin 2015 nicht bestanden (jeweils nach Fächern)?

6) Gesamtergebnis Haupttermin 2015

a)    Wie viele der zum Haupttermin zugelassenen Schüler/innen haben nach positivem Abschluss aller drei Teilbereiche (VWA, schriftliche und mündliche Prüfungen)  im Mai/Juni ein Reifeprüfungszeugnis zum Haupttermin 2015 erhalten?

 

b)    Wie viele der zum Haupttermin zugelassenen Schüler/innen haben im Haupttermin die Reifeprüfung nicht oder negativ abgeschlossen? Bitte aufschlüsseln nach: Nichtantreten zu Prüfung / negativer VWA / negativer Note in den Klausurfächern (+ negativer Kompensationsprüfung) / negativer Note in den mündlichen Fächern]


7) Vergleich mit früheren schriftlichen Klausuren/Reifeprüfungen (2014 und 2013):

a)    Wie verteilten sich in den beiden vorhergehenden Jahren 2013 und 2014 die Ergebnisse der Schüler/innen auf die Notenstufen in den schriftlichen Prüfungen/Klausuren zur Mathematik, zu Lebenden Fremdsprachen (E, F, I, Sp) und in Deutsch?

 8) Wiederholungsprüfungen

a)    Wie viele nicht zum Haupttermin zugelassene SchülerInnen sind vor dem 1. Nebentermin zu Wiederholungsprüfungen angetreten (um zum 1. Nebentermin zugelassen zu werden)?

b)    Welches Ergebnis erbrachten diese Wiederholungsprüfungen (getrennt nach M, Lebende Fremdsprachen, D und optionale weitere Fächer)?

9) Vorwissenschaftliche Arbeit

a)    Wie viele Schüler/innen haben ihre Vorwissenschaftliche Arbeit erst zum 1. Nebentermin positiv abgeschlossen?

b)    Wie viele Schüler/innen des Haupttermins 2015 verfügen auch nach dem 1. Nebentermin über keine positiv beurteilte VWA?

10) Ergebnis - 1. Nebentermin 2015

a)    Wie viele Schüler/innen sind zum 1. Nebentermin angetreten (getrennt nach M, Lebende Fremdsprachen, D und optionale weitere Fächer)?

b)    Wie verteilen sich die schriftlichen Ergebnisse dieser Schüler/innen im 1. Nebentermin auf die Notenstufen in Mathematik, in den Lebenden Fremdsprachen (E, F, I, Sp), in Deutsch und in den optionalen weiteren schriftlichen Fächern?

c)    Wie viele SchülerInnen haben sich zu mündlichen Kompensationsprüfungen im 1. Nebentermin 2015 angemeldet (getrennt nach M, Lebende Fremdsprachen, D, etc.)?

d)    Wie lautete das Ergebnis der mündlichen Kompensationsprüfungen (Notenverteilung 3 oder 4 oder 5) ?

e)    Wie viele der zum Haupttermin zugelassenen Schüler/innen haben nach positivem Abschluss im 1. Nebentermin im September bzw. Oktober 2015 ein Reifeprüfungszeugnis zum Haupttermin 2015 erhalten?

f)     Wie viele der zum Haupttermin zugelassenen Schüler/innen haben die Reifeprüfung auch nach dem 1. Nebentermin noch nicht oder negativ abgeschlossen? Bitte aufschlüsseln nach: Nichtantreten zu(r) Prüfung(en) / negativer VWA / negativer Note in den Klausurfächern (+ negativer Kompensationsprüfung) / negativer Note in den mündlichen Fächern.


11) ENGLISCH:

 

a)    Wie erklären sich die Verantwortlichen der Reifeprüfung diesen großen Gendereffekt und die erhebliche Benachteiligung der Mädchen in der Englischklausur?

 

b)    In welchem Verhältnis stehen diese Abschlüsse bei der Reifeprüfung zu den am Ende der 8. Klasse erzielten Englischnoten (Notenverteilungen)?

 

c)    Welche pädagogischen Maßnahmen an den Schulen und welche methodischen Verbesserungen an der Prüfung selbst werden in Richtung künftiger Reifeprüfungen ergriffen, damit diese Benachteiligung der Mädchen künftig verhindert wird?

 

12) MATHEMATIK:

 

a)    Wie erklären sich die Verantwortlichen der Reifeprüfung im BMBF dieses schlechte Ergebnis im Mathematik, den großen Gendereffekt und die erhebliche Benachteiligung der Mädchen?

 

b)    In welchem Verhältnis stehen diese Abschlüsse bei der Reifeprüfung zu den am Ende der 8. Klasse erzielten Mathematiknoten (Notenverteilungen)?

 

c)    Welche pädagogischen Maßnahmen an den Schulen und welche methodischen Verbesserungen an der Prüfung selbst werden in Richtung künftiger Reifeprüfungen ergriffen, damit diese Benachteiligung der Mädchen in Mathematik vermindert wird?

 

13)      BUNDESLÄNDER:

 

a)    Wie erklären die Verantwortlichen für die Reifeprüfung im BMBF diese großen Differenzen in den negativen Ergebnissen vor allem in Englisch und Mathematik zwischen den Bundesländern?

 

b)    Wie erklären die Verantwortlichen die Tatsache, dass das schlechte Abschneiden der Bundesländer Vorarlberg und Salzburg vor allem durch die hohen Misserfolgsraten der dortigen Mädchen hervorgerufen wird?

 

c)    Welche Maßnahmen werden in Richtung künftiger Reifeprüfungen ergriffen, damit diese regionalspezifischen Benachteiligungen vermindert werden?

 

14)  OBERSTUFENREALGYMNASIEN:

 

a)    Wie erklären sich die Verantwortlichen für die Reifeprüfung im BMBF diese enormen Differenzen in den negativen Ergebnissen zwischen den Schultypen AHS-Langform und ORG - vor allem in Englisch und Mathematik?

 

b)    Welche pädagogischen Maßnahmen werden in diesem Schultyp ergriffen, damit diese schultypspezifischen Defizite vermindert werden?


15) BUNDESREIFEPRÜFUNGSKOMMISSION (BRK):

 

a)    Welche Probleme hat die BRK im Zusammenhang mit den aktuellen Ergebnissen der Reifeprüfung festgestellt?

 

b)    Wie erklärt und bewertet die BRK die in der schriftlichen Reifeprüfung 2014/15 beobachteten erheblichen geschlechterbezogenen, regionalen und schultypspezifischen Benachteiligungen von Schülergruppen?

 

c)    Welche diesbezüglichen kurzfristigen und langfristigen Verbesserungen im methodisch-inhaltlichen Bereich der schriftlichen Reifeprüfung werden durch die BRK empfohlen bzw. durch das BMBF dem BIFIE vorgeschrieben?

 

d)    Welche pädagogischen Maßnahmen an den Schulen empfiehlt die BRK, um diese Unterschiede künftig zu vermindern?

 

e)    Werden die laufenden Evaluationsberichte der BRK veröffentlicht und wenn ja, wann und wo?

 

 

 



[1] siehe: Tageszeitung „Der Standard“, online-Ausgabe am 1. Februar 2016: http://derstandard.at/2000030115353/Maedchen-bei-Zentralmatura-in-Englisch-unerwartet-schlecht

[2] siehe => https://www.bmbf.gv.at/ministerium/vp/2015/20150527.html  am 16.12.2015