8287/J XXV. GP

Eingelangt am 23.02.2016
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Anfrage

 der Abgeordneten Eva Mückstein,  Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Gesundheit

betreffend alternde Gesellschaft und Gesundheitsversorgung

BEGRÜNDUNG

 

Das Gesundheitssystem muss für die Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft fit gemacht werden! In diversen internationalen Stellungnahmen und Studien wird die Notwendigkeit einer geriatrischen Fachkompetenz in der Medizin und in allen Gesundheitsberufen betont.

Der geriatrische Patient wird im Wesentlichen folgendermaßen charakterisiert: Höheres biologisches Alter, Multimorbidität, unspezifische Symptome, verlängerter Krankheitsverlauf und verzögerte Genesung, veränderte Reaktion auf Medikamente, Instabilität (Sturzneigung), Immobilität, Inkontinenz, hohes Risiko für kognitive Störungen und psychosoziale Symptome.

Die Geriatrie als Spezialfach der Medizin umfasst die präventive, kurative, rehabilitative und palliative Betreuung dieser PatientInnen.  Wichtig ist dabei die besondere Berücksichtigung somatischer, psychischer und sozialer Aspekte auf Basis des multidimensionalen geriatrischen Assessments im multiprofessionellen und interdisziplinären Kontext.

In den meisten Staaten Europas ist die Geriatrie seit Jahren als eigenständiges medizinisches Fach anerkannt, sie gilt sogar als Zukunftsfach der Medizin, wie es auch der „World report on ageing and health“ (WHO 2015) sieht und fordert.

Eine Spezialisierung alleine reicht nicht aus, das spezielle geriatrische Wissen, die notwendigen geriatrischen Fertigkeiten und die entsprechende ethische Haltung müssen kompetent erarbeitet werden, um sie weitergeben zu können.

In Österreich wird die Geriatrie seit 1. Juli 2015 nicht mehr als Additivfach anerkannt. Damit wird ein erst 2011 erfolgter Fortschritt wieder rückgängig gemacht und Österreich gehört damit mit Zypern, Griechenland, Portugal und Slowenien leider wieder zum europäischen Schlusslicht.

Auch im aktuellen Entwurf des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes werden die Interessen und Bedürfnisse von älteren, oft multimorbiden Menschen nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei stellen ältere Menschen die größte Gruppe der zu Pflegenden dar. Die notwendige Qualifikation samt Spezialisierung für eine qualitätsvolle, fachlich kompetente Altenpflege sollte im  Gesetz zu verankert werden.

Es besteht somit das Risiko erheblicher Qualitätseinbußen in der Versorgung von alten und gebrechlichen Menschen in allen Settings, in denen diese versorgt werden.

Für die Umsetzung der kürzlich vorgestellten Demenzstrategie des Bundes ist eine begleitende Struktur für Koordination, Vernetzung und Kontrolle nötig.

Österreichische Krankenhäuser sind noch immer viel zu wenig auf PatientInnen mit Demenz eingestellt. Notwendig sind demenzgerechte Krankenhäuser nach internationalem Beispiel und eine verbesserte Ausbildung aller Gesundheitsberufe auf diesem Gebiet.

Ganz besonders im Argen liegt die derzeitige Praxis der oft routinemäßigen Verschreibung von Psychopharmaka und Antipsychotika bei alten und demenzkrankten Menschen. Die Verschreibung erfolgt nicht selten ohne Indikation, um alte Menschen ruhigzustellen und ist schlicht als Freiheitsbeschränkung zu werten. Dieser Missstand ist vorrangig abzustellen

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Ist Ihnen der World report on ageing and health der WHO bekannt?

 

2)    Wie werden die Erkenntnisse des World report on ageing and health in die österreichische Gesundheitspolitik einfließen?

 

3)    Ist Ihnen bewusst, dass die Abschaffung des Additivfaches Geriatrie einen eklatanten Rückschritt in der Versorgung alter Patienten in den Bereichen Akutgeriatrie/Remobilisation bzw. in der stationären Geriatrie bedeutet?

 

4)    Werden Sie dafür sorgen, dass Geriatrie wieder ein eigenständiges medizinisches Fach wird? Wenn nein, warum nicht?

 

5)    Werden Sie die Pflege alter Menschen in die Spezialisierungen des neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetz aufnehmen? Wenn nein, warum nicht?

 

6)    Wie wird der Vulnerabilität, also der körperlichen, psychischen, ökonomischen und sozialen Verletzlichkeit alter Menschen im österreichischen Gesundheitssystem Rechnung getragen?

 

7)    Planen Sie, für die Umsetzung der Demenzstrategie des Bundes eine begleitende Struktur für Koordination, Vernetzung und Kontrolle zu installieren? Wenn nein, warum nicht?

 

8)    Wären Sie dafür, in Österreich nach deutschem Vorbild ein Demenzkompetenzzentrum (Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen: http://www.dzne.de , bzw. Dialog und Transferzentrum Demenz: http://dzd.blog.uni.wh.de)  einzurichten? Wenn nein, warum nicht?

 

9)    Ist geplant, dem Nationalrat laufende Berichte über die Umsetzung der Demenzstrategie vorzulegen? Wenn ja, in welchen Zeitabständen? Wenn nein, warum nicht?

 

10) Für die Betreuung von Menschen mit Demenz ist spezielles Wissen wichtig. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um die derzeit schlechte Betreuung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus zu verbessern?